In der Region Unternehmen scheuen den Mehraufwand bei Inklusion

Bornheim · Die Stadt Bornheim bringt im Rathaus Arbeitgeber und Institutionen zum Thema "Inklusion im Arbeitsmarkt" an einen Tisch. Damit will sie auch mehr Verständnis für Menschen mit Behinderung wecken.

 Uwe Beu (rechts) vom Seniorenheim St. Josef berichtet über seine Inklusionserfahrungen.

Uwe Beu (rechts) vom Seniorenheim St. Josef berichtet über seine Inklusionserfahrungen.

Foto: Stefan Hermes

Bisher habe die Stadt Bornheim vor allem im Bereich der Kitas, der Schulen und Erwachsenenbildung einiges für Menschen mit Behinderungen erreicht, sagte Bornheims Sozialdezernentin Alice von Bülow. Seit Jahren existiere bereits die Zukunftswerkstatt, in der man erfolgreich gemeinsame Lösungen zur Inklusion sucht. Jetzt sei allerdings der nächste Schritt notwendig, meinte sie als Leiterin der Stabsstelle Inklusion, bevor sie die Veranstaltung „Arbeitsmarkt Bornheim inklusiv?“ im Ratssaal eröffnete.

Gemeinsam mit Integrationsbeauftragten von Stadt und Kreis sowie Vertretern von Tertia, Industrie- und Handelskammer (IHK), der Arbeitsagentur und von Arbeitgebern ging es darum, wie sich die Inklusion in der Arbeitswelt in Bornheim darstellt und welches Leitbild das Handeln der Beteiligten bestimmt. Anschließend hatten die 28 Teilnehmer Gelegenheit, sich auszutauschen.

In der offiziellen Gesprächsrunde berichtete der Leiter des Roisdorfer Seniorenheims St. Josef, Uwe Beu, von seinen Erfahrungen. Den Anfang machte vor vier Jahren die wöchentliche Einladung einer Förderschulgruppe, die sich individuell mit den Bewohnern des Seniorenheims traf, um ihre Gesprächsfähigkeit zu üben. Wo die Jugendlichen häufig aufgrund ihrer mangelnden Sprachmittel auf Unverständnis oder Ablehnung stießen, konnten sie sich im geschützten Raum von St. Josef ungezwungen äußern lernen. Eine Win-win-Situation: Die Mitarbeiter des Heimes fühlten sich entlastet, und die Bewohner sowie die Förderschüler freuten sich aufeinander.

Ebenfalls gut funktioniert habe die Idee, einem Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahrs mit Tom Müller (19) einen geistig beeinträchtigten Tandempartner zur Seite zu stellen. „Es war nicht einfach, aber es geht“, so das Fazit von Beu, der Tom nach dem Sozialen Jahr einen festen Arbeitsplatz im Haus versprach. „Man muss manchmal tief Luft holen“, gestand Beu ein und verhehlte nicht, dass Inklusion allen Beteiligten viel abverlange.

Positives Beispiel ist das Seniorenheim St. Josef

Klartext sprach im Anschluss Toms Mutter Cordula Müller, die von Bornheims Inklusionsbeauftragter Gisela Rothkegel gebeten wurde, ihre Sicht zu schildern. „Der Tom war schon ‚Pilotprojekt‘ in der Herseler-Werth-Schule und in der Europaschule“, begann Müller. Sie habe sich stets sehr früh bemüht, dass es für ihn weitergehe. „Sein Weg sollte keinesfalls in einer Werkstatt für Behinderte enden.“ Um Praktika und einen Eindruck von der Berufswelt zu erhalten, habe sie „Klinken geputzt, geschrieben und telefoniert“. Doch fast immer sei eine Absage mit der Begründung gekommen, dass man den Mehraufwand nicht leisten könne.

Dass es überhaupt zu Praktika kam, lag an dem Einsatz von Cordula Müller, die sich verpflichtete, ständig im Hintergrund präsent zu sein. Mit Uwe Beu habe sie nun einen Betrieb gefunden, bei dem sie sagen könne, „der Tom geht morgens zur Arbeit und kommt abends wieder zurück.“ Dementsprechend war ihr die Erleichterung anzuhören. Müller: „Ich kann endlich auch mal wieder selber arbeiten gehen.“ Aber es sei ein „wahnsinniger Kampf“ gewesen, nicht nur bei der Arbeitsagentur einen festen Ansprechpartner zu bekommen, der nicht ständig wechselte oder im Urlaub war. Kontakte seien allein über das Beschwerdeformular möglich gewesen.

Sie könne verstehen, dass sich Arbeitgeber kaum die Mühe machten, den Kontakt auf eine Weise zu suchen, wie sie es tat. Mal sei für die Einstiegsqualifizierung die Landwirtschaftskammer, mal die Arge, mal die IHK zuständig. Doch das A und O für alle Betroffenen sei es, einen Ansprechpartner zu haben.

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