Landschafts-Schutzverein Vorgebirge Interview mit Michael Pacyna zum Umweltschutz in Bornheim

Bornheim · Michael Pacyna vom Landschafts-Schutzverein Vorgebirge spricht über die Entwicklung Bornheims und den Schutz der Natur. Der wilde Müll ist dort ein nicht endendes Problem.

 Michael Pacyna beim sogenannten Erziehungsschnitt eines jungen Apfelbaums.

Michael Pacyna beim sogenannten Erziehungsschnitt eines jungen Apfelbaums.

Foto: Reinhold Thierse

Herr Pacyna, welcher ist Ihr Lieblingsplatz in Bornheim?

Michael Pacyna: Die Obstblütenlandschaft oberhalb von Roisdorf und Brenig.

Warum?

Pacyna: Weil ich mich freue, wie sich dieses Gebiet, seit es der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz; Anm. d. Red.) zusammen mit dem LSV pflegt, positiv entwickelt. Eine früher in der Gegend typische Landschaft mit Streuobstwiesen wird nicht nur geschützt, sondern wiederaufgebaut. Mittlerweile sind etwa 160 neue Obstbäume gepflanzt worden. Gerne bin ich auch in unserem Garten.

Sie sind schon sehr lange beim LSV, nicht wahr?

Pacyna: Ich bin seit 1984 dabei. 1975 hat sich eine Bürgerinitiative als Vorläufer des LSV gegründet. Ich bin dann schnell stellvertretender Vorsitzender geworden. Seit fünf Jahren, nachdem der langjährige Vorsitzende Klaus Fietzek in den Ruhestand gegangen ist, bin ich Vorsitzender.

Was war Ihre Motivation, sich im LSV zu engagieren?

Pacyna: Wir sind Anfang der 80er nach Roisdorf gezogen und haben ein altes Fachwerkhaus restauriert. Dann bekam ich mit, dass es großflächige Abgrabungs- und Müllpläne gab. Der Hang zwischen Roisdorf und Brenig sollte bis auf 50 Meter Tiefe abgegraben werden. Anschließend wollte die Stadt Bonn eine Restmülldeponie errichten. Das hat mir nun ganz und gar nicht gefallen. Ich hörte, dass es eine Bürgerinitiative dagegen gibt und bin eingetreten. Da wir eine juristische Person werden wollten, um Grundstücke kaufen und Verfahren führen zu können, hat sich der LSV gegründet.

Und das mit Erfolg.

Pacyna: Das kann man sagen. Die Bergbaupläne sind ad acta gelegt worden. Das war allerdings ein sehr langer Prozess. Erst gab es das Problem zwischen Roisdorf und Brenig, das endgültig erst 2011 gelöst wurde, als das ganze Gebiet aus dem Bergrecht genommen wurde. Dann kam aber noch das Gebiet um den Sonnenhof bei Merten/Rösberg hinzu. Dort waren zunächst vier Abbauvorhaben geplant, die im Regionalplan als Bergbauflächen ausgewiesen werden sollten. Das haben wir mit viel Überzeugungs-, Sach- und Öffentlichkeitsarbeit so in den Griff bekommen, dass der Regionalplan 2012 das Gebiet verschont hat.

Wie sah es am Anfang der Arbeit des LSV mit Unterstützung aus?

Pacyna: Die Bevölkerung hat das massiv unterstützt. Wir hatten für eine Petition an den Landtag mehr als 13 000 Unterschriften zusammenbekommen. Die Politik hat uns auch von Anfang an unterstützt, bei der Verwaltung war zunächst noch Nachhilfe nötig.

Hat sich das Umweltbewusstsein in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Pacyna: Ich glaube, dass sehr viele Bornheimer ein feines Gespür für Landschafts- und Umweltschutz haben. Es kommt aber auch darauf an, welche Interessen hinter dem Verbrauch von Freiflächen stehen. Umweltschutz muss von Stadtverwaltung und Politik planerisch gesteuert werden. Hier kann ich aber keine eindeutige Tendenz erkennen.

Wie meinen Sie das?

Pacyna: Ich nenne ein paar Beispiele, wo Natur- und Umweltschutz einen sehr geringen Stellenwert bei Verwaltung und Ratsmitglieder einzunehmen scheinen und als lästige Behinderung bei der Umsetzung von Projekten bewertet werden. Wir haben in Hersel verschiedene Baugebiete in der Aufstellung. Da ist He 31 als Wohngebiet von Roisdorf kommend links der Roisdorfer Straße vor der Stadtbahnlinie 16. Rechts davon soll ein großes Gewerbegebiet entstehen, He 28.

Und wo ist das Problem?

Pacyna: Wir haben feststellen müssen, dass die Verwaltung den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich für Eingriffe in die Landschaft offensichtlich künstlich herunterrechnet. Man geht in beiden Fällen nicht vom Ist-Zustand des Geländes aus, sondern betrachtet einen angenommenen Zustand, bei dem die Flächen so bewertet werden, dass ein Eingriff weniger schlimm wäre. Wir haben das bemängelt und hoffen, dass im Rahmen des Aufstellungsverfahrens noch nachgebessert wird. Wir haben zu vielen Bebauungsplänen Stellung genommen und haben dieses Verfahren vor Hersel noch nicht erlebt. Bei He 31 haben wir grundsätzliche Bedenken, He 28 stehen wird eigentlich positiv gegenüber. Auch einige Ratsmitglieder scheinen mittlerweile den gesetzlich vorgeschriebenen Naturschutz als lästig zu betrachten.

Können Sie denn auch positive Beispiele für Umweltschutz in Bornheim nennen?

Pacyna: Da wäre die private Initiative der Obstblütenlandschaft des BUND mit Unterstützung durch den LSV und andere Heimatvereinen wie die Heimatfreunde Roisdorf. Mithilfe öffentlicher Gelder sind große Flächen angekauft worden, darunter drei Naturschutzgebiete. Der Rest ist Landschaftsschutzgebiet. Wir lassen das Projekt wissenschaftlich begleiten. 2011 wurden von Ornithologen 39 Brutvogelarten kartiert, 2016 waren es bereits 53. Darunter sind ganz seltene und streng geschützte Arten wie der Neuntöter und der Steinkauz.

Was ist mit städtischen Planungen?

Pacyna: Dass im Rahmen des Masterplans Rheinaue in Hersel eine Flussauenlandschaft geschaffen wird, ist eine positive, von der Stadtverwaltung angestoßene Entwicklung. Positiv sehen wir auch den innerörtlichen Bebauungsplan Me 16, da als Ausgleich der Mühlenbach renaturiert wird.

In Bornheim tobt ein gewisser Kampf um die Flächen – Wohnbau, Gewerbe, Landwirtschaft, Naherholung, Naturschutz.

Pacyna: So ist es. Beim LSV häufen sich seit einigen Jahren die Klagen von Einwohnern, dass immer mehr Freiraum zugebaut wird. Von Landwirten kommen Klagen, dass den Baugebieten wertvolle Böden zum Opfer fallen. Ebenso wird bemängelt, dass die neuen Wohngebiete untypisch für die Bornheimer Ortschaften sind. Alteingesessene beklagen den Verlust des Heimatgefühls.

Dann kommt das Argument, dass Wohnraum in Bornheim knapp sei.

Pacyna: Bornheim ist eine Boomtown. Es wird immer gesagt, man habe die Verpflichtung, Wohnraum zu schaffen – vor allem für die Städte Bonn und Köln. 1971 hatte Bornheim 31 000 Einwohner. 2018 waren es knapp 50 000 Einwohner. Das ist ein Zuwachs von ungefähr 60 Prozent. Sechtem hatte 1946 knapp 2000 Einwohner und 2018 mehr als 5000 Einwohner. Das zeigt, wie enorm der Flächenverbrauch ist. Und das gilt nicht nur für Bornheim, sondern für die ganze Region zwischen Bonn und Köln. Bornheim hat bereits einen enormen Beitrag geleistet, um Wohnraum für die Region bereitzustellen. Spätestens wenn der gültige Bornheimer Flächennutzungsplan realisiert worden ist, sollte mit dem Landschaftsverbrauch Schluss sein!

Wie ist denn die Haltung des LSV zu Bauvorhaben?

Pacyna: Wir sind keineswegs gegen jedes Bau- oder Gewerbegebiet. Es geht uns um ein moderates Wachstum. Wir bevorzugen die Schließung von Baulücken, innerörtliche Verdichtung und Bauland an der Schiene. Der LSV will die im Landschaftsplan Bornheim dargestellten Außengebiete schützen und eine moderate Ausweitung von Naturschutzgebieten erreichen. Wir drängen darauf, die wenigen Verbindungskorridore zwischen den Ortschaften nicht zu bebauen. Diese Korridore grenzen nicht nur die Ortschaften optisch voneinander ab, sondern sind auch für den Natur- und Artenschutz wichtig. Dazu ist auch das Grüne C angelegt worden. Zum Ausgleich für die Bebauung soll zudem der verbleibende Freiraum für die Natur und die ruhige Naherholung aufgewertet werden.

Hat es Sie überrascht, dass es Pläne für Windräder auf dem Ville-Rücken gibt?

Pacyna: Ja, völlig. Wir machen uns Sorgen, dass die dort vorhandenen Quarzkies- und Quarzsandvorkommen wieder ins Auge gefasst werden, wenn die Landschaft durch Windräder erst einmal beschädigt ist. Das Gebiet ist die unverzichtbare Kernzone des Naturparks Rheinland – und dann würde eine Industrielandschaft daraus.

Der LSV steht Windenergie aber nicht generell ablehnend gegenüber, oder?

Pacyna: Nein. Wir sind für Windräder in der Konzentrationszone bei Sechtem.

Ist es nur ein Gefühl oder hat wilder Müll in den vergangenen Jahren zugenommen?

Pacyna: Was sicherlich zugenommen hat, sind die Verunreinigungen infolge des Jahreswechsels. Die Leute ballern aus Batterien und lassen den Kram sehr oft einfach in der Landschaft liegen. Was sich deutlich verringert hat, sind weggeworfene Dosen und Flaschen. Das hat sicher mit dem Pfand zu tun. Ungebrochen ist, dass Leute ihren Müll in der freien Landschaft abladen, obwohl man ihn kostenlos abgeben oder abholen lassen kann. Was auch zunimmt, sind Planen aus der Landwirtschaft, die möglicherweise verweht, möglicherweise in der Umwelt entsorgt werden. Trotz allen Appellen und Aufklärung wird das Müllproblem leider bleiben, weil es vielen Leuten egal ist.

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