Ratgeber Kräuterpädagogin aus Merten: Wie aus „Unkraut“ eine Delikatesse wird

Bornheim-Merten · Welches Pizzagewürz heilende Eigenschaften hat und auch im Vorgebirge wild wächst, und wovor sich Anfänger beim Entdecken der heimischen Flora hüten sollten, erklärt Kräuterpädagogin Marita Schulze.

 Marita Schulze ist ausgewiesene Kräuterpädagogin. Hier erklärt sie die Erkennungsmerkmale der Wilden Möhre, eine der Pflanzen, aus denen vermutlich die heutige Gartenmöhre gezüchtet wurde.

Marita Schulze ist ausgewiesene Kräuterpädagogin. Hier erklärt sie die Erkennungsmerkmale der Wilden Möhre, eine der Pflanzen, aus denen vermutlich die heutige Gartenmöhre gezüchtet wurde.

Foto: Stefan Hermes

Um „Blitz und Donner zu vertreiben“, streute ihre Großmutter aus Merten immer einige Kräuter auf den Ofen, erinnert sich Marita Schulze. Als Schülerin vergaß die heutige Kräuterexpertin oftmals die Zeit auf dem Heimweg, weil die Blumen und Kräuter am Wegesrand sie faszinierten. Doch erst als ihre drei Töchter heranwuchsen, entschied Schulze nach Abitur und Finanzstudium dazu, sich wieder vermehrt ihrer Liebe zur Natur zu widmen. So begann sie vor etwa zehn Jahren, sich an der Wachtberger Gundermann-Akademie zu einer zertifizierten Kräuterpädagogin ausbilden zu lassen. Seitdem gibt sie nicht nur Kurse und bietet Wildkräuterführungen „vor der Haustüre“ an, sondern bildet sich auch ständig weiter, um die Schönheit und Einzigartigkeit der Natur als Inspirations- und Kraftquelle zu vermitteln.

„Es geht mir darum“, sagt Schulze, „den Blick für das zu öffnen, was wir um uns herum haben.“ Sie wünsche sich mehr Wertschätzung und hofft, dass das Wissen über die Wild- und Heilkräuter wieder von Generation zu Generation weitergegeben wird. „Nur das, was man selber zu schätzen gelernt hat, ist man auch bereit zu schützen“, ist zur Devise ihres Handelns geworden. „Wenn wir alleine nur um mein Haus herum gehen, werden wir hier mindestens fünfzehn genießbare Wildkräuter finden“, sagt sie. Doch bevor sich Marita Schulze auf den Weg macht zu den Pflanzen und Kräutern rund um ihr idyllisch am Vorgebirgshang gelegenes elterliches Fachwerkhaus, gibt sie im wahren Wortsinne einen Vorgeschmack auf neue Geschmackserlebnisse.

Beim Kochen mit Wildkräutern ist weniger mehr

Angerichtet auf vier schlichten Glastellern sind gedünstete Knospenstände des Wiesenbärenklaus, geröstete Samenstände und Blätter von Brennnesseln, pürierte Dostblüten und als Besonderheit noch einige mindestens zwei Jahre lang eingelegte und fein aufgeschnittene Schwarze Nüsse. Mit einer puristischen, teilweise minimal mit Olivenöl und Salz gewürzten Zubereitung, sind die vielfach als Unkraut bezeichneten Wildkräuter eine Delikatesse. Dabei weist Schulze darauf hin, dass sie nicht empfehlen würde, die Kräuter in größeren Mengen zu verzehren: „Diese Kräuter sind im Garten ja oft so unbeliebt, weil sie in der Lage sind, sich gegenüber den Kulturpflanzen durchzusetzen.“ Die meisten Wildkräuter hätten somit gute Abwehrkräfte gegen Insekten und Schädlinge. „Diese starke Wirkstoffkonzentration sind wir nicht mehr gewohnt“, sagt sie. Darum genüge es, wenige Brennnesseln oder Löwenzahnblätter einem Püree oder einem Kopfsalat beizumischen, um die Beilage um ein Vielfaches mit Vitaminen, Eisen und Mineralien anzureichern.

Wer gerade erst anfange, Wildkräuter für sich zu entdecken, könne etwa den bitteren Löwenzahn als gewöhnungsbedürftig empfinden. „Wir haben ja aus all unseren Kulturpflanzen die Bitterstoffe herausgezüchtet und trinken jetzt lieber nach dem Essen einen Kräuterbitter“, sagt Schulze. Besser sei es jedoch, die Bitterstoffe in Form von Salaten oder Ähnlichem zu Beginn des Essens zu sich zu nehmen, um die Verdauungssäfte anzuregen. Zudem hätten insbesondere Mariendistel und Tausendgüldenkraut noch eine weitere positive Wirkung: „Bitterstoffe wirken adstringierend auf die Schleimhäute, entziehen Feuchtigkeit und verhindern, dass sich Bakterien einsiedeln können“, erklärt die Kräuterpädagogin, die allerdings nach eigener Darstellung die meisten Wildkräuter eher als Genussmittel denn als Heilkraut nutzt.

Wilder Oregano wächst auch im Vorgebirge

Marita Schulze plädiert für eine „wilde Ecke“ in jedem Garten. Nicht nur zur Unterstützung der Artenvielfalt, sondern auch, um Genüsse zu entdecken, die oftmals nur in der Ferne unsere Aufmerksamkeit bekommen. So dürfte der von Schulze zubereitete Dost als Wilder Oregano vor allem als Gewürz auf der Pizza bekannt und unentbehrlich sein. Kaum jemand weiß, dass die Pflanze auch im Vorgebirge in der freien Natur vorkommt, und dass sie zudem eine Heilpflanze ist, die von Appetitlosigkeit über Hauterkrankungen bis hin zu Husten und Verdauungsstörungen angewandt werden kann.

Schulzes pürierte und mit Cashewkernen angereicherte Dostblüten wissen auf Cocktailtomaten geschmacklich zu überzeugen. Die noch frischen hell-lila Blütenstände des Dosts geben nicht nur ein dekoratives Bild ab, sondern sind ebenfalls essbar. Ebenso delikat sind ihre leicht in Butteröl angerösteten Samenstände und Blätter der Brennnessel, was sich als Gremolata über Suppen oder Polenta streuen oder auch zu Füllungen verarbeiten lässt. Darüber hinaus sei die Brennnessel überaus gesund. „In früheren Zeiten“, so Schulze, sei es Mönchen verboten gewesen, die Brennnessel zu essen. „Sie hätten aufgrund ihrer aphrodisierenden Wirkung auf dumme Ideen kommen können“, fügt sie noch amüsiert hinzu.

Manche Rezepte erfordern Geduld

Vor dem Johannistag am 24. Juni sollten die unreifen Walnüsse, die Marita Schulze als Schwarze Nüsse auf Ziegenkäse serviert, als ganze Frucht geerntet werden. Anschließend in Scheiben schneiden, einige Tage wässern, in einem Würzsud kochen und für möglichst zwei oder drei Jahre in einen Sud einlegen. Wer diese Geduld aufbringt, wird mit einer kostbaren Spezialität belohnt, die gut zu Wild, Käse und Desserts passt.

An Brokkoli erinnert Schulzes Zubereitung der gedünsteten Knospenstände des Wiesenbärenklaus. Auch wenn dieser im Vergleich zum Riesenbärenklau weit weniger giftig ist, sollten sich Anfänger vor der Pflanze hüten, die wie sein größeres Gegenstück in Kombination mit Sonnenlicht Verbrennungen und Hautreizungen verursachen kann. Wer beginne, sich mit den heimischen Wildkräutern zu beschäftigen, rät die Expertin, solle erst einmal mit ein oder zwei Kräutern beginnen und sich deren Merkmale einprägen. Wie auch bei der Pilzsuche sollte man tunlichst nur diejenigen Wildkräuter pflücken und zubereiten, die man zweifelsfrei identifizieren könne: „Und dann kann man sein Wissen ja um vielleicht ein Kraut pro Monat erweitern.“

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