Lesung aus Bölls Roman "Der Engel schwieg" Schnörkellos und ergreifend

Bornheim · "Böll in Bornheim" - diese klangvolle Alliteration lockte am Mittwochabend viele Anhänger des Literaturnobelpreisträgers, der von 1982 bis 1985 in der Stadt lebte, in den Ratssaal. Anlässlich seines 30. Todestages hatte die Stadt bereits im Juli eine Gedenktafel vor Bölls ehemaligem Wohnhaus an der Martinstraße in Merten installiert.

 Haben ein Faible für Bölls Trümmerliteratur: Günter Lamprecht und Claudia Amm bei der Lesung in Bornheim.

Haben ein Faible für Bölls Trümmerliteratur: Günter Lamprecht und Claudia Amm bei der Lesung in Bornheim.

Foto: Axel Vogel

Der in Rösberg lebende Schauspieler Günter Lamprecht widmete dem Schriftsteller gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Claudia Amm und seinem Lektor Hans Koch nun einen literarischen Abend.

Bevor der 85-jährige Mime im Wechsel mit seiner Lebensgefährtin Auszüge aus dem zwischen 1949 und 1952 entstandenen Roman "Der Engel schwieg" vortrug, las Lektor Hans Koch aus dem Essay "Bekenntnis zur Trümmerliteratur" von 1952. In diesem verteidigt Heinrich Böll die Literaturepoche, die sich mit dem Grauen des Krieges und der Not der Nachkriegsjahre befasste.

"Die ersten schriftstellerischen Versuche unserer Generation nach 1945 hat man als Trümmerliteratur bezeichnet, man hat sie damit abzutun versucht. Wir haben uns gegen diese Bezeichnung nicht gewehrt, weil sie zu Recht bestand: tatsächlich, die Menschen von denen wir schrieben, lebten in Trümmern, sie kamen aus dem Kriege, Männer und Frauen in gleichem Maße verletzt, auch Kinder."

Angesichts der vielen vom Krieg vertriebenen Menschen, die derzeit in Deutschland Zuflucht suchen, beweise die Sätze erstaunliche Aktualität. "Heute fliehen Menschen aus ihrer zerstörten Heimat nach Deutschland und erfahren das, was Heinrich Böll vor 60 Jahren erlebt hat", so Koch.

Schnörkellos, gleichgültig und dabei ergreifend

Der Roman "Der Engel schwieg" beginnt am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, und führt in eine deutsche Großstadt. Ein Soldat, mit falschen Papieren desertiert, kehrt in seine zerbombte Heimatstadt zurück, auf der Suche nach Brot, nach einer Bleibe und nach Menschen.

In einem schnörkellosen, beinahe monotonen Vortragsstil ließen die Lesenden ihre Zuhörer teilhaben an der lähmenden Gleichgültigkeit des Soldaten Hans Schnitzler, bevor er die Kraft findet, sich zurück ins Leben zu kämpfen. Sanft und unendlich traurig zeichneten Lamprecht und Amm die sich entwickelnde Liebe der Protagonisten nach, die Schreckliches erlebt haben.

Böll schrieb den Roman im Alter von 32 Jahren, er blieb mehr als vierzig Jahre lang unveröffentlicht, weil sein Thema zu viel von dem heraufbeschwor, an das man lieber nicht erinnert werden wollte. Lamprecht dagegen hat es die "Trümmerliteratur" angetan. Als Kind des Krieges fühlt er sich besonders mit diesen Werken Bölls verbunden.

"Es ist wichtig, dass wir Heinrich Böll in unserer Stadt weiter leben lassen, und es ist großartig, dass Sie mit Veranstaltungen dieser Art dazu beitragen", dankte Bürgermeister Wolfgang Henseler.

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