50 Jahre Karate in Bornheim Karate-Verein verbucht enormen Zulauf

Bornheim · Es geht um Bewegung und Körperbeherrschung, aber auch um Integration: Der Bornheimer Karate-Verein wird 50 Jahre alt und hat seit Corona einen enormen Zulauf, vor allem von Kindern. Warum Gründer Peter Mügge für seine Vereinsarbeit sogar eine Auszeichnung erhalten hat.

Immer mehr Mädchen trainieren beim Bornheimer Verein Shotokan Karate Dojo.

Immer mehr Mädchen trainieren beim Bornheimer Verein Shotokan Karate Dojo.

Foto: Stefan Knopp

Im Shotokan Karate Dojo Bornheim herrscht viel Betrieb. Kinder und Jugendliche trainieren Körperhaltung, Bewegungsabläufe, schlagen und treten mal nach einem imaginären Gegner und mal nach einem anderen Karate-Schüler, der das abwehren soll. In der einen Ecke des Raums üben nur Mädchen, in einer anderen nur Jungen, bei den Älteren und den ganz Kleinen wird gemischt trainiert. Kurz gesagt: Der Dojo, die Sporthalle des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, platzt aus allen Nähten.

Beim Kinder- und Jugendtraining sind inzwischen mehr als ein Drittel der Schüler Mädchen. Arina (12) ist seit knapp sieben Jahren dabei. Der Spaß ist ihr genauso wichtig wie die Disziplin. Es gibt aber noch ein Argument für sie: „Ich könnte mich in der Schule wehren.“ Das macht sie sicherer, und auch selbstbewusster, findet ihre Mutter Alexandra Funk, für die das Training außerdem mit sich bringt, „dass mein Kind nicht zu Hause vor dem Handy rumhängt“. Der Verein nimmt Kinder ab sechs Jahren auf, nur in Ausnahmefällen dürfen sie jünger sein. Ariana ist mit vier Jahren die Jüngste, sie darf mit, weil ihr Bruder Adrian (7) auch dort trainiert. Mutter Natalie Krieger hat ihren Sohn auch Fußball ausprobieren lassen. „Aber beim Karate ist die Disziplin schon besser.“

Niklas (14) hat sich schon den Grünen Gürtel erarbeitet. „Karate ist etwas für den Kopf“, sagt er. „Man muss es auch anwenden können.“ Der Vorteil gegenüber vielen anderen Sportarten: „Ich sehe mehr Erfolgserlebnisse.“ Sein Ziel ist natürlich der Schwarze Gürtel. Das gilt auch für Tom (14), der schon bei den Erwachsenen mittrainiert. Er macht Karate seit dem fünften Lebensjahr und hat sich seitdem ebenfalls den Grünen Gürtel erarbeitet, legt in Kürze die Prüfung für den lilafarbenen ab. „Als ich angefangen habe, waren hier nicht so viele Kinder“, stellt er fest.

Mehr als 150 Mitglieder

Das sei seit etwa zwei Jahren so: Da hatte der Verein plötzlich einen enormen Zulauf, vor allem von Kindern, erzählt Sensei Peter Mügge: „Insgesamt wollen die Leute mehr Sport machen“, beobachtet der Vereinsvorsitzende, Gründer und Träger des fünften Dan-Grades. Vor allem die Einschränkungen, die Corona mit sich gebracht habe, hätten das bewirkt, ist der 73-Jährige überzeugt. Für ihn ist aber wichtig, dass das kein Kurzzeiteffekt war: „Die Mitglieder sind uns erhalten geblieben.“ Inzwischen hat der Verein mehr als 150 Mitglieder, die Mehrheit davon Kinder und Jugendliche.

Mügge möchte es auch genau so haben: lieber eine volle als eine leere Halle, und besser die Kids beim Training als am Bildschirm oder auf der Straße. Deshalb hält er auch die Mitgliedsbeiträge niedrig. „Bei uns sind alle Kinder gleich“, sagt er. Ob deutscher Herkunft oder nicht, ob aus wohlhabenden Familien oder nicht: „Wenn Kinder kommen, die kein Geld haben, dann laufen sie so mit.“ Das hat dem Verein eine Auszeichnung des Deutschen Karateverbandes eingebracht: Auf der Urkunde wird er für seine werteorientierte, integrationsfördernde, gesundheitspräventive und sozial verantwortungsvolle Arbeit gelobt.

Seitdem Mügge den Shotokan Karate Dojo Bornheim vor 50 Jahren ins Leben rief, habe sich der Sport verändert, stellt er fest: „Er war früher traditioneller und hat sich versportlicht.“ Die Qualität habe sich verbessert, auch weil die Entwicklung wissenschaftlicher vorangetrieben werde. Jetzt gebe es mehr Bewegung. Kampf und Technik würden heute getrennt, was 1973 anders gewesen sei: Bei dem einen geht es um den Wettkampf, bei dem anderen um Perfektion der Bewegungen, die eigentliche Kampfkunst. Und noch eine Veränderung: „Die Frauen sind unglaublich gut geworden in Karate.“

Sorge wegen reduzierter Hallenzeiten

Eine aktuelle Entwicklung bereitet ihm etwas Kopfzerbrechen: „Wir leiden unter der Reduzierung der Hallenzeiten.“ Mit „wir“ meint er nicht nur seinen Karate-Verein, sondern auch die anderen, die die Turnhalle des Gymnasiums nutzen. Der Grund: „Die Turnhalle der Wallrafschule ist mit Flüchtlingen belegt.“ Dadurch ging Hallenkapazität verloren, der Karate-Verein muss sich seinen Dojo zu den Trainingszeiten am Dienstag- und Freitagabend mit anderen Sportgruppen teilen. „Die Sportvereine rücken zusammen.“ Das machen sie laut Mügge gerne, weil es notwendig sei, und die Flüchtlinge einen Platz bräuchten. „Aber wir sind am Limit.“ Er würde sich wünschen, dass die Stadt Lösungen anbietet.

Derweil arbeitet der Verein unter den eingeschränkten Bedingungen weiter – ein Teil der Turnhalle wird abgetrennt für andere Sportarten. Beim Kindersport seien die Kapazitäten erreicht, zumal er auch Trainer für die Schüler benötige. Von den bürokratischen Aufgaben ganz zu schweigen. Dafür hat Mügge seit seinem Ruhestand 2015 viel mehr Zeit, so der frühere Beamte im Forschungsministerium: „Das ist schon ein hoher Verwaltungsaufwand. Wenn ich noch berufstätig wäre, wäre das nicht mehr zu stemmen.“

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