Chormusik im Wandel Ein gemischter Chor ist keine Alternative

Bornheim-Hersel · Wie viele Chöre drücken auch den Männergesangverein in Hersel Nachwuchssorgen. Die Hälfte der Mitglieder ist über 80 Jahre alt. Die Freude am Singen ist den Aktiven aber nicht zu nehmen - und sie wollen als Männerchor bestehen bleiben.

 Singende Senioren (v.l.): Adi Behr, Hermann Gille, Hans Schöneck, Toni Bräutigam, Alfred Kaiser, Willi Bäumer und Erhard Belke.

Singende Senioren (v.l.): Adi Behr, Hermann Gille, Hans Schöneck, Toni Bräutigam, Alfred Kaiser, Willi Bäumer und Erhard Belke.

Foto: Matthias Kehrein

Chorprobe und dazu ein Aquavit: Für Hermann Gille, Toni Bräutigam und Alfred Kaiser vom Männergesangverein (MGV) Hersel gehört ein Gläschen Hochprozentiges bei der wöchentlichen Probe dazu. Sieben Sänger – alle um die 80 Jahre alt – sind im Probenraum des Pfarrheims an der Rheinstraße versammelt. Sie alle sind seit Jahren im Männerchor des Rheinortes aktiv, einige Senioren sind auch privat miteinander befreundet. Alle teilen gemeinsame Erinnerungen an früher, an bessere Zeiten.

„Ein Kneipenbesuch nach den Proben war üblich. Wir haben gemeinsame Kegelabende an Samstagabenden durchgeführt. Es wurden Feste ausgerichtet. Das ist alles nicht mehr“, erzählt Horst Rutowski, seit 2009 Vorsitzender des Männerchores und mit 64 Jahren einer der Jüngsten. Und er hört gebannt zu, wenn die älteren Herren zwischen 79 und 89 Jahren erzählen. Die Senioren lieben es, gelegentlich in Erinnerungen zu schwelgen, witzige und manchmal skurrile Begebenheiten noch einmal wach werden zu lassen.

Schnäpschen im Notenschrank

Konzerte, Reisen und Feste haben sie gemeinsam erlebt – noch heute haben sie vor und vor allem nach jeder Probe viel Spaß miteinander. So gönnen sie sich zum Beispiel das Gläschen Schnaps. Ihre alkoholischen Reserven sind im Notenschrank untergebracht, ein Apothekenschild weist auf den medizinischen Charakter hin. „Die sind für einen Schwächeanfall gedacht. Für unsere Apotheke ist kein Rezept notwendig“, sagen Toni Bräutigam (83) und Willi Bäumer (79) lachend.

13 Tenor- und Bassstimmen und damit die Hälfte der 26 Mitglieder sind über 80 Jahre alt – die meisten singen seit frühester Jugend in mehreren Chören, einige sind seit mehreren Jahrzehnten im MGV Hersel aktiv. Der älteste noch aktive Sänger ist Erhard Behlke, der trotz seiner 89 Jahre noch als „Jungspund“ unter den Mitgliedern gilt. Denn er trat erst mit 59 Jahren in den MGV ein, „da es beruflich vorher nicht machbar war“, wie er sagt. Seitdem hat er bei keiner Probe gefehlt. Behlke genießt das gemütliche Beisammensein im Verein. Seine Stimme als erster Bass ist ausdrucksstark und kräftig – Anzeichen des Alters sind nicht zu hören. „Besser wird die Stimme im Alter nicht. Aber auch nicht schlechter. Wer viele Jahre regelmäßig gesungen hat, dessen Stimmbänder sind geschult und kräftig. Das macht sich bemerkbar“, erklärt Rutowski.

Veranstalter des Weinfestes

Alle Mitglieder singen gerne in Männergesellschaft. Keiner von ihnen kann sich vorstellen, in einem gemischten Chor zu singen. „Männerchöre waren in unserer Jugend Tradition. Da gab es zu Beginn ein richtiges Casting. Man musste vorsingen. Eine gute Stimme war eine Voraussetzung“, erinnert sich Alfred Kaiser (81). Er liebt die Konzerte und die gesellschaftlichen Veranstaltungen. Und er ist auch immer dabei, wenn es um den Auf- und Abbau beim traditionellen Weinfest geht, „das wir seit 29 Jahren aus finanziellen Gründen veranstalten“, erzählt Hermann Gille.

Noch bis vor einigen Jahren wurde die Geselligkeit bei den Mitgliedern großgeschrieben, einmal im Jahr ging es für zwei bis drei Tage mit den Frauen auf eine Chorreise. Inzwischen sind sie nur noch einen Tag unterwegs. „Für die meisten war es einfach zu anstrengend“, so der Vorsitzende. Wenn sie auf Reisen gingen, wurden Konzerte gegeben und manchmal auch die Gottesdienste mitgestaltet, je nachdem ob Chorleiter Valery Kashylaev mit von der Partie war. Mit ihrem musikalischen Leiter, der den Chor seit elf Jahren betreut, sind die Sänger sehr zufrieden. Er sei freundlich, nie schlecht gelaunt und schimpfe nicht bei falschen Tönen, loben sie.

Tiefpunkt gab es auch in den 60er Jahren

Bei Kashylaevs Vorgängern haben sie auch Anderes erlebt. Als sie bei einem Konzert in der Rheinhalle nicht immer die richtigen Töne getroffen hätten, habe ihr damaliger Chorleiter vor Wut gegen Mülltonnen getreten. „Mit dem kamen wir gar nicht klar“, so Hans Schöneck (83). Er erinnert sich noch an die schweren Zeiten des Chores in den 60er Jahren, als es zeitweise nur zwölf aktive Sänger gab. Da waren Schöneck und Adi Behr (81) die einzigen ersten Tenöre. Dann ging es wieder aufwärts, als mehrere junge Männer eintraten. Auch die gehören nun zur älteren Generation. Heute steht der Chor erneut vor Nachwuchsproblemen. Die letzten „Neuzugänge“ sind über 80 Jahre alt und nur eingetreten, weil es ihre Vereine nicht mehr gibt.

Für junge Männer scheint ein Männergesangverein nicht mehr attraktiv – doch ein gemischter Chor ist keine Option. „Wir bleiben in dieser Form bestehen, solange es uns gibt“, sagt Rutowski.

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