Landwirtschaft in Bornheim Wie Weißkohl zu Sauerkraut wird

BORNHEIM-WALDORF · Auf dem Waldorfer Biohof Bursch wird das Wintergemüse in großen Tonnen gestampft. Statt des mühsamen Hobelns per Hand kommt eine Raspelmaschine zum Einsatz. 1500 Liter fasst eine Tonne.

 Im Schutzanzug stampft Wassili Pitilek in der mehr als mannshohen Tonne den Weißkohl.

Im Schutzanzug stampft Wassili Pitilek in der mehr als mannshohen Tonne den Weißkohl.

Foto: Benjamin Westhoff

Es regnet Weißkohl vom Fließband. In fein geraspelten Streifen fällt das Wintergemüse vom Förderband in eine mehr als mannshohe, mit Folie ausgekleidete Tonne. Die hellen gelbgrünen Kohlfäden haben bereits eine deckende Schicht auf dem Boden gebildet. Darauf steht Wassili Pitilek und tritt gleichmäßig auf und ab. Im weißen Schutzanzug samt Gummistiefeln stampft der Mitarbeiter des Waldorfer Biohofs Bursch den Kohl, damit daraus fassfrisches Sauerkraut wird.

Biobauer Heinz Bursch lässt seine Mitarbeiter das „saure Kraut“ auf traditionelle Weise herstellen – mit Körperkraft zum Zerstampfen des Kohls und ohne Pasteurisierung, um seine Inhaltsstoffe zu erhalten. „Früher war das eine klassische Winterbeschäftigung“, erzählt der 52-Jährige. Immerhin war Sauerkraut ein wichtiger Vitaminlieferant in der kalten Jahreszeit.

Als Kind sei er dabei gewesen, wenn die Kohlköpfe – oder der Kappes, wie der Rheinländer sagt – mit einem Hobel klein geraspelt und in 30 Liter-Steinkrügen mit einem Holzstampfer per Hand zerkleinert wurden. „Da war man den ganzen Tag beschäftigt, um ein kleines Fass vollzukriegen“, sagt Bursch, der den Familienbetrieb gemeinsam mit seiner Schwester Renate führt.

Heute dauert das Einmachen des Krauts etwa zwei Stunden. Und die zu befüllende Tonne fasst 1500 Liter. Insoweit ist aus Tradition moderne Produktion geworden. Auch kommt statt des mühsamen Hobelns per Hand eine Raspelmaschine zum Einsatz, deren schrilles Pfeifen den Raum erfüllt. Mitarbeiter Emrhullah Güven gibt die vom Strunk befreiten Kohlköpfe, die der Betrieb auf etwa zwei Hektar anbaut, ins Gerät. In dünnen Streifen spuckt die Maschine den Kohl wieder hinaus auf ein Fließband. Wie lauter Haarbüschel türmt er sich dort auf und fährt in Richtung der großen Tonne.

Dort tritt Wassili Pitilek bereits gleichmäßig auf und ab. Ein wenig sieht es so aus, als bewege er sich auf einem Stepper. Und wenn die Arbeit auch kein Fitnesstraining ist, anstrengend ist das ständige Auf und Ab mit den Füßen schon. Beim Stampfen des Kohls sollen die Zellen aufbrechen, damit Saft austritt und so optimale Bedingungen für die Gärung entstehen. Es brauche genügend Saft, damit das Gemüse nicht faule, erklärt Bursch.

„Je länger, desto saurer wird es“

Ab und an greift Pitilek mit der Hand in einige bereitgestellte Gefäße. Meersalz, Lorbeerblätter, Wacholderbeeren und Kümmel streut er dann in die Tonne, die sich rege weiter füllt. Das Salz entzieht dem Kohl die Flüssigkeit und konserviert den Saft bis zur Gärung, erklärt Lothar Tolksdorf, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Betriebs: „Wichtig ist, dass keine Luft zwischen dem frischen Kohl bleibt.“

So sollen Fäulnisbakterien keine Chance bekommen, die am Weißkohl haftenden Milchsäurebakterien aber den Gärungsprozess in Gang bringen. Für die traditionelle Sauerkraut-Herstellung brauche es ein Gefäß, aus dem aufsteigende Gase entweichen, Luft aber nicht hineingelangen könne, erklärt Tolksdorf. Deshalb besitze die Tonne eine umlaufende, mit Wasser gefüllte Rinne. Der auf die gefüllte Tonne aufgesetzte Deckel taucht ins Wasser und verhindert, dass Luft eintritt. Gasblasen können übers Wasser entweichen.

Für den Reifungsprozess wird die Tonne an einen kühlen Platz gestellt. Für vier bis sechs Wochen lagert das Kraut dann auf dem Hof: „Je länger, desto saurer wird es“, sagt Bursch. Für den Geschmack gelte: „Jedes Fass ist eine Überraschung. Und es ist ein frisches, lebendiges Produkt.“

Dadurch, dass das Kraut nicht pasteurisiert, sprich nicht erhitzt werde, blieben die Milchsäurebakterien erhalten, die bei Verzehr eine positive Wirkung für das Verdauungssystem hätten, erläutert Tolksdorf. Und wie isst der Chef das Sauerkraut am liebsten? „In der Pfanne kurz angeschmort, mit Pfirsich oder Ananas dazu“, verrät Heinz Bursch.

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