Gespräch am Wochenende „Meine Bilder stellen viele Fragen“

Bornheim · Der Künstler Michael Sistig über seine aktuelle Ausstellung in Kalifornien und über das Verhältnis von Kunst und Naturwissenschaften.

 Michael Sistig vor dem Bild „St. Sebastian“ in seinem Kölner Atelier.

Michael Sistig vor dem Bild „St. Sebastian“ in seinem Kölner Atelier.

Foto: Bettina Thränhardt

Kunst und Wissenschaft – oft wird das für einen Gegensatz gehalten. Ihre Bilder sind von Wissenschaften inspiriert. Wie kam es dazu?
Michael Sistig: Nach meinem Abschluss an der Kunstakademie habe ich in Bornheim zufällig Egon Schütz kennengelernt, einen emeritierten Philosophie-Professor. Wir haben uns angefreundet und eine Kooperation aufgebaut. Dann haben wir jahrelang parallel gearbeitet, er hat sicher 300 bis 400 Seiten geschrieben und ich viele Bilder gemalt. Nebenbei hat Egon Schütz mir ein „privates Philosophiestudium“ ermöglicht, indem er mir Literaturempfehlungen gegeben hat.

In der Ausstellung im ESMoA Museum hängen Bilder, die aus der Beschäftigung mit Naturwissenschaften entstanden sind.
Sistig: Das stimmt. Seit fünf Jahren beschäftige ich mich mit physikalischen Fragen und habe dazu populärwissenschaftliche Bücher gelesen, etwa von Stephen Hawking und Michio Kaku.

Was fasziniert Sie an der Physik?
Sistig: Ich habe das Gefühl, dass gerade die Physiker in dieser Zeit an ganz elementaren Fragen arbeiten. Zum Beispiel gibt es das Ziel, eine Formel für das Universum zu finden. Einige Physiker versuchen auch, Gott mit einer Formel zu erfassen.

Was können Sie als Künstler zu diesen Diskussionen beitragen?
Sistig: Wir sprechen verschiedene Sprachen, manche denken eher in Formeln oder Zahlen, ich denke in Bildern. Das kann man sich so vorstellen, wie wenn man alltägliche Erlebnisse im Traum verarbeitet. Ich glaube, wenn man interdisziplinär zusammenarbeitet, beflügelt sich das gegenseitig.

Sie stellen im ESMoA Museum in Kalifornien aus, das kein traditionelles Museum, sondern eher eine Art Kunstlabor sein möchte, in dem kreatives Denken gefördert wird. Wie ist es, dort auszustellen, im Vergleich zu anderen Museen?
Sistig:Die Atmosphäre dort ist lockerer, nicht ganz so angestrengt wie in anderen Museen. Meine Ausstellung haben wir eher auf klassische Art präsentiert, weil meine Bilder sowieso schon viele Fragen stellen und viel erzählen. Man muss sich Zeit für sie nehmen.

Wie war die Resonanz?
Sistig:Die Leute waren begeistert und haben viel diskutiert. Ich habe in einem Art-Talk auch einen Physikprofessor von der University of California kennengelernt, mit dem ich versuchen möchte, eine Kooperation zu starten.

In Ihren Bildern nehmen Sie oft Bezug auf alte Erzählungen und Symbole. Warum?
Sistig:Sie sind Teil unserer Kultur. Manchmal sind sie nur noch als Symbole präsent und man kennt ihre eigentliche Bedeutung gar nicht mehr. Zum Beispiel ist der heilige Sebastian ein biblisches Symbol, er steht für ein Thema. Die eigentliche Bedeutung ist aber zum Teil verloren gegangen, für viele steht er heute als Symbol für Schützenbruderschaften. Ich suche nach dem Kern des Themas und versuche, es in die heutige Zeit zu transformieren.

In Ihrem Atelier hängt ein Bild vom heiligen Sebastian. Welchen Hintergrund hat es?
Sistig:2014 war ich mit meiner Familie in Paris, das war gerade die Zeit, in der die Selfie-Sticks aufkamen. Im Louvre stand ich vor Mantegnas Bild des heiligen Sankt Sebastian, das auf vielen Postkarten zu finden ist. Da hat sich jemand vor mich gestellt mit einem Selfie-Stick. Er hat nicht auf das Bild geguckt und nicht auf seine Umgebung geachtet, nur auf sein Handy und hätte mich dabei noch fast mit seinem Selfie-Stick getroffen. Aus diesem Eindruck heraus habe ich den heiligen Sebastian gemalt, wie er von Selfie-Sticks durchbohrt wird. Eine Aluminium-Skulptur von St. Sebastian ist übrigens Teil der Ausstellung im ESMoA Museum.

Sie sind im Vorgebirge aufgewachsen. Wie hat Sie das künstlerisch geprägt?
Sistig: Mein Elternhaus hat mich sicherlich geprägt. Mein Vater ist Steinmetz und Bildhauer, meine Mutter malt seit 15 Jahren. Und vielleicht hat auch die Vorgebirgslandschaft einen Einfluss. Mein Elternhaus war in Rösberg auf einem Berg, aus dem Garten hatte man einen Blick bis zum Posttower und zum Kölner Dom. Auf den Bildern, die ich heute male, ist oft der Überblick über eine Landschaft mit drin. Möglicherweise hängt das zusammen. Für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie genauso naturnah aufwachsen können. Deshalb haben wir mein Elternhaus gekauft und leben jetzt darin.

Was sagen Ihre Kinder zu Ihren Bildern?
Sistig: Wenn sie hier im Atelier sind, malen sie auch ein paar Sachen. Mein Ältester war neulich nicht zufrieden mit einem meiner Bilder. Er sagte, er bringt mir mal bei, wie man ein Porträt richtig zeichnet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort