Kinder und Medien Medienberater zu Gast in Waldorfer Schule

Bornheim-Waldorf · Pädagoge Uwe Buermann meint, Kinder im Grundschulalter sollten Fernseher, Smartphone und Co. nicht nutzen. Der Medienberater war jetzt an der Nikolaus-Schule in Waldorf zu Gast.

 Grundschüler sollten Smartphone und Co. nicht nutzen, meint Medienberater Uwe Buermann. FOTO: DPA

Grundschüler sollten Smartphone und Co. nicht nutzen, meint Medienberater Uwe Buermann. FOTO: DPA

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Smartphone, Tablet, Spielkonsole: Medien verschiedenster Art sind heute nicht mehr aus Privathaushalten wegzudenken. Schulen verlangen Internetrecherchen als Hausaufgaben, in Familien wird ausgehandelt, wer in welchem Alter welche Medien nutzen kann. Viele Eltern und Lehrer fragen sich, wie sie Kinder fit für den Umgang mit Medien machen können. Die Waldorfer Nikolaus-Grundschule lud nun zu einem Vortrag über Medienkompetenz bei Kindern ein.

Referent vor etwa 50 Gästen war Uwe Buermann, der den Ausbildungsgang zum „pädagogisch-therapeutischen Medienberater“ am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik Berlin begründet hat und leitet. Der dreifache Vater hat zahlreiche Fachartikel und Bücher zum Thema geschrieben. Er ist Waldorflehrer und vertritt damit eine Pädagogik, die als besonders medienkritisch gilt.

"Zehn Prozent der 14- bis 16-Jährigen sind internetsüchtig"

„Krankenkassen und die Bundesregierung schlagen Alarm“, sagte er. Nach offiziellen Zahlen seien zehn Prozent der 14- bis 16-Jährigen internetsüchtig und weitere 15 Prozent suchtgefährdet. Es gebe insgesamt 2,5 Millionen internetsüchtige Bundesbürger. „Wie kann man verhindern, dass Kinder da reinrutschen?“, fragte er. Da er Gast an einer Grundschule war, beschränkte sich Buermann weitgehend auf die frühe Kindheit bis zum Alter von zehn Jahren.

Sein Credo: „Echte Medienkompetenz beginnt mit Medienabstinenz in der frühen Kindheit.“ Will heißen: Kinder bis zum Ende des Grundschulalters sollten keine Medien nutzen, seien es Fernseher, Smartphone oder Computer. „Das ist das Ideal, die Zielrichtung“, so der Referent, kleine Ausnahmen könne es aber geben.

Medienkompetenz bedeute nicht nur, ein Medium bedienen zu können, meinte Buermann: „Die Handhabungsfähigkeit ist keine echte Medienkompetenz.“ Man müsse zum Beispiel auch einschätzen können, ob eine Quelle vertrauenswürdig sei. Um sich in Sozialen Netzwerken zu bewegen oder im Internet zu recherchieren, brauche es Urteilsfähigkeit, Sozialkompetenz und Kreativität. „Diese Schlüsselfertigkeiten erwerbe ich nur außerhalb des Mediums“, so Buermann: „Kein Mensch wird durch Facebook sozial kompetent, aber jeder sozial Kompetente benimmt sich auch auf Facebook gut.“

Es geht um gesunde Selbsteinschätzung

Zur Medienkompetenz gehöre auch eine „gesunde Selbsteinschätzung“, wann es unhöflich sei, auf das Gerät zu schauen, meinte der Pädagoge. Beim Essen mit der Familie zum Beispiel gehöre sich das nicht. Und bei Veranstaltungen wie die in der Nikolaus-Schule plädierte er dafür, das Handy nicht auf lautlos, sondern ganz auszuschalten, um so sich und andere vor der Strahlung zu schützen.

Die entscheidende Frage ist laut Buermann die nach der sogenannten Primärerfahrung: Wo sehe ich etwas zuerst, in der realen oder der virtuellen Welt? Ein Grundschüler beispielsweise, der schon alle Folgen von Star Trek gesehen habe und dann auf dem Mittelalter-Markt zwei Ritter kämpfen sehe, finde das zweite Erlebnis langweilig.

„Wenn Kinder schon im Kindergartenalter virtuelle Erfahrungen machen, gleichen sie die Realität mit der virtuellen Erfahrung ab. Dann verblasst die Wirklichkeit“, so der Referent. Andersherum werde ein Kind, das einen realen Wettstreit als Primärerfahrung und dann den Star-Trek-Kampf sehe, den Film spannend finden, trotzdem aber sagen: „Das ist ja nur ein Film“ – eine Aussage, die nach Buermann alle Eltern hören wollen. Medienkompetenz erwerbe der Mensch im sozialen Miteinander, erläuterte der Pädagoge.

Er selbst sei in Bonn-Tannenbusch aufgewachsen. Am Samstag war Putztag – in allen Familien, schilderte er. Deshalb seien am Samstagvormittag auch alle Kinder draußen gewesen und hätten altersgerechte Erfahrungen mit den anderen Kindern gemacht: Das sei die beste Voraussetzung für echte Medienkompetenz.

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