Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel in Meckenheim Azubis betreiben Bankfiliale in Eigenregie

MECKENHEIM · Arbeitstage gibt es, die wollen partout kein Ende nehmen. Andere hingegen vergehen wie im Fluge - zumindest, wenn der Tag nicht wie üblich als Auszubildende beginnt und endet, sondern als Chefin, als verantwortliche Leiterin einer eigenen Bankfiliale.

 Die Filiale der Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel am Neuen Markt in Meckenheim haben die sieben Auszubildenden um Julia Rung (links) und Sven Göttlicher (3.v.r.) für zwei Wochen übernommen. Bereichsleiter Peter Bürvenich (rechts) findet, dass das junge Team für jedes Problem eine Lösung gefunden hat.

Die Filiale der Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel am Neuen Markt in Meckenheim haben die sieben Auszubildenden um Julia Rung (links) und Sven Göttlicher (3.v.r.) für zwei Wochen übernommen. Bereichsleiter Peter Bürvenich (rechts) findet, dass das junge Team für jedes Problem eine Lösung gefunden hat.

Foto: Mario Quadt

Julia Rung (21) erlebt dieses Phänomen am eigenen Leib: Obgleich jeder Tag exakt 1440 Minuten hat, kommen ihr die 20 160 Minuten als zweiwöchige Filialleiterin der Meckenheimer Geschäftsstelle Neuer Markt der Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel wie ein Wimpernschlag vor. 14 Tage lang dürfen sieben Auszubildende die publikumswirksame Außenstelle inmitten der Meckenheimer Fußgängerzone eigenständig leiten und betreiben.

Wie viel Herzblut in dem Projekt steckt, verrät der selbst erdachte Slogan, den sich das junge Septett für seine Meckenheimer Azubifiliale ersonnen hat: "Von der Blüte bis zum Apfel - wir vor Ort ein Leben lang". In der Überschrift steckt nicht nur das geballte Lokalkolorit der Apfelstadt, sondern zugleich das Bekenntnis zur Region, zu Kundennähe und - nicht zuletzt - nicht weniger als das Versprechen, dass das Herzblut "ein Leben lang" fließt.

"Die Azubifiliale hat uns unheimlich als Team zusammengeschweißt", berichtet Sven Göttlicher, Vizefilialdirektor "auf Zeit". Wer im Konzert der Sieben die erste Geige spielt, bestimmen die 20 bis 25 Jahre alten Jungbanker ebenfalls selbst - nichts ist von übergeordneter Stelle verordnet, betont Peter Bürvenich, Bereichsleiter Privatkunden und Filialen der Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel. Bereits zum dritten Mal wage die Genossenschaftsbank das Experiment, eine Außenstelle vollumfänglich in die Hände einer Auszubildendengruppe zu legen - allerdings sei das 14-Tage-Format eine Premiere. "Es ist mutig, aber wir haben volles Vertrauen", meint Bürvenich. Schließlich seien die Lernenden seit fast zwei Jahren "in allen Abläufen" drin. Hintergrund: Zweieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum Bankkaufmann. Im November stehen die Abschlussprüfungen an, im Januar 2016 endet die Lehrzeit.

Lösungen für Probleme erarbeiten

Jeden Tag aufs Neue müssen die Sieben Lösungen für Probleme erarbeiten, für die sie sonst einen erfahrenen Kollegen um Rat hätten fragen können. Niemand will sich schließlich das Fragezeichen im Gesicht ablesen lassen, wenn ein Kunde an den Bankschalter tritt und fragt, ob er mit seiner Kreditkarte in den USA bezahlen kann? Um sich nicht in grauer Theorie zu ergehen, sondern am "lebenden Objekt" Erfahrungen zu sammeln, setzen sich die ehrgeizigen Jungbanker eigene Ziele, die es zu erfüllen gilt. Hierzu haben sie bereits Wochen im Voraus Termine koordiniert und Beratungsgespräche vereinbart, wie Julia Rung berichtet.

Ein erhebendes Gefühl sei es, solch eine Individualberatung eigenverantwortlich zu meistern, schildert die 21-Jährige. Damit sich alle auf Augenhöhe begegnen, setzt sich die Gruppe bei Bedarf schnell zusammen, verteilt die Aufgaben, bespricht das Marketing und kontrolliert das Budget. "Wir haben in den zwei Wochen nicht ein Problem im Team gehabt", resümiert Rung. So habe sich der Sprung ins kalte Wasser gar nicht so kalt angefühlt, findet Göttlicher. Denn schließlich packte sich der Azubijahrgang schon einiges an Fachwissen in den Rucksack. "Das Schönste, war zu spüren, dass einen die Kunden akzeptieren", findet Göttlicher - auch wenn einige Mitglieder des Septetts bis dato noch nie in der Filiale am Neuen Markt tätig waren.

Infotage als Zusatzprogramm

Neben ihrem Kerngeschäft am Schalter und am Beratungstisch verwirklichen die Jungbanker außerdem ein strammes Zusatzprogramm mit Infotagen zum Onlinebanking oder Wertpapierhandel über das Internet. Damit der Aktionstag "Rund um Ihre Urlaubsreise" ins Auge fällt, stellen sie etwa eine Schaufensterpuppe mit Bikini und Strohhut in die Meckenheimer Fußgängerzone, die sich in einem Liegestuhl sonnt. Wer dann die Filiale betritt, um sich beraten zu lassen, wird mit selbst kreierten Fruchtsäften empfangen.

Die Zwischenbilanz nach einer Woche geht nicht hinter verschlossener Tür, sondern in der entspannten Atmosphäre eines Eissalons vonstatten. Peter Bürvenich und Vertriebsvorstand Mathias Lutz nehmen sich Zeit und hören zu, während Krokantbecher geleert und Cappuccino getrunken werden. "Es ging locker zu. Das zeigt, dass wir ein regionales Unternehmen sind und keine Großbank", so Bürvenich.

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