Was früher unterm Weihnachtsbaum lag In Brenig feiern vier Generationen Weihnachten

Bornheim-Brenig · Die Breniger Familie Doumet feiert Weihnachten mit vier Generationen. Die 98-jährige Uroma erzählt, wie es früher war. Eines ist sicher: Die schöne Stimmung ist auch heute wichtiger als Geschenke.

 Heiligabend sind alle zusammen (v.l.): Antonia, Johanna, Margarete Kalbe mit Josefine, dahinter (v.l.) Martina und Josef Doumet sowie Katrin, Jean, Markus und Sylvie Doumet mit Tochter Anna.

Heiligabend sind alle zusammen (v.l.): Antonia, Johanna, Margarete Kalbe mit Josefine, dahinter (v.l.) Martina und Josef Doumet sowie Katrin, Jean, Markus und Sylvie Doumet mit Tochter Anna.

Foto: Stefan Hermes

Der Weg zur Christmette am Heiligen Abend durch die schneebedeckten Straßen von Mengelrode im thüringischen Eichsfeld, vorbei an Fenstern, durch die festlich geschmückte Weihnachtsbäume zu sehen waren – das ist eine der schönsten Kindheitserinnerungen der 98-jährigen Margarete Kalbe. „Wir hatten eine wirklich schöne Zeit“, sagt sie. Heute feiert sie Heiligabend mit ihrer Vier-Generationen-Familie in Brenig.

„Es war damals alles besinnlicher, christlicher und einfacher, aber wir waren glücklich“, erinnert sie sich an die 20er Jahre in ihrer Heimat. Ihr Vater, Lehrer und Organist der Gemeinde, konnte sich bereits im Sommer einen Tannenbaum im örtlichen Kirchenwald aussuchen, und etwa zur gleichen Zeit kam ein Glasbläser aus Suhl in den Ort, um vor den Augen der Kinder Christbaumkugeln aus kleinen Glastropfen entstehen zu lassen und sie zu verkaufen.

Glaskugeln und viel Lametta in den 20er Jahren

„Meine Mutter hatte immer den Ehrgeiz, den schönsten Baum im Dorf zu haben“, erzählt die heutige Urgroßmutter, die seit 2002 im Bornheimer Seniorenwohnstift Beethoven lebt. Während damals die meist bäuerlichen Nachbarn die Bäume mit Engeln, Sternen und allerlei bunten Anhängseln schmückten, kam für ihre Mutter ausschließlich silberner Schmuck infrage: Glaskugeln, viel Lametta und eine, wie sie bis heute empfindet, „scheußliche Spitze aus Glas“.

Doch die Weihnachtszeit zwischen den beiden Weltkriegen hätte kaum schöner sein können, sagt sie rückblickend. Man besuchte an Weihnachten nicht nur die Christmette um vier Uhr morgens, sondern war wenige Stunden später auch im Hochamt und schloss den Ersten Weihnachtstag mit einer Andacht am Abend ab. „Und dabei war es immer so furchtbar kalt in der Kirche, geheizt wurde ja damals noch nicht.“

Man besuchte sich gegenseitig, und die Kinder probierten das Weihnachtsgebäck der Nachbarschaft. Schokolade und Süßigkeiten gab es nur zu den Festtagen. Besonders begehrt waren dabei die kleinen Engel, Spielzeuge oder auch Schweinchen aus Marzipan, die ihre Mutter für die kleinen Gäste bereithielt.

Schon als Fünfjährige glaubte sie nicht mehr ans Christkind

Die Bescherung durch das Christkind wurde Margarete Kalbe jedoch schon mit fünf Jahren entzaubert, als eine Freundin ihre bescheidenen Geschenke mit den reichen von Marga verglich. Die Freundin hatte ihren Glauben an das Christkind verloren, das Kinder so ungerecht beschenkte, und überzeugte auch sie davon.

Margarete Kalbe erinnert sich an eine wertvolle Puppe mit Porzellankopf und Körper aus Leder, die ihr nicht so recht ans Herz wachsen wollte. Gegen ihre geliebten Puppen aus Zelluloid kam sie nicht an. Weitaus glücklicher war sie mit einem Puppenwagen, der einst unter dem Weihnachtsbaum stand.

Amüsiert erinnert sie sich daran, dass ihre Mutter ihr Geschenke machte, die sie immer selber gerne gehabt hätte. So gab es auch einmal einen Mantel mit Kragen aus sibirischem Eichhörnchenfell, den sie statt des ersehnten Federmäppchens mit dem damals gerade erfundenen Reißverschluss bekam.

Heute trifft sich die Familie zum Grillen

Seit 1985 wohnen ihre Tochter Martina (61) und Schwiegersohn Josef Doumet (67) in Brenig. Auch die beiden Enkel Jean (38) und Markus (36) haben sich mit ihren Familien unweit des Elternhauses niedergelassen. Mit Marga Kalbes Urenkeln Antonia (6), den Zwillingen Johanna und Josefine (4) sowie der einjährigen Anna wird die Familie am Heiligabend traditionell zum Grillen eines Rehrückens auf der Terrasse des Hauses am Schornsberg zusammenkommen, die Kinder bescheren und anschließend die Christmette in Sankt Evergislus besuchen.

Weihnachten wird als christliches Fest gefeiert. Dass in der Familie Doumet dazu das „Lied über den Schnee“ („Talj, Talj“) der libanesischen Sängerin Fairuz gehört wie „Stille Nacht, heilige Nacht“, ist der Erinnerung an Josefs Heimat, den Libanon, geschuldet. Sich von Joussuf in Josef umzubenennen, hatte man ihm 1988 bei der Einbürgerung geraten.

Heute ist der Breniger Autohändler allseits als der „Doumets Jupp“ bekannt. In seiner alten, christlich geprägten Heimat gab es zu Weihnachten nur praktische Dinge wie Kleidung und Schulsachen geschenkt. Seine Frau Martina erinnert sich vor allem an ihre Neugierde, was das Christkind wohl für sie vorbereitete. Doch die Verstecke ihrer Mutter wurden immer raffinierter. „Puppen und Kaufladen“ waren ihre schönsten Weihnachtsgeschenke.

Technikspielzeug, Bücher und Aktien

Während ihr Sohn Markus alljährlich mit Technikspielzeug aller Art beschenkt wurde, waren es bei Jean in erster Linie Bücher. Die Aktien, die Markus von seiner Urgroßmutter geschenkt bekam, waren allerdings für ihn das nachhaltigste Geschenk. Es führte dazu, dass er heute eine Professur für Finanzwirtschaft innehat. Der Lesehunger und ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ließen aus seinem zwei Jahre älteren Bruder Jean einen Juristen werden.

Bei ihren noch kleinen Kindern versuchen die Brüder mit ihren Frauen Katrin und Sylvie die immer wieder drohende Geschenkflut zu steuern. So ist der sehnlichste Wunsch der sechsjährigen Antonia ein Puzzle. „Irgendwas mit Pferden“, wie Mutter Katrin schmunzelnd ergänzt. Auch die Wünsche der Zwillinge sind mit Puppenwagen und kulleräugigem „Glubschi“ eher bescheiden. Das Zusammensein, der Kirchgang und der Wunsch, ein besinnliches Fest mit vier Generationen zu feiern, hat bis jetzt der Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes widerstanden.

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