Nach der Flutkatastrophe Wie lange wird der Aufbau der zerstörten Infrastruktur dauern?

Bonn · Straßen sind aufgerissen, Leitungen weggespült, das Stromnetz vielerorts zerstört: Nach der Hochwasserkatastrophe liegt die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten brach. Experten erklären, wie Autobahnen, Strom-, Erdgas- und Trinkwasserversorgung wieder hergestellt werden.

 Bis die Infrastruktur - Strom, Telefon, Erdgas, Trinkwasser - wieder vollends hergestellt ist, können Wochen, wenn nicht Moante, vergehen.

Bis die Infrastruktur - Strom, Telefon, Erdgas, Trinkwasser - wieder vollends hergestellt ist, können Wochen, wenn nicht Moante, vergehen.

Foto: dpa/Marius Becker

„Wenn man gesehen hat, was da weggerissen wurde - da haben Urgewalten gewütet“, sagt Tobias Zoporowski, Pressesprecher der Autobahn GmbH. Vor wenigen Tagen stand er auf der A 61. Da, wo bis Mitte vergangener Woche noch die Fahrbahn über den Schießbach führte, klafft jetzt ein 30 Meter breites Loch in der Autobahn - einfach weggerissen von den Wassermassen, zu denen der kleine Bach nach heftigen Regenfällen angeschwollen war.

 Mitten in der A61 klafft ein 30 Meter breites Loch.

Mitten in der A61 klafft ein 30 Meter breites Loch.

Foto: Ralf Klodt

Die A 61 ist derzeit zwischen den Autobahnkreuzen Kerpen und Meckenheim in nahezu allen Abschnitten vollständig gesperrt. Auch die A1 ist in Mitleidenschaft gezogen worden: In Fahrtrichtung Koblenz ist sie zwischen dem Autobahnkreuz Köln-West und dem Autobahndreieck Erfttal voll gesperrt, in Gegenrichtung zwischen dem Autobahndreieck Erfttal und der Anschlussstelle Hürth.

A 61 nach der Flutkatastrophe: Reparatur „nicht in zwei, drei Wochen“

Nachdem die Wassermassen weg sind, geht es nun an die Reparatur der zerstörten Infrastruktur: In den vergangenen Tagen wurden die Autobahnen bereits mit Helikoptern überflogen, um Luftaufnahmen zu machen. Expertenteams schauen sich die Schäden in diesen Tagen vor Ort an, prüfen auf Risse und machen Belastungstests, „um zu gucken, wie standsicher die Bauwerke überhaupt noch sind“, erklärt Zoporowski. Erstes Ziel sei nun, auf den betroffenen Autobahnen zumindest eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit wiederherzustellen - nicht nur für Autofahrerinnen und Autofahrer, sondern in erster Linie für die Rettungskräfte.

Wie hoch das Ausmaß der Schäden ist, lässt sich aktuell noch nicht sagen, ebenso wenig, wie lange die Reparaturarbeiten dauern werden: „Das können wir im Moment noch nicht abschätzen“, sagt Zoporowski. Eventuell könne die Autobahn GmbH im Laufe der Woche dazu erste vorsichtige Prognosen abgeben. Aber er ergänzt: „Ich habe auf der A 61 selbst an der Abbruchkante gestanden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in zwei, drei Wochen repariert wird.“

Wiederherstellung der Erdgasversorgung wird andauern - Lichtblicke bei Fernwärme

Erste Prognosen, wie lange die Reparaturarbeiten dauern werden, erwartet auch Eva Hoffend vom Gasverteilnetzbetreiber Energie Mittelrhein für Mitte der Woche. „Aktuell ist es noch nicht absehbar, wie lange die Arbeiten dauern werden“, erklärt sie. In einer Pressemitteilung am vergangenen Freitag war die Rede von „Wochen, wenn nicht sogar Monaten“, bis die Gasversorgung wieder in Betrieb genommen werden kann. Dafür müssen die Reparaturarbeiten jedoch mit anderen Bereichen Hand in Hand gehen: „Damit wir Leitungen verlegen können, müssen zerstörte Straßen erst einmal repariert werden“, erklärt Hoffend. Im Raum steht auch die Frage nach der Möglichkeit zu heizen, wenn im Herbst die Temperaturen fallen. „Wir machen uns dazu natürlich Gedanken und wollen schnell kurzfristige Lösungen anbieten“, sagt Hoffend. 

Im Gegensatz zur Wärmeversorgung mit Gas wird die Fernwärmeversorgung voraussichtlich bereits in dieser Woche in weiten Teilen wieder zur Verfügung stehen, heißt es auf der Seite der Ahrtal-Werke. Dann bestehe auch die Möglichkeit, eine Versorgung für weitere Haushalte, die sich unmittelbar an der Fernwärmetrasse befinden oder mit Vorsorge-Hausanschluss ausgestattet sind, bereitzustellen.

Provisorische Lösungen, um Stromversorgung in Hochwassergebieten wiederherzustellen

Um die Stromversorgung in den Katastrophengebieten schnellstmöglich wieder sicherzustellen, setzen auch der Verteilnetzbetreiber Westnetz sowie die Ahrtal-Werke zunächst auf provisorische Lösungen. Dort, wo es möglich ist, kommen Notstromaggregate zum Einsatz. Am Sonntag sei es nach Westnetz-Angaben gelungen, in vielen Orten wieder eine intakte Mittelspannungsversorgung, die Grundlage für das Niederspannungsnetz, herzustellen. Ähnlich sieht die Situation im benachbarten Rheinland-Pfalz aus: Auch die Ahrtal-Werke bringen fortschreitend Stadt- und Ortsteile wieder ans Stromnetz. Da die Stromversorgung jedoch nur provisorisch sei, bittet Westnetz darum, den Energieverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren.

Wie lange die Reparaturarbeiten dauern und wie viel sie kosten werden, sei pauschal schwierig zu sagen, „da wir lokal sehr unterschiedliche Lagen vorfinden“, erklärt eine Westnetz-Sprecherin auf Anfrage. „Es gibt noch immer Anlagen, die wir nicht betreten können.“ Im gesamten westlichen Rheinland seien mehr als 5000 Straßen betroffen. Ähnlich beschreiben es die Ahrtal-Werke für den besonders stark betroffenen Landkreis Ahrweiler. Zunächst „müssen alle Stromnetzstationen von Schlamm und Geröll befreit werden“, heißt es in einer Mitteilung. Mit den noch vorhandenen Netzteilen soll anschließend eine zunächst provisorische Stromversorgung errichtet werden. Dafür müssen jedoch alle Hausanschlüsse geprüft werden. „Im Anschluss muss das Stromnetz nahezu vollständig erneuert werden.“ Bis eine vollständige Stromversorgung wiederhergestellt werden kann, könnten trotz des Einsatzes zahlreicher Monteure und Techniker vor Ort Wochen vergehen.

Reparatur von Telefon- und Mobilfunkanbindung: „Viele reden von Wochen und Monaten“

 Ähnlich sieht die Situation bei Telefon und Mobilfunk aus. Mitarbeiter der Telekom stehen ebenfalls vor dem Problem, dass Anlagen nicht zugänglich sind, noch immer unter Wasser stehen. Dauer sowie Kosten der notwendigen Reparaturen können aktuell noch nicht abgeschätzt werden, erklärt Pressesprecher Peter Kespohl: „Viele reden von Wochen und Monaten. Wir werden sehen, dass wir zumindest kurzfristig die Mobilfunksender ans Laufen kriegen.“ Ansonsten laute die Devise nun „Instandsetzen und Entstören, weil das am schnellsten geht. Wo das nicht geht, sorgen wir für Ersatz.“ Allein im Eifelort Schuld, der besonders heftig von den Wassermassen getroffen wurde, müsse jedoch das komplette Netz neu gebaut werden, da viele Glasfaser- und Kupferkabel, die für die Anbindung von Festnetz und Mobilfunksendern nötig sind, in den zerstörten Straßen und Brücken verliefen. In Ahrbrück will die Telekom nun zusammen mit dem Technischen Hilfswerk ein Glasfaserkabel an einem Draht über die Ahr spannen. „Das ist aber alles nur ein Provisorium“; erklärt Kespohl.

Auf Provisorien muss vielerorts auch bei der Trinkwasserversorgung zurückgegriffen werden. Besonders kritisch ist die Situation in den von der Flutwelle am stärksten betroffenen Orten, wo das Leitungssystem in Teilen nahezu vollkommen zerstört wurde. „Ein Wiederaufbau ist in angemessener Zeit nicht möglich“, informiert das Versorgungsunternehmen SWB Regional. In besonders stark betroffenen Gemeinden sollen deshalb weiterhin Wasserfässer und -container sowie mobile Aufbereitungsanlagen eingesetzt, und wo möglich, mit intakten Leitungsabschnitten verbunden werden.

Trinkwasserversorgung in Teilen wieder in Betrieb genommen - Wasser weiter abkochen

Derweil gibt es aber auch erste Lichtblicke: Nach Angaben der SWB Regional konnte die Transportleitung zum Pumpwerk Dorsel wieder in Betrieb genommen werden. Die Hochbehälter Dorsel und Hoffeld werden seit Samstag gefüllt, so dass neben diesen Orten auch Wirft und Kirmutscheid wieder aus der zentralen Wasserversorgung gespeist werden können. Auch die zentrale Brunnenanlage Nohn des Zweckverbandes Wasserversorgung Eifel ist wieder in Betrieb, wodurch für Kalenborn und Altenahr die volle Kapazität zur Verfügung steht. Im Bereich von Bad Münstereifel ist die Versorgung der Hochbehälter Lind und Vellen aufgrund erheblicher Beschädigungen zwar noch sehr eingeschränkt, soll aber ebenfalls zeitnah den Betrieb aufnehmen. (Detailliertere Informationen zur Trinkwasserversorgung in einzelnen Kommunen finden sich hier.)

Die SWB Regional weist in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Abkochgebot in den Überflutungsgebieten hin, sofern Wasser zum Trinken, Kochen oder zur Zubereitung von Speisen oder Getränken genutzt wird. Zum Waschen und Reinigen könne das Wasser ohne Einschränkung genutzt werden.

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