Fall für das Arbeitsgericht Spargel Ritter: Rund 180 Erntehelfer wollen gegen Insolvenzverwalter klagen

Bornheim · Anwälte der Freien ArbeiterInnen Union prüfen aktuell die Lohnabrechnungen und planen vor Gericht zu ziehen. Der Insolvenzverwalter behauptet derweil, dass die Auszahlungen vollständig erfolgt seien.

 Bei der Pressekonferenz (v. l.) Moderator Daniel Hofinger, Anwalt Harald Klinke, FAU-Sprecher Erik Hagedorn und Anwalt Stefan Hübner.

Bei der Pressekonferenz (v. l.) Moderator Daniel Hofinger, Anwalt Harald Klinke, FAU-Sprecher Erik Hagedorn und Anwalt Stefan Hübner.

Foto: Christoph Meurer

Die Vorgänge um den unter Insolvenzverwaltung stehenden Betrieb Spargel Ritter werden nun vor Gericht aufgearbeitet. Dies kündigten Vertreter der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) sowie zwei Anwälte am Freitag bei einer Pressekonferenz vor der Erntehelferunterkunft in Bornheim an. Man dränge darauf, dass alle Arbeiter den Lohn bekämen, der ihnen zustehe. Laut FAU wird derzeit die Möglichkeit von etwa 180 Gerichtsverfahren gegen den Insolvenzverwalter geprüft.

Wie berichtet, gab es massive Kritik an den hygienischen Zuständen in der Unterkunft, der Versorgung sowie angeblich ausstehenden Löhnen für die rumänischen Erntehelfer. Die Arbeiter waren in einen Streik getreten und hatten vor der Bonner Kanzlei des Insolvenzverwalters Andreas Schulte-Beckhausen sowie dem rumänischen Konsulat demonstriert. Die Proteste, unterstützt von der FAU – einer Gewerkschaft, die sich selbst als anarchosyndikalistisch bezeichnet und in mehreren Verfassungsschutzberichten auftaucht – schlugen hohe Wellen. Am Mittwoch war die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru in Bornheim. An diesem Tag wurden auch Löhne ausgezahlt. Nach Berichten erfolgte dies an verschiedenen Orten in Bussen.

„Ich glaube, jeder hat etwas bekommen“, sagte Anwalt Stefan Hübner. Zugleich äußerte er Zweifel daran, dass alle die Summen erhalten haben, die ihnen zustehen. Hübner und Anwalt Harald Klinke waren nach eigener Aussage am Mittwoch vor Ort. Allerdings seien sie, so Klinke, bei der rechtlichen Vertretung der Menschen behindert worden.

Kanzlei hat von vielen Mitarbeitern das Mandat erhalten

Mittlerweile habe man von vielen Erntehelfern das Mandat erhalten, die Abrechnungen zu prüfen beziehungsweise sie zu vertreten. Hübner nannte ein Beispiel, wonach einer Frau nur rund 20 Prozent des zustehenden Lohns ausgezahlt worden seien. Eine erste Übersicht über vorhandene Unterlagen habe gezeigt, dass sie fehlerhaft seien, so Hübner: „Vieles ist unklar auf den Abrechnungen.“ Weiter führte Hübner aus, dass vonseiten der Insolvenzverwaltung weitere Unterlagen zugesagt worden seien.

Ein Sprecher des Insolvenzverwalters sagte am Freitag auf Anfrage, alle Arbeiter, die am Mittwoch vor Ort gewesen seien, hätten ihre Löhne vollständig ausgezahlt bekommen. Sechs Personen seien aber schon frühzeitig abgereist. Dieser Lohn könne jederzeit von den Personen oder Bevollmächtigten abgerufen werden. Weiter führte er aus, dass alle Personen einen unterschriebenen Arbeitsvertrag hätten und mit der Lohnauszahlung auch die üblichen Lohnabrechnungen erhalten hätten. „Sollten Anwälte, die von rumänischen Erntehelferinnen und Erntehelfer mandatiert wurden, weitere Informationen wünschen, können sie sich jederzeit an den Insolvenzverwalter wenden“, so der Sprecher.

Erntehelfer sollen in anderen Betrieben Job bekommen

Von Mitte März bis zum 18. Mai seien 234 rumänische Erntehelferinnen und Erntehelfer eingesetzt worden, mit unterschiedlicher Einsatzdauer. Insgesamt seien per Chipkarten erfasste 39.857 Arbeitsstunden geleitet worden. Nach Abzügen für Unterkunft und Verpflegung seien insgesamt rund 444.400 Euro ausgezahlt worden.

Grundsätzlich sei mindestens der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde bezahlt worden, so der Sprecher. Davon abweichend seien vereinbarte Akkordregelungen. Beim Besuch der rumänischen Arbeitsministerin hatte es geheißen, dass die Erntehelfer auf anderen Höfen weiterarbeiten könnten oder Unterstützung bei der Rückkehr in ihre Heimat erhalten sollten.

Nach Angaben von FAU-Sprecher Erik Hagedorn hat ein Großteil der Arbeiter inzwischen in anderen Betrieben eine Weiteranstellung gefunden oder ist nach Rumänien zurückgekehrt. Etwa 50 Personen warteten im Containerdorf noch auf ihr Geld, so Hagedorn.

Polizei ermittelt in zwei mutmaßlichen Protestfällen

Wie berichtet, ermittelt die Polizei in zwei Fällen. Zum einen sollen mutmaßlich FAU-Mitglieder am Montag versucht haben, Erntehelfer auf einem Feld in Alfter von der Arbeit abzuhalten. Zum anderen wird laut Polizei-Sprecher Michael Beyer wegen einer möglichen Nötigung oder Bedrohung gegen unbekannt ermittelt. So war am Dienstag vor dem Haus eines Mitarbeiters der Insolvenzverwaltung ein Transparent mit der Aufschrift „Gib die Kohle raus“ gefunden worden. Während ihm letzteres nicht bekannt sei, wies Hagedorn die Vorwürfe im ersten Fall zurück. Vielmehr seien die Arbeiter auf dem Feld festgehalten worden, sagte

Verwirrung gab es um Tatsache, dass auf Ritter-Feldern weiter Erdbeeren geerntet werden. Schließlich hatte es geheißen, dass die Spargel- und die Erdbeerernte eingestellt worden sei. Dazu teilte der Sprecher des Insolvenzverwalters mit, dass ein Interessent vorgesprochen habe, die noch vorhandenen Erdbeeren zu ernten. Dieser vermarkte die Früchte nun auch. „Der Insolvenzverwalter erhält dafür eine Zahlung, hat damit aber nichts weiter zu tun“, so der Sprecher weiter.

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