Initiative für behinderte Kinder "Wir haben viele Anfragen"

Bornheim · Beim Thema Inklusion scheiden sich häufig die Geister. Was ist das Beste für Kinder, Eltern, Lehrer und die Kommunen? Darüber ist viel diskutiert worden. Mit dem NRW-Schulgesetz soll die Inklusion ausgebaut werden; dafür kämpft auch die Bornheimer Elterninitiative Inklusion. Sie steht seit sechs Jahren für ein gemeinsames Lernen aller Kinder. Mit der Vorsitzenden Cordula Müller sprach Hannah Schmitt.

Sie setzen sich seit vielen Jahren für die Inklusion behinderter Kinder in Regelschulen ein. Sind Ihrer Meinung nach Sonder- und Förderschulen überflüssig?
Cordula Müller: Ja, denn wir sehen, dass es in Regelschulen funktioniert. In Köln sind beispielsweise in einigen Förderschulklassen nur noch vier bis fünf Kinder. Es wäre sinnvoll, die Stellen der Förderschulen auf die Regelschulen umzuverteilen, dann sehen wir überhaupt keine Probleme. Man kann den Spieß aber auch umdrehen und sagen, die Förderschulen könnten sich genauso gut für Regelkinder öffnen.

Sehen sie auch keine Probleme mit der Finanzierung?
Müller: Die Eingliederungshilfe wird immer gefördert, ob ein Kind nun auf einer Förder- oder einer Regelschule ist. Mit den Fahrtkosten ist es genau das Gleiche. Die sind da, ob ein Kind nun mit dem Sonderbus zur einen oder zur anderen Schule fährt. Und rollstuhlgerechte Räume lassen sich in den meisten Gebäuden ebenfalls finden.

Setzt sich denn die Politik genug für die Inklusion ein?
Müller: Mit der Stadt Bornheim können wir nur zufrieden sein. Sicher geht es auch viel ums Geld, aber unsere Initiative wird bei allem mit ins Boot geholt, wie zum Beispiel bei der Zukunftswerkstatt. Wir versuchen inzwischen gemeinsam Lösungen zu finden, damit jeder glücklich ist. Im Land gibt es allerdings das Problem, dass es heißt: Es gibt kein Geld mehr, ihr müsst sehen, wie ihr es umverteilen und stemmen könnt.

Warum haben Sie 2007 die Elterninitiative gegründet?
Müller: Aus eigener Betroffenheit. Wir haben selbst einen Sohn mit Behinderung, für den wir keinen integrativen Kindergartenplatz gefunden haben. Damals war man noch nicht so weit. Dann kamen die Einschulung und danach die Suche nach einer weiterführenden Schule. Anfangs fanden alle Gespräche auch noch hinter verschlossenen Türen statt und es war sehr schwer, auch weil die damalige Schulleitung nicht überzeugt war. Wir haben schnell gemerkt, dass viele Eltern diese Probleme haben und die Beratung immer in Richtung der Förderschulen ging. Unser erster großer Durchbruch war dann, dass drei Schüler von einer Schule für Geistigbehinderte auf eine Regelschule wechseln konnten.

Und ist die Arbeit in den vergangenen Jahren gleich geblieben?
Müller: Inzwischen kommen auch viele Anfragen von Eltern mit Migrationshintergrund, deren Kinder aufgrund der Sprachprobleme auf Förderschulen gehen sollen. Sie sind oft sehr verunsichert und denken, das Jugendamt nimmt ihnen die Kinder weg, wenn sie das nicht tun. Der Schwerpunkt hat sich schon ausgeweitet.

Wo gibt es in Bornheim noch Verbesserungsbedarf?
Müller: Die Ansätze in der Stadt sind gelungen. Es gibt viele Kindergärten, Grundschulen und auch weiterführende Schulen, in denen die Menschen immer offener gegenüber der Inklusion werden. Auch wenn bei ein paar Eltern noch immer Skepsis herrscht. Aber was fehlt, sind Angebote über die Schulbildung hinaus. Wir brauchen auch Praktikums- und Ausbildungsplätze für Kinder mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Ich würde mir wünschen, dass sich die Betriebe vielleicht auch selbst bei der Stadt melden und etwas anbieten. Außerdem würde ich mir wünschen, dass auch das Gymnasium inklusive Klassen anbietet. Inklusion geht alle an.

Sie haben die Ängste der Eltern von Regelkindern angesprochen. Können Sie diese denn nachvollziehen?
Müller: Einerseits schon. Aber anderseits sehe ich als Mutter eines Regelkindes auch, wie gut mein Sohn lernt, mit behinderten Kindern umzugehen. Mit ihnen kann man auch spielen, es ist manchmal alles nur etwas langsamer. Diese Erkenntnis ist für das soziale Verhalten, die Rücksichtnahme sehr vorteilhaft. Außerdem ist die Klassengemeinschaft einfach eine besondere. Ich weiß aber von Eltern, die Angst haben, ihr Kind könnte darin zu kurz kommen. Aber von den Sonderpädagogen in den Klassen profitieren alle Kinder, nicht nur die mit Handicap.

Es müsste also ihrer Meinung nach niemand Bedenken haben?
Müller: Wenn man es geschickt anstellt, nicht. Natürlich müssen mehrfach schwerstbehinderte Kinder genauso bedacht werden, wie sie in einer Förderschule umsorgt würden. Sie dürfen nicht zu kurz kommen. Aber grundsätzlich sehe ich kein Risiko.

Zur Person:
Cordula Müller ist Vorsitzende der Elterninitiative Inklusion Bornheim, die sie 2007 gründete und die anfangs unter dem Namen "Gemeinsamer Unterricht" fungierte. Der Initiative gehören sechs bis sieben feste Mitglieder und wechselnde weitere Eltern an. Sie berät Hilfesuchende und erledigt Gänge zu Ämtern sowie Schriftverkehr. Müller ist 42 Jahre alt, zweifache Mutter und lebt in Merten. Sie möchte, dass jeder, egal woher er kommt oder welches Handicap er hat, "zur Gesellschaft gehört und nicht in eine bestimmte Sparte gesteckt wird".

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