Nahversorgung auf dem Dorf In Rösberg schließt der letzte Bäcker

Bornheim · Ein Donnerstagnachmittag in Hemmerich: Roswitha Heßling hat die Tür zum "Lädchen" am Heerweg weit geöffnet. Dicke Regentropfen platschen geräuschvoll auf die Straße - sonst hört man nichts.

 Im Tante-Emma-Laden in Hemmerich: Roswitha Heßling.

Im Tante-Emma-Laden in Hemmerich: Roswitha Heßling.

Foto: Wolfgang Henry

Plötzlich durchschneidet das Klingeln des Telefons die Stille. Eine junge Frau ist am Apparat und fragt: "Haben Sie vielleicht noch ein normales Brötchen da?" Roswitha Heßling bejaht die Frage. Die Kundin schnappt sich den Regenschirm, kommt zum Laden und kauft sogar zwei Brötchen.

Ein schönes Beispiel - denn eigentlich müsste Hemmerichs Lädchen "Vergesslädchen" heißen. Und woher weiß man, was die Leute vergessen? "Erfahrungswerte", meint Roswitha Heßling, die das Geschäft seit 2005 führt. Ihr Mann Günter Heßling, der Hemmerichs Interessen seit April als Ortsvorsteher vertritt, unterstützt sie dabei.

Doch Ende des Jahres soll Schluss sein. Roswitha Heßling trennt sich schweren Herzens von den 25 Quadratmetern Ladenfläche, in die sie ihr Herzblut steckt. "Müssten wir alleine von den Einnahmen des Lädchens leben - wir hätten schon längst dichtmachen müssen", bedauert sie. Doch dem Ehepaar war die Bedeutung des Ladens für Hemmerich immer bewusst.

"Nicht nur die Versorgung mit Lebensmitteln ist wichtig - unser Geschäft ist auch eine Art Kommunikationszentrum, hier trifft man sich, tauscht Neuigkeiten aus oder unterhält sich einfach mal nett." Gerade für ältere Menschen sei das Geschäft enorm wichtig. "Wenn man kein Auto hat und auch niemanden, der die Einkäufe erledigt, ist man aufgeschmissen", meint ihr Mann.

Weit bis zum nächsten Discounter ist es ja nicht. Der Lidl in Kardorf und Rewe in Waldorf sind nur wenige Kilometer entfernt. Der Berg dazwischen ist das Problem. "Da kann man nicht mal eben mit dem Rad fahren." Immerhin gibt es da noch das Anruf-Sammeltaxi, das mit 30-minütiger Vorlaufzeit bestellt werden kann und die Haltestellen der Buslinie 818 anfährt.

Die Busse erklimmen an Werktagen stündlich, am Wochenende alle zwei Stunden die zwölf Prozent Steigung nach Hemmerich. Ein großes Lebensmittelgeschäft in den Ort zu holen, sei praktisch nicht möglich, sagt der Ortsvorsteher. Zum einen sind im Ort selbst keine Freiflächen mehr vorhanden. Zum anderen ist die Lage für die Einzelhandelsketten nicht attraktiv. "Die wollen an die vielbefahrenen Straßen mit guter Verkehrsanbindung", erklärt Heßling.

Deshalb freut er sich, dass es für das "Lädchen" voraussichtlich einen Nachfolger geben wird, der sogar Pläne hat, das Sortiment etwas zu erweitern. Damit bliebe immerhin eine gewisse Grundversorgung im Ort erhalten. Frisches Obst und Gemüse gibt es per Hofverkauf, auch ein kleiner Getränkehandel ist vorhanden.

Das hört sich für Rösberger Ohren schon fast wie Schlaraffenland an - denn in Hemmerichs Nachbarort schließt Ende des Monats auch noch der letzte Bäcker. Mit dem Ziegenhof und dem Trimborn-Hof gibt es zwar außergewöhnliche Angebote in dem kleinen Ort, die aber nicht dazu taugen, den Kühlschrank mit Grundnahrungsmitteln zu füllen. "In Rösberg ist man auf ein Auto angewiesen", stellt Ortsvorsteher Kurt Odenthal fest.

Wer keines hat, ist auf Hilfe angewiesen. Vor einiger Zeit organisierte Odenthal das Angebot, einmal pro Woche mit einem Sammeltaxi nach Bornheim zu fahren, um dort einzukaufen oder andere Dinge zu erledigen, bevor es wieder heimwärts ging. "Aus meiner Sicht war das eine tolle Idee. Erstaunlicherweise ist sie aber kaum angenommen worden. Die Leute organisieren sich wohl lieber selber." Der kleine Lebensmittelladen, der vor fünf Jahren schloss, steht heute noch leer. "Ich glaube nicht, dass da noch mal was reinkommt", meint Odenthal.

Stolz ist er auf die Grundschule, die auch Kinder aus dem Nachbarort besuchen. Der siebenjährige Ta? fährt jeden morgen mit dem Bus zur Schule nach Rösberg. Mit seinen Eltern und der kleinen Schwester Liv wohnt er seit fünf Jahren in Hemmerich. Die Familie hat sich bewusst für den Ort "ein bisschen ab vom Schuss" entschieden und genießt Ruhe, Natur und den wunderbaren Blick aufs Rheintal. "Uns war klar, dass wir hier viel fahren müssen", meint Mutter Katja. "Aber für uns ist das in Ordnung. Es ist gut so, wie es ist - nur Roswitha werden wir vermissen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort