Interview mit Meckenheims Bürgermeister Holger Jung „Das hängt den Menschen in den Knochen“

Meckenheim · Im GA-Interview spricht Meckenheimer Bürgermeister Holger Jung über die Schießerei vor einer Woche und die Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl in der Stadt.

 Scheinbar wahllos hatte ein 44-jähriger Mann, der Waffen besitzen durfte, in Meckenheim um sich geschossen.

Scheinbar wahllos hatte ein 44-jähriger Mann, der Waffen besitzen durfte, in Meckenheim um sich geschossen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Eine Woche ist seit der Schießerei in Meckenheim, bei der der Schütze ums Leben kam, vergangen. Der Schrecken über diesen Abend, in dessen Verlauf ein 44-Jähriger mit zwei Pistolen scheinbar wahllos um sich schoss, sitzt noch immer tief. Mit Holger Jung, Bürgermeister von Meckenheim, sprach darüber Mario Quadt.

Mit dem Abstand von einer Woche: Wie haben Sie das Geschehen erlebt?

Holger Jung: Ich bin über die Rufbereitschaft des Ordnungsamtes informiert worden. Nach meiner Kontaktaufnahme mit der Polizei habe ich mich sofort ins Auto gesetzt und bin nach Meckenheim gefahren. In der Altstadt begegnete ich gleich dem Spezialeinsatzkommando. Das war ein sehr gespenstisches Bild, weil die Lage noch nicht beendet war. Viele Polizei- und Rettungskräfte waren vor Ort. Groß war die Erleichterung, als der Einsatz beendet war. Die Anwohner sind vorher schon von der Polizei informiert worden, in ihren Häusern zu bleiben, die Rollladen herunter zu lassen und sich von den Fenstern zu entfernen. Ein mulmiges Gefühl.

Was bleibt Ihnen von den Schilderungen der Anwohner nachhaltig in Erinnerung?

Jung: Das ganze Ausmaß konnte ich mir, wegen der Sicherung von Spuren, erst am Montagmorgen ansehen. Was ins Auge fiel, waren die vielen Markierungen auf den Straßen, woran man erkennen konnte, wie viele Schüsse verfeuert wurden. Das reicht aus, um zu sagen: Um Gottes Willen, was hätte alles passieren können? Es gibt drei Gespräche, die bei mir hängengeblieben sind: In einer Familie hat der kleine Sohn durchgeschlafen, der ältere leider nicht – und der Vater konnte nicht schlafen, da er den Schützen noch gesehen hatte, sich aber ins Haus retten konnte. Bei einer anderen Familie, bei denen die Küchenscheibe und die Rollladen durchschossen waren, hat ein Nachbar Sturm geklingelt und konnte sich bei ihnen in Sicherheit bringen. Und eine Frau hat am Morgen ihr Auto gesucht. Das war wegen der Einschüsse beschlagnahmt worden. Das hängt den Menschen in den Knochen.

Da bleibt viel Gesprächsbedarf.

Jung: Wir haben mit der Polizei und der Notfallseelsorge besprochen, dass man die psychologische Verarbeitung dieser Ereignisse nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Solche Ereignisse kommen dann auch vereinzelt sehr zeitverzögert wieder hoch.

Auch beim Brand der Schulturnhalle vor zwölf Jahren oder in der Phase, da Meckenheim bei Einbrechern beliebt war, dauerte es Jahre, bis das Sicherheitsgefühl der Meckenheimer wieder hergestellt war. Was kann diesbezüglich in der jetzigen Situation getan werden?

Jung: Diese Konstellationen lassen sich nicht vergleichen. Wichtig für mich ist eine Woche danach, dass die Ermittler das Geschehen aufgeklärt haben. Dafür bin ich dankbar. Es spricht alles dafür, dass es ein Einzeltäter war und kein strukturelles Problem vorherrscht, dem wir als Stadt begegnen oder welches wir im Kriminalpräventiven Rat, den wir immer noch haben, besprechen müssen. Es ist ein Einzelfall, der dramatisch genug ist, bei dem ich aber nicht erkennen kann, dass das Sicherheitsgefühl der Meckenheimer grundsätzlich angegriffen ist.

Welche Antwort gibt es auf die Frage, ob der spätere Täter eine Schusswaffe besitzen durfte?

Jung: Laut Polizei hatte er sämtliche Nachweise und Waffenbesitzkarten für die Waffen, die er besitzen durfte. 

Ist der 44-Jährige beim Ordnungsamt oder anderen Stellen der Verwaltung aktenkundig gewesen?

Jung:   Es liegen uns keine Erkenntnisse über den Mann vor. Er ist bisher nicht auffällig geworden. Darum gehe ich von einer Kurzschlusshandlung aus. So auch die Einschätzung der Polizei.  

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