Analyse zu dem Betrieb aus Bornheim Wie Spargel Ritter in seine wirtschaftliche Lage geriet

Bornheim · Rücklagen gab es bei Spargel Ritter in Bornheim offenbar keine. Der Insolvenzverwalter berichtet den Gläubigern von unternehmerischen Fehlentscheidungen und fehlendem Eigenkapital. Eine Analyse.

 Claus Ritter im Jahr 2007 vor einem seiner Felder.

Claus Ritter im Jahr 2007 vor einem seiner Felder.

Foto: Roland Kohls

Das Fazit ist eindeutig: Claus und Sabine Ritter haben in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten nicht für schlechte Jahre vorgesorgt. Sie hätten es versäumt, Rücklagen zu bilden und in ihren Betrieb zu investieren. „Die Gesellschafter dürften die Gewinne entnommen und außerlandwirtschaftlich investiert haben“, schreibt Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen in seinem Bericht für die Gläubigerversammlung, der dem General-Anzeiger vorliegt.

Der Bericht erhellt Hintergründe des Insolvenzverfahrens beim Bornheimer Spargelbauern, das seit Wochen für großes Aufsehen sorgt. Ritter baut auf etwa 85 Hektar Erdbeeren und auf 40 Hektar Spargel an. Die Erdbeeren wachsen unter Folientunneln, das lässt sie früher reifen und verschafft einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Der Landwirt hatte viele Ideen: Es entstehe „der Eindruck, dass die Gesellschafter in den letzten Jahren den Überblick verloren haben“, so Schulte-Beckhausen.

Dazu kamen unternehmerische Fehlentscheidungen. Ritter, der als ausgezeichneter Fachmann für die Erdbeerenkultur gelte, habe ohne Fachkenntnisse auch Himbeeren, Brombeeren und Kirschen angebaut. Außerdem begann er den Bau eines Spargelrestaurants mit 450 Sitzplätzen. „Herr Ritter erläuterte mir, dass er mit dem Bauvorhaben ohne Baugenehmigung begonnen habe, da man ihm die Erteilung der Baugenehmigung in Aussicht gestellt habe“, so der Insolvenzverwalter. Für eine Million Euro wurde gebaut. Die Baustelle ist stillgelegt. „Ob die zuständige Gemeinde die avisierte Baugenehmigung tatsächlich erteilen würde, vermag ich nicht zu sagen, zumal die Frage nach der Kanalisation nicht geklärt ist“, heißt es im Bericht.

Verlust von 325.000 Euro

Schulte-Beckhausen gibt auf 57 Seiten einen Überblick über Schulden und Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), hinter der das Ehepaar Ritter steht. In guten Jahren war der Betrieb äußerst erfolgreich. So gab es im Geschäftsjahr 2016/17, das bei Ritter am 30. Juni endet, bei einem Umsatz von gut zehn Millionen Euro mehr als zwei Millionen Euro Gewinn. Für das Jahr danach führt der Bericht Ernteerträge von nur noch 7,7 Millionen Euro auf. Die lange Hitzeperiode 2018, hohe Bewässerungskosten und die Tatsache, dass schon früh andere Produzenten Freilanderdbeeren auf den Markt brachten, zehrten den Gewinn auf. Nach Abschreibungen von 500.000 Euro stand für das Geschäftsjahr 2017/18 unter dem Strich ein Verlust von 325.000 Euro. Auch für 2018/19 blieb der Gewinn aus. Ein Sturm habe große Schäden an den Folientunneln angerichtet, erklärte Ritter dem Insolvenzverwalter.

„Der Schuldnerin war es daran gelegen, ihren Betrieb wachstumsorientiert ohne das erforderliche Eigenkapital mit dem Ziel aufzubauen, möglichst hohe Erträge zu erzielen“, hält Schulte-Beckhausen nüchtern fest. Schuldnerin steht für die Sabine und Claus Ritter Gbr. Das meiste Land, auf dem sie anbauten, gehörte ihnen nicht, sondern sie hätten es zu „möglicherweise zu hohen Preisen angepachtet“. Maschinen seien mangels Liquidität finanziert worden. Über Betriebsgebäude und Logistik mit Rampen, Lagerhallen und Schnellkühlung verfügten Ritters nicht. „Dies erfordert immer einen ungewöhnlich hohen Arbeitseinsatz, den sie durch die Beschäftigung zahlreicher Arbeitnehmer auszugleichen suchte“, stellt Schulte-Beckhausen fest. Das Erfolgskonzept habe darauf beruht, „dass sie ohne nennenswertes Eigenkapital, ohne eigenes Land, vielmehr mit gepachtetem Land, ohne nennenswerte Investitionen aber mit vielen Arbeitskräften bei günstigen Witterungsbedingungen gute Ernteerträge zu erzielen wusste“.

„Die gesamte Liquidität ist aufgebraucht“

Doch der hohe Finanzbedarf sei geblieben. „Ich habe festgestellt, dass die Frutania GmbH, die etwa 60 Prozent der Ernte der Schuldnerin abnimmt, der Schuldnerin regelmäßig Vorschüsse zahlte und sich im Gegenzug zu Lasten des Betriebsvermögens Sicherheiten stellen ließ“, schreibt Schulte-Beckhausen. Das Handelsunternehmen Frutania aus Grafschaft-Ringen ist einer der größten Lieferanten von Beerenobst, Spargel sowie Kern- und Steinobst, Tomaten und Gemüse für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Dass Vorschüsse gezahlt und dafür die Ernte abgetreten wird, gibt es in der Branche öfter.

„Bezeichnend bleibt, dass es der Schuldnerin immer wieder gelang, das Vertrauen von Privatpersonen zu gewinnen, die in nicht unerheblichem Umfang Darlehen zur Verfügung stellten, stellt Schulte-Beckhausen fest. Ritter habe trotzdem Ende 2019 zahlreiche Gegenstände des Anlagevermögens verkaufen müssen.

Der öffentlich bestellte Sachverständige fand zwölf von 68 Fahrzeugen nicht vor. „Ritter konnte sich zu dem Verbleib dieser Fahrzeuge nicht äußern“, heißt es im Bericht. Zum Verbleib weiterer 13 Fahrzeuge, die der Sachverständige nicht fand, habe Ritter erklärt, dass er einen Großteil dieser Fahrzeuge an die Frutania GmbH veräußert habe, um Liquidität zu schöpfen. Doch das half nur kurz, so der Insolvenzverwalter: „Die gesamte Liquidität ist aufgebraucht.“

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