Die Fachklinik „Tauwetter“ in Roisdorf Einen Weg zurück finden

BORNHEIM-ROISDORF · Die Fachklinik „Tauwetter“ in Roisdorf unterstützt Drogenabhängige bei der Wiedereingliederung. Die Patienten sind in der Regel zwischen 18 und 35 Jahre alt.

 Therapeut Uwe Angermüller im Kreativraum

Therapeut Uwe Angermüller im Kreativraum

Foto: Antje Jagodzinski

Die Umstellung auf die klaren Regeln und vorgegebenen Strukturen, das sei am Anfang besonders schwierig, sagt Christian Meier (Name geändert). Seit Mitte März macht der 27-Jährige eine Therapie in der Roisdorfer Fachklinik „Tauwetter“ für junge Drogenabhängige.

„Jahrelang war die Droge immer Thema. Dann kommst du hier rein, und darfst dich auch nicht mehr über Drogen unterhalten“, nennt er ein Beispiel. Denn zum vollständigen Verzicht auf die Suchtmittel zählt nach den Vorgaben der Reha-Klinik, diese außerhalb der Therapiestunden aus den Gesprächen zu verbannen, zu lernen, sich über andere Dinge auszutauschen. Sonst werde der Anreiz im Gehirn ständig wachgehalten, erklärt der leitende Suchttherapeut Uwe Angermüller. „Es ist eine gute Regel, weil man sonst nicht genügend Abstand gewinnt“, findet Meier. „Aber treffen sich ein paar Volleyballer, werden sie auch immer auf das Thema Volleyball zu sprechen kommen“, erklärt er, warum es vielen Patienten schwerfällt, sich an die Vorschrift zu halten.

Andere Alltagssituationen und Beschäftigungen kennenzulernen, zählt zu den Bestandteilen der Behandlung, die auf die Wiedereingliederung der Patienten zielt. Die jungen Menschen, die in der Regel zwischen 18 und 35 Jahre alt sind, sollen mit Hilfe der Therapie den Weg zurück in die Gesellschaft, in Ausbildung oder Arbeit finden. Entsprechend seien die Deutsche Rentenversicherung oder die Krankenkasse meist die Träger der Leistung, erklärt Angermüller.

Das 60 000 Quadratmeter große Klinik-Gelände am Siefenfeldchen, von dem ein Großteil Naturschutzgebiet ist, bietet den derzeit sieben weiblichen und 22 männlichen Patienten viele Rückzugsmöglichkeiten. Dass sich die Klinik in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Männer Köln (SKM) in einem Wohngebiet und in fußläufiger Nähe zum Bornheimer Ortszentrum befindet, soll wiederum Isolation entgegenwirken und Integration fördern.

So gehört zum Behandlungskonzept, dass die Patienten auch Ausgang haben. „Das ist im Grunde ein Training, wie es nüchtern draußen so ist“, erklärt Angermüller. Immerhin müssten sich die jungen Menschen nach der Behandlung ja auch wieder außerhalb der Klinik zurechtfinden.

Oft kämen Personen her, die schon im Kindesalter mit Drogen in Kontakt gekommen seien und somit teils seit zehn, 15 oder 20 Jahren Drogen genommen hätten, sagt Angermüller. Bei Christian Meier sind es zwölf Jahre – und nicht seine erste Therapie. Mit Alkohol habe es bei ihm angefangen, später kamen Cannabis und Amphetamin, erzählt der 27-Jährige. Seien Patienten in den 60ern bis in die 80er Jahre meist von Opioiden abhängig gewesen, gingen diese Zahlen in den vergangenen zehn Jahren zurück, beobachtet Klinikleiter Georg Mirus.

Stattdessen seien es heute Stimulanzien wie Amphetamin, Ecstasy und Kokain. Eine Zunahme gebe es auch beim Konsum von K.-o.-Tropfen und neueren Substanzen, die etwa als Badesalze angeboten werden oder wie im Fall von „Spice“ als Kräutermischung, die synthetisches Cannabis enthält. Bei manchen Betroffenen brauche es ein Schlüsselerlebnis, ehe sie den Weg in eine Klinik schafften, meint Christian Meier.

„Wir versuchen, Wartezeiten gering zu halten“

Manchmal seien es aber auch die Summe der Erfahrungen und der Druck von außen, die zu der Erkenntnis führten, dass man Hilfe benötige. „Im Endeffekt muss man es selber wollen“, sagt der 27-Jährige und erntet zustimmendes Kopfnicken von Angermüller. Die fehlende gesellschaftliche Anerkennung der Erkrankung sei für viele ein Hemmnis, sagt der Therapeut und betont: „Was bei uns aus psychologischer Sicht über dem Eingang steht ist 'Noteingang'.“ Die Klinik sei da für Menschen, die Hilfe bräuchten. „Wir versuchen, Wartezeiten gering zu halten.“ Immerhin müssten die Patienten meist schon vier bis sechs Wochen auf ihre Leistungsbewilligung warten. Daran schlössen sich vier bis sechs Wochen zur Entgiftung in einer Akut-Klinik an, ehe sie zur medizinischen Rehabilitation kämen.

Zwischen drei und sechs Monate dauert hier der Aufenthalt. Neben Gruppen- und Einzeltherapie stehen für die Arbeitstherapie eine Schreinerei und Fahrradwerkstatt, eine Küche für die Hauswirtschaft, ein Garten- und ein „Orgabereich“ mit einem Computerplatz zur Verfügung. Auch kreative Beschäftigung und Ausdauer-Sport gehören zum Programm: Aktivitäten, die helfen sollen, zu lernen, wie das nüchterne Leben wieder Freude macht. „Manche haben teils Jahre auf der Straße gelebt, manche sind noch nie in einem Arbeitsverhältnis gewesen“, sagt Angermüller. Insofern bemühe sich die Klinik, auf die individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen Patienten einzugehen. Und beim Weg zurück in die Arbeitswelt unterstützen die Therapeuten auch ganz konkret, etwa beim Vermitteln eines Praktikums oder beim Bewerbungschreiben.

Faktoren für eine Nachhaltigkeit der Behandlung seien Abstinenz, stabile Wohnverhältnisse, gesunde Arbeitsverhältnisse, eine betäubungsmittelfreie soziale Umgebung und eine adäquate Weiterbehandlung, sagt Klinikleiter Mirus. Eltern und Angehörige müssten oft lernen, Verantwortung wieder an den Betroffenen zurückzugeben: „Jeder ist für sein Leben und sich selbst zuständig“, so der Psychologe, der auch betont: „Es ist kein Mensch drogensüchtig, weil Mama und Papa 'was falsch gemacht haben.“

Es liege an mehreren Faktoren, die zusammenwirkten, wenn ein solches Krankheitsbild entstehe. So versteht die Fachklinik eine Abhängigkeitserkrankung auch als langjährige und komplexe psychische Erkrankung, die in Folge wie Ursache gleichermaßen tiefgreifende Lebensveränderungen mit sich bringt.

„Was mir hier hilft, ist, dass sehr darauf geachtet wird, wie man miteinander umgeht, miteinander lebt“, sagt Christian Meier. „Wir helfen uns gegenseitig, passen aufeinander auf, so entsteht auch Wohlempfinden.“ Er glaubt, dass es ihm nach seiner Entlassung in einigen Wochen am schwierigsten fallen wird, seine Freizeit sinnvoll zu füllen, „vor allem dann, wenn Leerlauf entsteht“. Eine Ausbildung möchte er finden, sich neue soziale Kontakte aufbauen: „Eigentlich geht die Therapie dann erst richtig los.“

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