Unterwegs in Widdig Mit dem Motorboot ging es auf die Kirmes

BORNHEIM-WIDDIG · Da war sie weg, die schöne Bank am Widdiger Rheinufer. Mitgerissen von den Fluten des Hochwassers im Winter 1993. Bis nach Leverkusen ging ihre Reise im wilden Strom. Dort wurde sie an Land gespült, geborgen und dank eingeritzter Ortsmarkierung wieder an ihren alten Standort gebracht.

 Am Rheinufer: Gleich zwei Wege für Spaziergänger und Radfahrer verlaufen hier.

Am Rheinufer: Gleich zwei Wege für Spaziergänger und Radfahrer verlaufen hier.

Foto: Wolfgang Henry

Heute sitzt Konrad Velten, seit drei Jahren Ortsvorsteher von Widdig, gerne auf der Bank: "Vielleicht, weil es hier so schön ist", scherzt der gebürtige Graurheindorfer, der seit 43 Jahren in Widdig lebt. Wenn er Zeit dazu findet, erfreut er sich am Blick auf den Rhein und die Aussicht auf das Herseler Werth.

Nicht ohne Stolz geht er auch durch die Römerstraße, die ihren Namen mit der kommunalen Neuordnung 1969 erhielt. Viele Widdiger Straßen wurden nach germanischen Stämmen benannt: Hier wohnt man im Salierweg, der Teutonen- oder der Cheruskerstraße.

"Widdig war ein Bauerndorf", erklärt Konrad Velten. "Heute sind nur noch etwa fünf landwirtschaftliche Betriebe aktiv." Die restlichen Höfe sind zum Teil aufwendig restauriert und zu Wohngebäuden umfunktioniert worden. Manchmal hat man Glück und erhascht einen Blick in einen der schönen Innenhöfe.

Acht Jahre ist es her, seit Maria Langel den Betrieb ihrer Mutter übernahm und den aus dem Jahr 1525 stammenden Hof nach ihren Vorstellungen umgestaltete. Wo einst das Plumpsklo stand, schwimmen heute Fische in einem gepflegten Teich. Der ehemalige Schweinestall mauserte sich zum gemütlichen Wohnzimmer.

"Wir haben sehr viel Arbeit investiert, aber der Aufwand hat sich gelohnt", findet Langel. Ebenso urig hat Judith Wirtz ihren klitzekleinen Hofladen "De Poatz" am Rheinufer gestaltet. Auf 14 Quadratmetern Verkaufsfläche bietet sie hausgemachte Marmelade, Dekoartikel und allerlei Handarbeiten an. Wer allerdings keine Milch mehr im Kühlschrank hat, muss sich ins Auto setzten und nach Hersel düsen.

"Leider gibt es in Widdig, das immerhin rund 2000 Einwohner hat, außer der Tankstelle keine Einkaufsmöglichkeit", bedauert Velten. "Deshalb planen wir, ein Lebensmittelgeschäft in den Ort zu holen. Mit dem Investor stehen wir in vielversprechenden Vorverhandlungen." Die frühere Volksschule dient heute als Kindergarten und bietet 90 Kindern Platz. Die zur Kita gehörige Aula mit Spielbühne kann abends als Veranstaltungs- oder Probebühne genutzt werden.

Der SC Widdig, der seine Heimspiele auf einem idyllisch gelegenen Hartplatz austrägt, zählt immerhin 350 Mitglieder und elf Jugendmannschaften. Auch im Karneval sind die Widdiger aktiv. Seit vier Jahren organisiert Wilfried Hambach den Umzug und hat zu dessen 20-jährigem Bestehen in diesem Jahr einen Schal mit dem alten Großgemeindewappen von Hersel, Uedorf, Widdig und Urfeld bedrucken lassen.

Im unteren Teil des Wappens erkennt man ein Fährboot, das auf die uralten Rheinübergänge hinweist. Ein fotografischer Nachweis für den Fährbetrieb findet sich auch auf einem Bild im Gastraum des Hotel-Restaurants "Rheinterrassen", ein Familienbetrieb seit 1645. "Es gab eine Kirmes in Rheidt, die dank der Fähre für junge Leute nicht unerreichbar war", so Velten. Ein Schiffer transportierte die Widdiger bis in die 50er Jahre hinein mit dem Motorboot auf die andere Rheinseite.

Womit wir wieder beim Wasser wären. In seiner Geschichte hatte der Ort immer wieder mit Überschwemmungen zu kämpfen. So wurde die Kirche Sankt Georg im Jahr 1928 als Ersatz für eine im Jahr zuvor vom Hochwasser weggespülte Kapelle erbaut - die leider nicht in Leverkusen wieder an Land geschwemmt wurde.

Mein Lieblingsplatz...

"... ist die 1993 vom Hochwasser weggespülte Bank am Rheinufer. Die Aussicht auf den Rhein ist herrlich. Außerdem hat die Bank eine interessante Geschichte, die sie zu etwas Besonderem macht."

Konrad Velten, Ortsvorsteher von Widdig

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