Innovatives Bauen Bio-Revolution aus Meckenheim
Meckenheim · Eine Lösung für die Baustoff- und die Klimakrise zugleich versprechen Leichtbauplatten aus schnell wachsenden asiatischen Pflanzen, die auf dem Campus Klein-Altendorf bei Meckenheim erforscht werden. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach war als Fördergeberin zu Besuch. Womit sie zufrieden ist - und womit nicht.
Abschiedsgeschenk: Bert Spilles, Vorsitzender des bioIP, schenkt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach einen Blauglockenbaum-Setzling in Substrat aus Miscanthus-Holz (Chinaschilf). Die erstaunlichen Eigenschaften der beiden Gewächse stehen im Mittelpunkt des Projekts „BioBauDigital“.
Foto: Alexander C. BarthAuf dem Campus Klein-Altendorf arbeiten Wissenschaftler der Universität Bonn und der Alanus-Hochschule Alfter an einer Revolution der Bauindustrie: Nachhaltig und klimaneutral sollen die Materialien sein, die im Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projekts „BioBau Digital“ erforscht werden, das im bio innovation park Rheinland (bioIP) angesiedelt ist. Vom aktuellen Stand hat sich jetzt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach vor Ort ein Bild gemacht.
Das Ministerium fördert das Projekt mit 192.000 Euro. „Das war die richtige Entscheidung“, lobte Scharrenbach nach einer Präsentation der Professoren Ralf Pude (Uni Bonn), Mathias Wirths (Uni Siegen) und Hagen Schmidt-Bleker (Alanus Hochschule) den Ansatz und die ersten Ergebnisse von „BioBau Digital“.
Schnelles Wachstum, hohe Stabilität
Die Wissenschaftler haben bereits zwei besonders geeignete Pflanzen für ihr Vorhaben identifiziert: Miscanthus, auch Chinaschilf genannt, und Paulownia, bekannt als Kiribaum oder Blauglockenbaum, die beide rasant wachsen und hohe Stabilität und geringes Gewicht verbinden: Ideale Eigenschaften für Leichtbauplatten, aus denen bis Ende 2024 „tragfähige Ergebnisse“ entstehen sollen.
Daran arbeitet ein Netzwerk aus Kommunen, Hochschulen und Unternehmen, darunter die Stadt Meckenheim, die 5000 Quadratmeter im Unternehmerpark Kottenforst zur Verfügung gestellt hat und beim Ministerbesuch durch den Ersten Beigeordneten Hans Dieter Wirtz vertreten war. Im Gewerbepark sollen mit den selbst entwickelten Leichtbaustoffen modulare Gebäudekonzepte erprobt werden, die dort gleichzeitig zu Demonstrationszwecken ausgestellt sind.
Neue Chancen durch Digitalisierung
Der gesamte „Lebenszyklus“ der Gebäude, von der Planung über den Bau bis zum späteren Abriss, soll dabei mit einer speziellen Software digital erfasst werden. Diese „BIM“ (Building Information Modeling) genannte Methode könnte die Zukunft der Bauwirtschaft sein, glaubt der Digitalisierungsexperte Hagen Schmidt-Bleker und rät, solche Entwicklungen nicht zu verschlafen.
Professor Ralf Pude, Experte für nachwachsende Ressourcen, berichtete, die Bauwirtschaft habe bislang abwehrend auf die Einführung der umweltfreundlichen Leichtbaustoffe reagiert. Aber das habe sich geändert: „Vor der Ukraine-Krise waren solche Patente schwer zu verkaufen, weil alle noch auf ihren Gipsreserven saßen. Jetzt bekommen wir fast jede Woche Anfragen.“ Die ersten Gebäude aus den neuen Materialien würden in Luxemburg bereits gebaut. Die schnell wachsenden Pflanzen könnten auch beim Hochwasserschutz gewinnbringend eingesetzt werden.
Erste Miscanthus-Häuser werden schon gebaut
„Ich hätte das erste Miscanthus-Haus lieber in NRW gehabt“, räumte Ina Scharrenbach ein, dass dieser Zug abgefahren ist. Daher rief sie zu Tempo auf, denn auch öffentliche Bauträger könnten angesichts der Baustoffkrise von einer neuen Nachschubquelle profitieren. Dazu müssten die Materialien aber zuerst in Deutschland patentiert und zugelassen sein: „Wir brauchen Stempel hier drauf“, betonte die Ministerin mit zwei Leisten der ostasiatischen Gewächse in der Hand.
BioIP-Vorsitzender Bert Spilles hob die Bedeutung des Projekts als Schnittstelle zwischen Wissenschaftlern und Unternehmern hervor. „Innovationen lassen sich nicht verordnen. Was könnte besser sein, als wenn Forschung und Wirtschaft zusammenarbeiten?“ Das bio-IP-Netzwerk umfasst die beiden Städte Rheinbach und Meckenheim, die Universität Bonn, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Alanus Hochschule Alfter sowie 34 Unternehmen.