Rhein-Hafen in Wesseling Die Kaimauer ist Umschlagplatz Nummer eins

WESSELING · Es ist kurz nach 8 Uhr an einem Mittwoch im Herbst, als Kapitän Vladimir Hyka (35) und die Besatzung seines 110 Meter langen Tankschiffs "Veerman" besonders aufmerksam sein müssen: Der Rhein-Hafen in Wesseling kommt in Sicht.

 Auf Rundgang: Raffinerie-Sprecher Jan Zeese führt durch den Produktionsbereich.

Auf Rundgang: Raffinerie-Sprecher Jan Zeese führt durch den Produktionsbereich.

Foto: Axel Vogel

Dieser gehört zur Shell Rheinland Raffinerie, die mit ihren beiden, durch ein Leitungssystem verbundenen Werksteilen "Süd" (Wesseling) und "Nord" (Godorf) nach Unternehmensangaben die größte Raffinerie in Deutschland ist. In dem viel befahrenen Hafen will Hyka an einem der fünf Verladetürme 800 Tonnen Methanol bunkern.

Eigentlich könnte er über 3000 Tonnen laden, aber mehr geht wegen des niedrigen Rheinpegels nicht, so erklärt der Binnenschiffer. Die "Veerman", deren Heimathafen Rotterdam ist, kommt aus Karlsruhe, wo das Schiff Ladung gelöscht hat.

Wenn Hyka mit seinem Tankschiff jetzt an der rund 800 Meter langen Kaimauer am Rheinkilometer 668 festmacht und die rund sechsstündige Betankung beginnt, heißt es, höchst wachsam zu sein. Und zwar nicht nur für die Crew des Tankers. Vor allem ist auch jeder der drei Hafenmitarbeiter des Ölkonzerns gefordert, die gerade Schicht haben.

Die Ventile müssen dicht sein

Salopp formuliert, müssen alle Seiten in den nächsten Stunden auf die Dichtigkeit jedes noch so kleinen Ventils achten und "die scheinbar noch so geringste Nachlässigkeit wie das Nichtaufsetzen der obligatorischen Schutzbrille ansprechen", sagt Stephan Kirsch. Der ist auf Shell-Seite einer der Verantwortlichen für den reibungslosen Hafenbetrieb.

Genauer gesagt ist Kirsch als stellvertretender Betriebsleiter für eine der Betriebsanlagen mit der Bezeichnung "MM-P39" im Werk "Süd" und damit für rund 60 Mitarbeiter zuständig. Zu seinem Verantwortungsbereich gehört auch der Hafen, der ein für die Rheinland Raffinerie "vitaler Unternehmensbereich" ist.

Der hohe Sicherheitsaufwand muss sein. Schließlich werden laut Kirsch hier tagtäglich Tausende Tonnen entzündlicher Chemie- und Mineralölprodukte wie Kerosin, Benzin, Diesel und Heizöl umgeschlagen. Damit der Hafenbetrieb reibungslos funktioniert, wachen die Shell-Leute um Kirsch nicht nur über die Einhaltung höchster Sicherheitsstandards. Auch die Qualität der Produkte muss stimmen. Bei einem Ortstermin konnte sich der General-Anzeiger selbst ein Bild vom herausfordernden Alltag rund um die Kaimauern machen.

Im Hafen herrscht immer viel Betrieb

Im Hafen der Raffinerie herrscht an diesem Vormittag viel Betrieb: Neben der "Veerman" haben noch zwei weitere Schiffe festgemacht, die betankt werden wollen. Alltag für Stephan Kirsch und seine Mitarbeiter. Der 1974 gebaute Hafen im Rhein-Strom ist die Herzkammern in Sachen Logistik auf dem insgesamt 4,5 Quadratkilometer großen Gelände der Rheinland Raffinerie.

So werden in Godorf und Wesseling laut Pressesprecher Jan Zeese rund 17 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr verarbeitet, die in Pipelines von Rotterdam und Wilhelmshaven nach Wesseling und Godorf gepumpt werden. Aus dem Rohöl werden dann die unterschiedlichsten Produkte hergestellt, vom Flüssiggas für Feuerzeuge über Diesel und Benzin bis hin zu Kerosin für Flugzeuge und Bitumen für Straßenbeläge.

Große Mengen an entzündlichen Stoffen müssen im Hafen bewegt werden (siehe Kasten), daher treibt Stephan Kirsch das Thema Sicherheit besonders um. Dabei geht es nicht nur darum, über die Einhaltung von Vorschriften zu wachen - beispielsweise das Tragen von Schutzkleidung und das Mitführen von Geräten, die in Schadensfällen etwa vor dem hochtoxischen Stoff Schwefelwasserstoff warnen.

Auch ist es seiner Aussage nach wichtig, jeden Tag aufs Neue zu vermitteln, "wachsam zu bleiben". Dazu gehört es, auf Kollegen, die sich auffällig verhalten, aber auch auf Alltagssituationen zu achten, wo sich laut Kirsch "Gefahrensituationen etwa aus Stolperfallen ergeben können". Es gilt, noch so kleinen Anfängen zu wehren, weil diese in dem großen Mineralölwerk rasch verheerende Folgen haben können. Darum beauftragt das Unternehmen auch eigene, sogenannte "Safety Walker", die das Firmengelände durchstreifen, um Gefahrenstellen und Fehlverhalten aufzuspüren, ergänzt Kirsch.

Gefahrenvermeidung durch neues Technik

Ebenfalls in Sachen Technik setzt das Unternehmen alles daran, um auf dem letzten Stand zu sein und Unfälle und Gefahrensituationen zu vermeiden. So zu sehen in der modernen Leitstelle des Hafens: Dort kann Hafenmeister Frank Madaiski (36) mit seinen Mitarbeitern an mit Videobildschirmen und Messinstrumenten ausgestatteten Arbeitsplätzen die gesamten Verladetätigkeiten im Hafen bis zur letzten Minute überwachen.

Kommt es doch zu einem Brand, stehen fernsteuerbare Löschkanonen an jeder Verladebrücke bereit. Darüber hinaus ist die Werksfeuerwehr, die inklusive nebenberuflicher Kräfte mehr als 200 Mitglieder zählt, rund um die Uhr in Alarmbereitschaft.

Und was gehört noch zum Job von Stephan Kirsch? Er muss sicherstellen, dass die Schiffe mit Diesel und Benzin beladen werden, dessen Qualität zu 100 Prozent stimmt. "Die vorgeschriebene DIN muss exakt getroffen werden", betont Kirsch. "Schließlich kann man das Produkt nicht mehr umtauschen." Angesichts von Motoren, die immer spezieller würden, "ist das schon ein Herausforderung". Nur wenn die Freigabe für eine Ladung aus einem Shell-eigenen Labor kommt, lässt Kirsch die Schiffe auch beladen.

Das Frachtaufkommen wird sich verlagern

Was das Frachtaufkommen im Hafen angeht, könnte sich in Zukunft etwas ändern. Jan Zeese: "Diesel und Heizöl wurden bislang nur auf Tankschiffen, per Produktpipeline oder Lastwagen transportiert, und nur Chemieprodukte mit der Bahn." Das erklärt auch das bislang geringe Frachtaufkommen auf der Schiene.

Da das Unternehmen viele Tankläger etwa in süddeutschen Mittelgebirgen so aber nur umständlich erreichen kann, "wollen wir unsere Logistik durch den Bau einer neuen Verladeanlage flexibler gestalten". Will heißen: Diesel und Heizöl sollen vermehrt in Eisenbahnkesselwagen transportiert werden.

Zudem ersetzt laut Zeese ein voll beladener Kesselwagenzug etwa 50 Tankkraftwagen. Sprich: Neben wirtschaftlichen Erwägungen sind auch Umweltschutzgründe "ein weiteres starkes Argument für das Projekt". Voraussichtlich 2016 soll die Gleiserweiterung fertig sein, wobei Zeese betont: "Grundsätzlich bleibt die Schiffsverladung die günstigste und sicherste Möglichkeit, Waren entlang des Rheins zu transportieren."

Von daher dürfte es rund um die Kaimauer weiterhin viel für Stephan Kirsch und seine Mitarbeiter zu tun geben. Die haben auch an diesem Vormittag wieder dafür gesorgt, dass der Betrieb reibungslos funktioniert: Gegen 14.30 Uhr legt die "Veerman" ab und nimmt Kurs auf Uerdingen, wo Kapitän Hyka das Methanol löschen wird. Damit ist an der Kaimauer des Shell-Hafens auch wieder Platz. Das nächste Schiff wartet nämlich schon.

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