Interview mit dem Sankt Martin von Odendorf Rainer Nipp: "Vor dem Aufsteigen gibt es zwei Äpfel"

Odendorf · Rainer Nipp verkörpert seit 18 Jahren in Odendorf den Sankt Martin. Jetzt hört er auf.

 "Vor allem werde ich nie die strahlenden Kinderaugen vergessen", sagt Sankt Martin Rainer Nipp.

"Vor allem werde ich nie die strahlenden Kinderaugen vergessen", sagt Sankt Martin Rainer Nipp.

Foto: Wolfgang Henry

Ein römischer Soldat hoch zu Ross, mit Helm und rotem Mantel - so kennen Generationen von Kindern den heiligen Martin. Zu Ehren des im Jahr 397 verstorbenen Bischofs von Tours, der noch als römischer Soldat in einer kalten Nacht seinen Mantel geteilt und eine Hälfte einem frierenden Bettler gegeben haben soll, ziehen alljährlich Laternen- oder Martinszüge durch die Straßen. In Odendorf verkörpert Rainer Nipp (60) seit 18 Jahren hoch zu Ross den heiligen Martin. Beim Martinszug am Montag, 10. November, ab 18 Uhr, zum letzten Mal.

Wie sind Sie vor 18 Jahren zu der Rolle des Sankt Martin gekommen?
Rainer Nipp: Ich bin vom damaligen Odendorfer Ortsvorsteher Willi Kümpel gefragt worden, ob ich diese Aufgabe als sein Nachfolger übernehmen wolle. Und ich sah es als eine Ehre an, eine solche Persönlichkeit darzustellen.

Woher stammt Ihre Martinskleidung?
Nipp: Teils vom Sankt-Martin-Ausschuss in Odendorf. Einiges hatte schon erhebliche Gebrauchsspuren, wie Handschuhe, Stiefel und Wams. Die Stiefel brauchte ich in Größe 46, und die neuen Handschuhe sind meine eigenen. Das Wams wurde zwischenzeitlich durch eine römische Tunika und ein römisches Legionärskostüm ersetzt. Der große rote Mantel, das Schwert und der Helm sind aber immer noch im Originalzustand. Ich kann nicht sagen, wie alt die einzelnen Teile sind, der Mantel wahrscheinlich über 50 Jahre, Helm und Schwert noch älter.

Wer kümmert sich darum, dass die Kleidung in tipptopp Zustand ist?
Nipp: Der Sankt Martin selbst. Vor zwei Jahren zum Beispiel war kurz vor dem Ritt durch den Ort der Kinnriemen des Helms gerissen, und ich hätte ihn nicht tragen können - wenn nicht Herr Außem schnell bei der Reparatur geholfen hätte.

Konnten Sie von Anfang an reiten?
Nipp: Das Reiten habe ich erst kurz vor meinem ersten "Auftritt" hier im Ort bei Herrn Euenheim gelernt, der uns in den ersten Jahren das Martinspferd zur Verfügung gestellt hatte.

Wie heißt das Pferd, und ist es jedes Jahr das gleiche?
Nipp: Ich hatte in meiner Laufbahn als Sankt Martin insgesamt fünf Pferde. Das erste war eine Haflingerstute mit Namen Buche. Dann kamen für jeweils ein Jahr zwei weitere Pferde, und danach hatte ich zwölf Jahre lang einen tollen Schimmel mit Namen Odin. Der darf aber leider aus Altersgründen nicht mehr an Umzügen teilnehmen. Deshalb reite ich seit dem vergangenen Jahr auf einem neuen Schimmel mit dem Namen Dragon.

Bekommt es von Ihnen ein "Leckerli", bevor der Zug losgeht?
Nipp: Ja, aber natürlich. Das ist schon Tradition. Das habe ich beim ersten Pferd so gehalten und bis heute fortgesetzt: Immer vor dem Aufsteigen gibt es zwei Äpfel. Außerdem besuche ich die Pferde auch vor dem Martinszug.

Wie läuft für Sie der Martinstag ab?
Nipp: Auf dem Schulhof, wo sich alle zum Martinszug aufstellen, begrüße ich zunächst die Kinder. Dann machen wir uns durch die Straßen auf, musikalisch begleitet vom Tambourcorps Loreley und dem Fanfarencorps Essig-Odendorf und natürlich den Liedern der Kinder. So ziehen wir zum Feuerplatz oberhalb des Sportplatzes. Dort erzähle ich in jedem Jahr die Geschichte vom heiligen Martinus. Dann geht es in die Schule, wo ich die Martinswecken an die Kinder verteile. Den Abschluss bildet im Dorfsaal die Verlosung von der - heute gefrorenen - Martinsgans bis zum Toaster.

Was ist das Besondere, "der Odendorfer St. Martin" zu sein?
Nipp: Die Aufgabe ist eine Ehre. Es ist ein tolles Gefühl, wenn ich wie in einer Zeremonie die einzelnen Kleidungsstücke, das Schwert und den Helm anziehe. Und dann auf einem großen Schimmel durch den Ort reite und den Applaus der Bevölkerung aufnehme. Vor allem werde ich nie die strahlenden Kinderaugen vergessen.

Gab es in den Jahren auch lustige Erlebnisse?
Nipp: Aber ja. In Odendorf bin ich bekannt durch meine jahrelange Tätigkeit als Schauspieler im Theaterverein, als Sitzungspräsident im Karnevalsverein, als Mit-Begründer und Vorsitzender der "Villa Kunterbunt" oder als Nikolaus bei den Bauernmärkten. Da hört man dann die Kinder schon mal sagen: "Das ist nicht der Sankt Martin, das ist doch der Herr Nipp." Oder wie im vergangenen Jahr: "Das ist nicht der Sankt Martin, das ist der Opa vom Joel."

Gab es berührende Erlebnisse? Welche?
Nipp: Ja. Vor zwei Jahren hat mich ein kleines Mädchen gefragt: "Kann ich ein Autogramm bekommen?" Und plötzlich kamen da noch mehrere dazu, denen der Sankt Martin dann ein Autogramm gegeben hat.

Können Sie selbst alle Strophen der Martinslieder oder immer nur die erste?
Nipp: Da der Sankt Martin ein Ehrenmann ist, muss ich ja auch ehrlich sein und zugeben, dass ich nicht alle Strophen kann, aber doch schon sehr viele Lieder und auch Strophen.

Haben Sie einen Wunsch oder einen Rat, den Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben möchten?
Nipp: Genieße diesen Abend so wie ich ihn genossen habe. Und gib deinem Pferd eine Belohnung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort