Ehrentag des Unkrauts Warum Unkraut über Leben und Tod entscheidet
Bornheim/Meckenheim. · Der 28. März ist der jährliche Ehrentag des Unkrauts. Das von vielen gehasste Kraut hat seine Daseinsberechtigung und kann sogar über Leben und Tod von Tieren entscheiden.
Englischer Rasen, Blumen und Pflanzen geordnet platziert und kein Unkraut – so stellen sich viele den perfekten Garten vor. In solchen klassischen Gärten werden häufig Pflanzen als Unkraut bezeichnet, die nicht eigenständig gepflanzt wurden und daher die gewünschte Ordnung stören. Cathrin Nieling aus Bornheim-Uedorf sieht das anders. „Der perfekte Garten ist für mich ein Garten, der die Bedürfnisse von Tieren, Pflanzen und Menschen berücksichtigt“, so Nieling.
Die 46-Jährige pflegt einen sogenannten Naturgarten und ist auch in dem Verein Naturgarten e.V. engagiert. Ein Naturgarten besteht hauptsächlich aus einheimischen Wildpflanzen. Die Gärten werden naturnah und artenreich gestaltet und stellen einen Lebensraum für Tiere dar und sind laut Nieling ein Ort der Entspannung und Naturbeobachtung für den Menschen.
Es gibt auch im Naturgarten Unkraut
Dennoch gibt es Pflanzen, die Nieling als Unkraut bezeichnet, aber nicht aus ästhetischen Gründen. „Ein Naturgarten versucht, selten gewordene einheimische Tier- und Pflanzenarten wieder zu etablieren“, sagt Nieling. Denn einheimische Wildpflanzen und damit auch die Nahrung für die auf diese Pflanzen angewiesenen einheimischen Tiere werden seit Jahrzehnten immer seltener. „Durch den internationalen Pflanzenhandel haben sich exotische Pflanzen, sogenannte invasive Neophyten, verbreitet und verdrängen die einheimischen Wildpflanzen“, erklärt sie.
Nicht alle Neophyten seien dabei ein Problem. Kritisch seien vor allem invasive Neophyten, wie das indische Springkraut. Der immer stärkere Rückgang der Vielfalt und Verbreitung von einheimischen Pflanzen führe zu einer Kettenreaktion: „Unsere Tiere sind seit Jahrtausenden auf bestimmte Pflanzen spezialisiert. Wenn diese verschwinden, dann verschwinden auch die Tiere“, sagt die hauptberufliche Projektmanagerin.
Zu Unrecht als Unkraut deklariert
Wenn Nieling eine unbekannte Pflanze im Garten entdeckt, dann beginnt sie nicht sofort zu jäten. „Ich bestimme zuerst die Pflanzenart, denn es kann auch eine einheimische Wildpflanze sein“, sagt sie. Dieses Vorgehen würde ihrer Beobachtung nach in konventionellen Gärten meist nicht geschehen. Dazu komme noch, dass viele Menschen nur noch wenige einheimische Wildpflanzen bestimmen können und dadurch ohne Sinn und Verstand auch wertvolle und seltene Pflanzen entfernen würden. „Die Tiere finden deshalb in unseren Gärten keinen Lebensraum und keine Nahrung mehr, das Artensterben in Deutschland ist dramatisch“, sagt sie.
Der Gärtnermeister aus Meckenheim, Fabio Arlt, hat in seinem Berufsleben mit vielen konventionellen Gärten zu tun. Er bekomme daher auch täglich mit, wie die Menschen mit Unkraut in ihrem Garten umgehen. „Die meisten Pflanzen werden zu Unrecht als Unkraut bezeichnet, weil sie nicht in unsere Vorstellung von einem Garten passen“, sagt der 32-Jährige. Vor allem die häufig als Unkraut bezeichneten Disteln gehören für ihn in den Garten. „Disteln tun niemanden etwas und ernähren während der Blütezeit Hummeln wie auch Bienen“, sagt er.
Make Unkraut great again
Für die Natur sei der Erhalt von Unkraut wichtig, doch als Gärtner muss Arlt seine Kunden zufriedenstellen. Wenn er Unkraut entfernen soll, dann kann er keinen Unterschied zwischen sinnvollen Pflanzen und invasiven zugezogenen Pflanzen machen. In den 16 Jahren, in denen er als Gärtner tätig ist, habe sich aber schon einiges verändert. „Die Kunden fragen jetzt regelmäßig nach nachhaltigen Pflanzen und möchten mehr einheimische Pflanzen für die Insekten haben“, erzählt er. Pflanzen werden zudem nicht mehr mit Giftstoffen entfernt, sondern per Hand. Dennoch glaube er, dass die Gesellschaft die Sicht auf Unkraut ändern sollte. „Die Menschen müssen sich mehr mit dem Nutzen von Unkraut beschäftigen. Die Leute würden sich wundern, für was die Pflanzen alles gut sind“, so Arlt.
Die Bornheimerin wünscht sich in der Gesellschaft einen neuen Blick darauf, welche Pflanzen als Unkraut eingestuft werden. „Das konventionelle Gartenkonzept hat in aller Regel eine sehr statische Vorstellung, wie ein Garten auszusehen hat“, sagt sie. Eine gepflanzte Pflanze dürfe oft nur dort wachsen, wo sie eingesetzt wurde. „Das heißt, eine Entwicklung, in der Pflanzen sich ausbreiten dürfen, wie sie das in der Natur auch tun, wird verhindert“, meint Nieling weiter. Gartenbesitzer, die mit ihren Gärten etwas für die Artenvielfalt tun möchten, sollten einheimische Wildpflanzen wieder gezielt durch Pflanzung oder Aussaat ansiedeln, da sie heutzutage meist nicht mehr von alleine in Gärten einwandern können. Insbesondere invasive Neophyten werden auch im Naturgartenkonzept als Unkraut betrachtet und sollten deshalb gezielt gejätet werden, so Nieling.