Erinnerung an NS-Opfer im Vorgebirge Töchter erleben in Bornheim die Stolperstein-Verlegung für ihre Mutter

Bornheim · Elf weitere Stolpersteine erinnern jetzt an NS-Opfer aus Bornheim. Zur Verlegung im Stadtteil Roisdorf waren gar die Töchter einer Frau gekommen, derer nun gedacht wird.

Gunter Demnig verlegt Stolpersteine für die Familien Scheuer und Sax. Die Töchter von Ruth Sax assistieren ihm dabei.

Gunter Demnig verlegt Stolpersteine für die Familien Scheuer und Sax. Die Töchter von Ruth Sax assistieren ihm dabei.

Foto: Axel Vogel

Es gibt sicher angenehmere Anlässe, aus den USA nach Bornheim zu kommen. Aber vermutlich gibt es kaum wichtigere. Im Beisein von Nachfahren wurden am Montagnachmittag in der Bonner Straße in Roisdorf sieben Stolpersteine (siehe Info-Kasten) für Mitglieder der Familien Scheuer und Sax verlegt.

Mit ein paar Gummihammer-Schlägen verewigte Stolperstein-Schöpfer Gunter Demnig im Boden die Erinnerung an den aus Metternich stammenden Metzger und Viehhändler Michael Scheuer, an seine aus Sindorf stammende Frau Adele Scheuer sowie an deren Kinder, Enkelkinder und an Schwiegersohn Jacob Julius Sax. Letzterer hatte 1931 die Scheuer-Tochter Else geheiratet. Alle waren jüdischen Glaubens.

Die letzten Familienmitglieder schafften es im Mai 1939 raus aus Deutschland

Nachdem zwei Söhne von Michael und Adele Scheuer bereits in den 1920er Jahren in die USA ausgewandert waren, folgten die restlichen Familienmitglieder nach und nach in den 1930er Jahren, als die Unterdrückung von Menschen jüdischen Glaubens durch den NS-Staat immer stärker wurde. Zuletzt schafften es Michael und Adele Scheuer mit der 1937 geborenen Enkelin Ruth, der Tochter von Else und Jacob Julius Sax, raus aus Deutschland – im Mai 1939, also nur vier Monate vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Sie fühlten sich ob dieser Verlegung sehr geehrt, sagte Terri Pazoruick, eine der drei Töchter von Ruth Sax. Diese ist tatsächlich erst in diesem Jahr in den USA gestorben. Bornheims Stadtarchivar Jens Löffler hatte bei seinen Recherchen über das Beerdigungsunternehmen einen Kontakt zur Familie herstellen können. „Es ist ein Segen für uns“, so Pazoruick weiter, die mit ihren Schwestern aus den USA nach Bornheim gekommen war. Alle drei assistierten Demnig bei der Verlegung der Stolpersteine für ihre Vorfahren. Pazoruick dankte allen, die dies möglich gemacht haben.

Dazu gehört auch die Roisdorferin Renate Mangels. Sie hatte der Stadt den Hinweis auf das Schicksal der Familien Scheuer und Sax gegeben. Denn: Ihr Großvater habe Michael und Adele Scheuer samt Enkelin Ruth damals im Keller seines Hauses versteckt, bis ihnen die Flucht gelang, wie sie berichtete. Ihre Mutter habe in der Familie oft davon erzählt, so Mangels.

Somit blieb den Familien Scheuer und Sax das Schicksal von Familie Katz erspart. Sie wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Für sie verlegte Demnig am Montag drei Stolpersteine vor einem Haus an der Secundastraße in Bornheim-Ort. Dort befand sich nach Angaben der Stadtverwaltung einst das Zentrum des jüdischen Lebens in Bornheim. Im Hinterhof hatte sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die erste Synagoge befunden.

Mit 84 Jahren im KZ Theresienstadt ermordet

Nach dem Bau der neuen Synagoge im Jahr 1866 an der Königstraße – diese wurde am Abend des 10. November 1938 in Brand gesetzt – wurde der ursprüngliche einfache Gebetsraum noch bis 1885 als Religionsschule genutzt und dann abgerissen.

Daneben stand das Haus, in dem der aus Kall stammende Metzger Moses Katz, seine Frau Sibilla sowie die Tochter Marta lebten. Alle drei kamen im Februar 1942 in das Sammellager nach Bonn-Endenich und von dort im Juli in das Vernichtungslager Maly Trostinez südöstlich von Minsk, wo sie ermordet wurden. Ein weiterer Stolperstein wurde am Montag zur Erinnerung an Amalia Nathan in die Erde eingelassen, vor ihrem Wohnhaus an der Königstraße. Die damals 84-Jährige wurde im Juli 1942 in das KZ Theresienstadt (Tschechien) deportiert und dort ermordet.

Mit den am Montag verlegten Stolpersteinen gibt es nun 78 von ihnen in Bornheim. Nach Angaben von Löffler werden es nicht die letzten gewesen sein. Die Recherchen zu NS-Opfern aus Bornheim gingen weiter. Er freue sich immer über Hinweise aus der Einwohnerschaft. Dass Stolpersteine für Menschen verlegt werden, die nicht von Nationalsozialisten ermordet wurden, sondern fliehen konnten, habe es in Bornheim im vergangenen Jahr zum ersten Mal gegeben, so Löffler. Aber auch diese Menschen seien Opfer des Regimes gewesen, sagte Bornheims Bürgermeister Christoph Becker. „Schicksale, wie das der Familien Scheuer und Sax, mahnen uns zu einer humanen Flüchtlingspolitik“, befand er.

Blumen als letzter Gruß

120 Euro kostet die Verlegung eines Stolpersteins. Darin enthalten sind die Kosten für Material, Herstellung, Organisation, Verlegung, Transport und Anreise. Wie in den vergangenen Jahren hatten sich wieder Bürgerinnen und Bürger bereit erklärt, die Patenschaft für einen Stein zu übernehmen.

Darunter auch das Ehepaar Henriette und Horst Becker. Sie finanzierten einen Stein der Familien Scheuer und Sax. Sie finde es sehr gut, dass auch Menschen gedacht wird, die fliehen mussten, erläuterte Henriette Becker. Als einen letzten Gruß hatte auch sie kurz zuvor eine Blume auf den frisch verlegten Steinen an der Bonner Straße in Roisdorf niedergelegt.

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