Schuldnerberatung des SKM Hilfe aus dem privaten Schuldensumpf im Rhein-Sieg-Kreis

Meckenheim/Bornheim · 1517 Klienten suchen zurzeit die Unterstützung der Schuldnerberatung des katholischen Vereins für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis (SKM). Ein Bericht über die große Not, wenn der Briefträger nur noch Mahnungen bringt.

 Schuldnerberaterin der SKM Stefanie Crawford (r.) mit Fachbreichsleiter der Schuödnerberatung Ralf Braun im Gespräch mit Klientin Britta Diemel in der Außenstelle Meckenheim.

Schuldnerberaterin der SKM Stefanie Crawford (r.) mit Fachbreichsleiter der Schuödnerberatung Ralf Braun im Gespräch mit Klientin Britta Diemel in der Außenstelle Meckenheim.

Foto: Anne Stephanie Wildermann

Britta Diemel (53, Name von der Redaktion geändert) hat keine Angst mehr vor dem Briefträger, der in der Vergangenheit zahlreiche Mahnungen und Rechnungen gebracht hat. „Die Briefe kommen nicht mehr, weil ich im Insolvenzverfahren stecke“, sagt die Frau ganz offen, die im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis wohnt. Sie ist eine von insgesamt 1517 Ratsuchenden für den gesamten Rhein-Sieg-Kreis. Im Linksrheinischen, also in Alfter, Bornheim, Meckenheim, Rheinbach, Swisttal und Wachtberg, sind es derzeit 758 Klienten.

Seit Oktober dieses Jahres läuft das Verfahren und ohne die Unterstützung der Schuldnerberatung des katholischen Vereins für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis (SKM) wäre Diemel diesen Schritt nicht gegangen. Auch nicht ohne die Beratung von Stefanie Crawford. Über Bekannte wurde Diemel auf die Schuldnerberatung aufmerksam. „Ich war sieben Jahre zu stolz, um Hilfe anzunehmen“, gesteht die 53-Jährige. Sogar ihre drei Kinder hatten ihr vor Jahren schon zu dem Schritt geraten, aber die Alleinerziehende wollte es schaffen. Wollte ihren Teil der Schulden, die sie mit ihrem Ex-Mann hatte, selbst abbezahlen. „Ich habe in meinem Leben nie Arbeitslosengeld in Anspruch genommen oder Wohngeld beantragt. Warum sollte ich zur Schuldnerberatung gehen?“, sagt sie.

Kredit fürs Häuschen

Doch im November 2016 eskalierte die Situation: Binnen vier Wochen wurde ihr Gehalt zweimal gepfändet. Diemel musste handeln. „Bei meinem Ex-Mann waren die Gläubiger nicht erfolgreich, deshalb griffen sie auf mein Gehalt zurück“, erinnert sie sich. Insgesamt gehe es um etwa 100 000 Euro, die die ehemalige Bank des früheren Ehepaares zurückhaben will. Um den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen, unterschrieben beide Ende der 90er Jahre einen Kreditvertrag. Der Traum nahm 2010 mit der Scheidung ein jähes Ende. Diemel zog mit den zwei Söhnen und der Tochter in eine Wohnung, arbeitete in Teilzeit als Verkäuferin im Einzelhandel, jobbte nebenbei auf 450-Euro-Basis in einem Fast-Food-Restaurant. Doch das Geld reichte vorne und hinten nicht. „Nach allen Abzügen blieben 50 oder 60 Euro die Woche zum Leben“, rechnet Diemel nach. Da blieb kaum noch etwas für die Bank übrig.

Ihr Ex-Mann zahlte ein Jahr lang keinen Unterhalt und überwies erst Geld, nachdem Diemels zweiter Mann juristisch gegen ihn vorging. „Ich selbst hätte mich nicht getraut. Ich hatte Angst vor ihm, weil er in der Vergangenheit auch gewalttätig war“, sagt Diemel und ringt mit den Tränen. Crawford erlebt es häufig, dass Klienten während der Beratungsgespräche weinen. „Der Druck ist einfach enorm, der auf den Betroffenen lastet“, sagt die Expertin und ergänzt: „Wir versuchen, diesen Druck zu nehmen und Vertrauen aufzubauen. Die Klienten haben Ängste und empfinden Scham, vor allem wenn es darum geht, die gesamten Unterlagen offenzulegen. Daher nehmen wir uns bei der Erstberatung auch viel Zeit für die Betroffenen.“ Diese Beratungen sind nicht nur kostenlos, sie sind auch vertraulich.

Ratenzahlung oder Insolvenz

Für Diemel gab es mehrere Optionen, wie sie ihre Schulden begleichen kann. „Es kommt auf die individuelle Situation der Klienten an, ob ein Insolvenzverfahren oder eine Ratenzahlung infrage kommen“, erklärt Ralf Braun, Fachbereichsleiter der Schuldnerberatung. Eine Ratenzahlung sollte nach Ansicht des Experten nach sechs Jahren abgeschlossen sein, die Betroffenen müssen ein sicheres Einkommen beziehungsweise einen festen Job haben. „Aber da im Leben nicht alles glattläuft, kann es auch passieren, dass man den Job verliert. Und plötzlich kann man die Ratenzahlung nicht mehr einhalten“, erklärt Braun.

Ein Insolvenzverfahren orientiert sich an der aktuellen Lebenssituation. Konkret: Sollte der Schuldner arbeitslos sein, gibt es für die Gläubiger nichts zu pfänden. Zurzeit wird bei Diemel nichts gepfändet, da ihre Tochter bei ihr lebt und eine Ausbildung macht. Sobald sie mit der Ausbildung fertig ist, muss Diemel ihrem Insolvenzverwalter davon berichten, auch, wenn sie mehr Stunden arbeitet. Das Verfahren kann maximal bis zu sechs Jahre dauern. In der Zeit muss Diemel laut Gesetzgeber 35 Prozent der Verbindlichkeiten plus der Verfahrenskosten abgezahlt haben.

Das einzige gute an der Misere ist laut Diemel, dass sie seitdem mit Geld umgehen könne. „Wir sparen für den neuen Fernseher oder die Reise“, sagt sie. Ratenkauf komme für sie nicht infrage – auch nicht zur Weihnachtszeit, wenn viele Einzelhändler mit angeblichen Schnäppchen und Null-Euro-Finanzierungen locken. Braun betont: „Erst sparen, dann kaufen!“

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