Muslime in Bornheim Die Kinder dürfen Weihnachten mitfeiern

BORNHEIM · "Für mich ist Weihnachten ein Gefühl. Ich genieße die gemütliche, warme Atmosphäre, die Zeit, in der alle ein Stückchen näher zusammenrücken." Karin Ibrahim mag festlich beleuchtete Straßen, hübsch dekorierte Schaufenster, Kerzenschein und Plätzchenduft.

 "Man kann nichts bewerten, das man nicht kennt": Die Bornheimer Mohamed (links) und Karin Ibrahim (rechts), mit zwei ihrer drei Kinder, Mezzin (2. von links) und Jamal.

"Man kann nichts bewerten, das man nicht kennt": Die Bornheimer Mohamed (links) und Karin Ibrahim (rechts), mit zwei ihrer drei Kinder, Mezzin (2. von links) und Jamal.

Foto: Wolfgang Henry

Im heimischen Wohnzimmer dagegen haben weder Sternchen noch Engelchen, Adventskranz oder Weihnachtsbaum einen Platz. Das Fest zur Geburt Christi und die damit verbundenen Traditionen spielen im Glauben der Bornheimerin keine Rolle: Seit elf Jahren ist Karin Ibrahim Muslimin.

In der ehemaligen DDR ohne religiöse Bindung aufgewachsen, konvertierte sie 2003 nach intensiver Beschäftigung mit den Weltreligionen zum Islam. "Damals kannte ich meinen Mann noch nicht. Ich habe diese Entscheidung ganz bewusst für mich selbst getroffen", erklärt die 32-Jährige, die sich als zweite Vorsitzende des Bornheimer Integrationsrates für die Belange von Migranten engagiert.

Dass sie mit diesem Schritt auch lieb gewonnene Traditionen wie das Weihnachtsfest hinter sich lassen musste, war ihr durchaus bewusst. "Durch meine Familie blieb ich ja mit dem Fest verbunden - mein Mann Mohamed und ich haben allerdings nie Weihnachten gefeiert." Der aus Ägypten stammende Bauingenieur kennt das Weihnachtsfest aus seiner Heimatstadt Kairo, in der viele Christen leben. "Die Christen in Ägypten feiern Weihnachten am 7. Januar", sagt der 40-Jährige. Kompliziert wurde das Thema Weihnachten, als das erste der drei Kinder des Paares in den Kindergarten kam. "Im ersten Jahr habe ich meinen Sohn vor den christlichen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten aus dem Kindergarten genommen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich ihm damit keinen Gefallen tue."

Seitdem dürfen Mezzin (9), Yahia (6) und Jamal (4) alle Feste in Kindergarten und Schule mitfeiern. Sie öffnen Adventskalendertürchen, lauschen Geschichten bei Kerzenschein und genießen es, in den letzten Tagen vor den Ferien "hausaufgabenfrei" zu haben. "Es ist eine besondere Zeit in der Schule. Wir machen viele schöne Sachen", sagt Mezzin. Nur die Kinder, die nach den Weihnachtsferien mit ihren Geschenken angeben, stören ihn ein wenig.

"Das nervt schon ein bisschen. Aber wir haben in unserem Glauben ja auch Feste, die wir feiern - zum Beispiel das Zuckerfest oder das Opferfest." Damit Karin Ibrahims Söhne nach den Ferien auch etwas zu berichten haben, bekommen sie ein "Feriengeschenk". Mit diesem Kompromiss können alle gut leben. "Unsere Kinder werden muslimisch erzogen. Aber wir leben in Deutschland und dürfen uns der Kultur und den Traditionen nicht verschließen. Man kann nichts bewerten, das man nicht kennt", sagt sie.

Auch wenn dem Weihnachtsfest an sich keine Bedeutung zukommt, nutzen viele der rund vier Millionen Muslime in Deutschland die Feiertage, um im Kreise der Familie oder mit Freunden zusammenzukommen und Zeit miteinander zu verbringen. Auch Salih Durak, der seit Mai 2014 dem Bornheimer Integrationsrat vorsitzt, freut sich auf die freien Tage. Der 41-jährige selbstständige Unternehmer, der vor 39 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, wird sich an den Feiertagen mit Freunden treffen. In seiner Familie spielt das Fest keine Rolle. Dennoch verbinden ihn schöne Erinnerungen mit Weihnachten.

"Wir hatten eine Nachbarin, die mich und meine drei Geschwister zu Weihnachten immer eingeladen hat. Sie selbst hatte keine Kinder und freute sich, uns beschenken zu können." Seine Eltern nahmen diese freundschaftliche Geste gerne an. "Ich sehe diese Kindheitserinnerung als wunderbares Beispiel dafür, wie ein respektvolles, offenes Miteinander funktionieren kann."

Den Umgang mit dem Weihnachtsfest sieht Karin Ibrahim als sehr persönliche Entscheidung. "Natürlich wird dieses Thema unter Muslimen immer wieder diskutiert. Einige übernehmen Traditionen, manche grenzen sich ab und wieder andere finden einen Kompromiss. Am Ende muss jeder für sich die beste Lösung finden." Ohne Wehmut denkt Karin Ibrahim an frühere Weihnachtsfeste zurück. "Ich habe mit meinem Übertritt zum Islam einiges aufgegeben - aber viel, viel mehr habe ich dadurch gewonnen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort