Autorin Iris Bleeck aus Rösberg Ohne Rügen geht es nicht

BORNHEIM-RÖSBERG · Es ist immer wieder Rügen, diese Insel, die Iris Bleeck bis heute nicht loslässt, obwohl sie mittlerweile schon seit 36 Jahren in Bornheim lebt. Rügen blüht in vielen ihrer Erinnerungen sowie in ihrer Fantasie auf und lässt bei den regelmäßigen Besuchen auch die unleidlichen Bedingungen wieder präsent sein, die ihre aus dem Sudetenland vertriebene Familie dorthin geführt hatten.

Faszination Rügen: Blick über den Strand der Steilküste des Nationalparks Jasmund bei Sassnitz.

Faszination Rügen: Blick über den Strand der Steilküste des Nationalparks Jasmund bei Sassnitz.

Foto: dpa

"Die Insel hat sich in meiner Seele ausgebreitet", schreibt Bleeck in ihrem Buch "Vertrieben ins Paradies - Als Flüchtlingskind auf Rügen". Und weil das so ist, wohnt sie in Rösberg im letzten Haus der Straße, von dem aus man freien Blick auf das daran angrenzende Kornfeld hat. "Ohne diesen Blick ginge es nicht, dann würde mir Rügen zu sehr fehlen."

Enge hat die 69-Jährige, die der Liebe wegen in den Westen übersiedelte und ins Vorgebirge zog, schließlich schon genug erlitten in ihrem Leben. Etwa als Baby, als sie mit ihrer siebenjährigen Schwester tagsüber allein gelassen und eingesperrt war, weil die Mutter keine andere Möglichkeit sah, ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Dass sie zu klein war, um sich jetzt noch daran zu erinnern, macht es nicht leichter - im Gegenteil: Wie ein Bumerang trafen sie die traumatischen Erlebnisse ihrer frühen Kindheit, als sie mit 46 Jahren eine als entspannend und heilsam beworbene Sauerstoff-Therapie machte. Der ganze Schrecken der Vertreibung, den die freiberufliche Journalistin, die viele Jahre als Heilpraktikerin arbeitete, längst vergessen und doch miterlebt hatte, brach über sie herein. Dieser Bruch in ihrem Leben ist seitdem in ihrer zittrigen Stimme zu hören - ein Schicksal, das auch andere traf, die traumatische Kriegserlebnisse so früh erlebten, dass ihnen die Kapazitäten zur bewussten Verarbeitung noch fehlten.

Doch wenn Iris Bleeck schreibt - und das tut sie fast jeden Tag - dann zittert nichts, dann entwickelt sie schreibend ihre Geschichte. Am besten morgens nach der Runde mit Hund Charly, mit noch leerem Magen, immer am Rechner, an ihrem großen Schreibtisch mit dem Blick auf das weite Feld. "Jede Seite muss hinterher dann noch zehn bis 20 mal umgeschrieben werden. Ich bin ein Wortfetischist." Ihre Texte enthalten dadurch fantasievolle Bilder und Sätze lyrischer Dichte. Es war ausgerechnet eine Talkshow, die Iris Bleeck zum Schreiben brachte. Der im US-Bundesstaat New Mexico lebende Fernsehjournalist und Esoterik-Autor Wulfing von Rohr sprach über spirituelle Themen. "Ich habe ihm einen Brief geschrieben. Und dann rief er mich aus Santa Fe an."

Es wurde ein langes Gespräch: Bleeck arbeitete als Heilpraktikerin und erzählte von ihrer Arbeit mit Farben. Auch bei ihren langen Reisen zu verschiedenen Naturvölkern Südamerikas hatte die dreifache Mutter spirituelle Erfahrungen gemacht. Und so kam es zu einem Treffen mit Wulfing von Rohr, der in Deutschland als Literaturagent tätig war. "Er schlug mir vor, ein Buch über meine Erfahrungen zu schreiben. Eine Woche später hatten gleich zwei Verlage, der Econ- und der Fischer-Verlag, Interesse." So musste die 69-Jährige gleich zwei Bücher vorlegen - innerhalb von zwei Monaten. "Da hat mich der Ehrgeiz gepackt."

Das war vor 17 Jahren. Inzwischen sind sieben Bücher von Iris Bleeck erschienen, das Manuskript für das achte - zum ersten Mal ein Krimi - liegt auf ihrem Schreibtisch und hat schon einen Verlag gefunden. Er spielt auf Rügen, im Jahr 1948, und gibt Einblicke in die verschiedenen Charaktere und Schicksale einzelner Dorfbewohner. Ein weiteres, aktuelles Projekt: Sie hat Texte geschrieben, die in der Ostsee-Zeitung erscheinen. Dafür hat sie Frauen interviewt, die aus wenig viel machten, etwas Bleibendes schufen für ihre Heimat - für die Insel Rügen.

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