Johanniter-Stift Meckenheim Annegret Wahlen spielt für Demenzkranke

MECKENHEIM · Beherzt greift Annegret Wahlen in die Tasten ihres Akkordeons. Etwa zehn Zuhörer befinden sich in dem hellen, freundlichen Flur, der sich an dieser Stelle zu einem Fenster hin öffnet. Hier ist eine kleine Sitzgruppe eingerichtet. Betreuungsassistentin Irmgard Widdel animiert die Anwesenden zum Tanzen, nimmt sie an den Händen und bewegt sich mit ihnen langsam im Takt.

 Als ihren "kleinen Beitrag" versteht Ehrenamtlerin Annegret Wahlen ihr Engagement.

Als ihren "kleinen Beitrag" versteht Ehrenamtlerin Annegret Wahlen ihr Engagement.

Foto: Anita Borhau-Karsten

"Hier sind die Ärmsten der Armen", erklärt Widdel ihren Arbeitsplatz im "beschützenden Bereich" für Demenzkranke im Johanniter-Stift Meckenheim, wo 16 Bewohner der Pflegestufen 2 und 3 hinter verschlossenen Türen leben. "Ein kleiner grüner Kaktus" erklingt als nächste Melodie. Die zierliche Frau im Rollstuhl hält ihr Stofftier fest in den Händen, bewegt sich kaum, hört aber mit glänzenden Augen zu. Sie hat früher selbst Akkordeon gespielt, bevorzugt Lieder der "Comedian Harmonists", weiß Irmgard Widdel vom Ehemann.

Auch das nächste Stück wählt Wahlen mit Bedacht. Einem Bewohner zuliebe, der aus Italien stammt und nun den langen Flur auf und ab läuft, spielt sie das italienische Volkslied "Tic e tic e toc". Widdel animiert auch ihn zum Tanzen, mehrere Bewohner fassen sich nun an den Händen und tanzen im Kreis.

Auch Bettina Muermann tanzt mit den Kranken oder führt sie zurück zu ihrem Stuhl, wenn sie erschöpft erscheinen. Ihr Kittel weist sie als eine der grünen Damen aus, die ehrenamtlich im Seniorenheim helfen. Zwei der Senioren haben sich gefunden, tanzen gemeinsam, plaudern dabei, doch was der eine sagt, kommt beim anderen nicht an.

Bei "Bruder Jakob" kommt Bewegung in die Gruppe, viele klatschen nun im Takt in die Hände. Die Türen der umliegenden Zimmer stehen auf, damit auch bettlägerige Patienten die Musik hören können, erklärt Widdel, während sie unermüdlich nach hingestreckten Händen greift, Arme streichelt, sich auch umarmen und küssen lässt und sehr viel Nähe zulässt. Basale Stimulation, also auch Hautkontakt, sei wichtig für die Bewohner, erklärt erklärt die 60-Jährige, die seit 2009 im Johanniter-Stift arbeitet.

Und natürlich die Musik: "Da werden Erinnerungen wach an glückliche Zeiten." "Seemann, lass das Träumen" und "Ein Vogel wollte Hochzeit machen", spielt Wahlen nun, abwechselnd wählt sie die Lieder aus mehreren Notenbüchern aus, etwa eine Stunde lang. Noch vor einigen Monaten hätten viele Bewohner Wünsche geäußert und mitgesungen. Fast alle Texte hätten sie gekannt, berichten Wahlen und Widdel. Inzwischen habe sich ihr Zustand verschlechtert, die Liedtexte sind in Vergessenheit geraten.

Doch die Freude an der Musik ist geblieben, und so wird Annegret Wahlen in etwa zwei Wochen wieder mit Akkordeon und Noten bepackt ins Seniorenhaus kommen, um ehrenamtlich Freude zu bereiten. Die 56 Jahre alte Heilpraktikerin versteht ihren Einsatz als "kleinen Beitrag".

Besonders schätzt sie die Stimmung im Seniorenhaus: "Hier sind alle wie eine große Familie." Alle ehrenamtlichen Helfer seien eine große Entlastung im Alltag des Seniorenhauses, erklärt Widdel. Für ihre dementen Bewohner wünsche sie sich zudem wieder die Stippvisiten eines Besuchshundes, denn damit habe sie schon beste Erfahrungen gemacht. Dankbar für die Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer ist auch die Leiterin des Johanniter-Stiftes, Elisabeth Wald-Weiden.

Die an Demenz erkrankten Bewohner könnten nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden, erklärt Wald-Weiden. Man müsse sie in der Lebenssituation annehmen, in der sie sich gerade befänden, sie nicht etwa korrigieren, sondern erhaltene Fähigkeiten stärken. Äußerlichkeiten, zum Beispiel, ob jemand mit Messer und Gabel oder mit den Händen esse, seien dabei nicht wichtig. Für viele Angehörige jedoch sei es schwierig, die geliebten Menschen in ihrem jetzigen Zustand zu akzeptieren.

sei Besuch in diesem Teil der Einrichtung eher selten. Mit zurzeit 16 Bewohnern sind alle Zimmer im "beschützenden Bereich" des Hauses belegt. Einer der Bewohner ist zur Kurzzeitpflege da, weil seine pflegende Ehefrau eine Auszeit brauchte, um Kraft zu schöpfen. Doch auch der wieder freiwerdende Platz ist schon vergeben.

Von Demenz sind derzeit rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. 2050 werden es voraussichtlich 2,6 Millionen sein, so die Zahlen, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort