Inklusion in Bornheim Tom sucht seinen Weg

Bornheim-Merten · Er gehört zum ersten Jahrgang der Inklusionsschüler an der Bornheimer Europaschule und wird im Sommer mit der zehnten Klasse fertig. Tom Müller aus Merten ist 16 Jahre alt. Wie es für ihn weitergeht, ist noch nicht entschieden.

Inklusion wird in einigen Schulen bereits gelebt wird, in der Arbeitswelt ist sie in der Regel noch nicht angekommen. Das haben Tom und seine Mutter Cordula Müller schon bei der Suche nach Praktika gemerkt. Am liebsten würde Tom, der in seiner Entwicklung stark verzögert ist, etwas mit Grafikdesign oder in einem Tonstudio machen. Mit seinem Vater hat er schon Bilder digitalisiert. Aber es ist schwierig, überhaupt etwas zu finden, da Tom mit seiner Lernbehinderung mehr Unterstützungsbedarf hat als ein Regelschüler.

„Ich war Klinken putzen von Walberberg bis Bornheim-Ort“, blickt Cordula Müller zurück. Und das erfolgreich: Momentan hilft Tom einen Tag pro Woche in einem Seniorenheim aus. „Ich räume die Spülmaschine aus, belege Brötchen oder räume Schubladen ein“, berichtet der 16-Jährige. Mit von der Partie ist sein Schulbegleiter, um Tom gegebenenfalls zur Seite zu stehen.

Eine Woche lang hat der Jugendliche, der noch schulpflichtig bis zum Ende des Schuljahres ist, in dem er 18 Jahre alt wird, ein Praktikum in einem Supermarkt gemacht. Dort hat er Aussicht auf ein weiteres einwöchiges Praktikum. Insgesamt drei Wochen war er in einem Altenheim und einem Obstbaubetrieb, je zur Hälfte bei dem einen und dem anderen Unternehmen. „Das hat super funktioniert“, meint Cordula Müller.

Sie möchte nicht, dass ihr Sohn nach der Schule in einer Behindertenwerkstätte arbeitet. „Tom soll lernen, in der ganz normalen Gesellschaft zurechtzukommen. Er soll richtig arbeiten und Geld verdienen.“ Nachdem Tom ein Inklusionskind an einer Gesamtschule war, möchte seine Mutter auch nicht, dass er ab Sommer auf eine Förderschule geht. Bislang haben Müllers keinen Ausbildungsplatz für Tom gefunden, obwohl es für Unternehmen möglich wäre, Unterstützung zu beantragen, sagt Müller. „Viele Betriebe wissen das gar nicht, aber es muss nicht einmal gewährleistet sein, dass Tom den Abschluss macht.“

Ein Tandem-FSJ als neue Möglichkeit

Für Tom bietet sich nun aber voraussichtlich eine andere Option: Er möchte in dem Altenheim, wo er gegenwärtig sein Praktikum macht, ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ableisten. Das aber nicht alleine, sondern als „Tandem-FSJ“ mit einem anderen Jugendlichen. Die Lebenshilfe hat dieses Programm 2016 gestartet. Die Idee: Zwei junge Menschen, einer mit und einer ohne Behinderung, unterstützen sich gegenseitig in ihrem Arbeitsalltag und nehmen gemeinsam an Seminaren teil. Für die Dauer des FSJ wäre die Schulpflicht dann ausgesetzt.

Müllers kümmern sich auch schon um den Anschluss und haben die Hoffnung, dass es mit einer Ausbildung über die Caritas und das Erzbistum klappt: „Es geht um eine Ausbildung für Schüler mit einer Beeinträchtigung zu einer Art Seniorenbetreuer. Das Projekt ist aber noch in den Kinderschuhen“, meint Cordula Müller.

Schulleiter sieht noch viel Nachholbedarf

„Wir sind noch weit von der inklusiven Gesellschaft entfernt“, sagt Christoph Becker, Leiter der Europaschule, die Tom besucht. Gerade was die berufliche Ausbildung angehe, sei noch viel zu tun: „Da sind wir ganz auf Anfang.“ Um dieses Ziel zu erreichen, müssten sich aber auch die gesellschaftlichen Werte verändern, weg von der reinen Wachstums- und Gewinnorientierung in der Wirtschaft, meint Becker. Lohnen würde sich der Wandel in Augen des Schulleiters allemal: „Wir hätten eine viel humanere Gesellschaft.“

Wie sich der Übergang von der Schule ins Berufsleben für Absolventen mit Behinderung gestalte, hänge von der Art der Einschränkung ab. „Das ist individuell sehr unterschiedlich“, sagt Becker: „Familie Müller war Vorreiter, was Inklusion in der Schule angeht. Vielleicht ist sie auch in dieser Welle zum Übergang Vorreiter.“

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