Energiekrise und Bevölkerungsschutz Blackout-Szenario: Noch ist Meckenheim nicht vorbereitet

Meckenheim · Die Stadt Meckenheim verordnet sich einen rigorosen Energiesparplan, eine von wenigen Ausnahmen bildet der Zintemaat. Sollte der Strom großflächig ausfallen, übernimmt ein Krisenstab das Steuer – derzeit fehlt es dazu jedoch an Material und Vorausplanung.

Der Zintemaat ohne Beleuchtung? Da zieht die Stadt die Grenze. Ansonsten werden Meckenheimer in den dunklen Monaten auf einen Teil der gewohnten Illumination verzichten müssen.

Der Zintemaat ohne Beleuchtung? Da zieht die Stadt die Grenze. Ansonsten werden Meckenheimer in den dunklen Monaten auf einen Teil der gewohnten Illumination verzichten müssen.

Foto: Axel Vogel

„Das ist eine Gratwanderung: Schürt man Panik oder nimmt man die Leute mit?“ – mit diesem Dilemma, das FDP-Ratsherr Heribert Brauckmann am Mittwochabend im Meckenheimer Haupt- und Finanzausschuss ansprach, sehen sich derzeit Verantwortliche auf allen Ebenen von Politik und Verwaltung konfrontiert. Es geht um die Fragen, wie sich die Energiekrise in der kalten Jahreszeit auswirken wird, welche Vorkehrungen dafür getroffen werden müssen und wie die Bevölkerung darüber informiert werden sollte.

Dass die Sorge bei Bürgerinnen und Bürgern real ist, daran ließ Bürgermeister Holger Jung keinen Zweifel. „Mich erreichen viele Anrufe und Mails“, berichtete er im Ausschuss. Die Menschen hätten Existenzängste und die Befürchtung, dass sie nicht über den Winter kommen. „Damit müssen wir umgehen“, erklärte der Verwaltungschef, der seinerseits von Sorgen geplagt scheint. Denn Entlastungspakete für Kommunen seien aktuell nicht in Sicht, obwohl sich nicht nur für die Stadt Meckenheim eine wirtschaftlich bedrohliche Entwicklung abzeichne. Pandemie, Flut und die Folgen des Ukraine-Kriegs würden den Haushalt schon jetzt im sechsstelligen Bereich belasten, und für die Vorsorge gegen die Energiekrise würden unweigerlich weitere Ausgaben anfallen – in nicht geringer Höhe. „Das wird noch richtig heftig“, blickt Jung auf die nächsten Jahre und appelliert an die Bundesregierung, so schnell wie möglich Lösungen vorzustellen. Klar sein in jedem Fall: „Wir haben jahrzehntelang in Wohlfühlzonen gelebt, das wird so nicht mehr haltbar sein.“

Vorbereitung auf 72 Stunden ohne Strom

Niemand kann seriös vorhersagen, wie sich die Gas- und Stromversorgung in den nächsten Monaten entwickeln wird. Im Sinne des Bevölkerungsschutzes müssen sich Kommunen jedoch auf „worst case“-Szenarien vorbereiten, also die schlimmsten Situationen, die sich nach realistischer Erwartung einstellen könnte. Das sind 72 Stunden ohne Strom, erklärte der Erste Beigeordnete Hans Dieter Wirtz, Leiter des zuständigen neuen Krisenstabs – im Amtsdeutsch „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“ (SAE). Die Verwaltung prüfe gerade, wie viel Personal bei einem großflächigen Blackout mindestens gebraucht würde, um die dringendsten Aufgaben weiter erfüllen zu können. Mit Notstromaggregaten, von denen erst noch weitere angeschafft werden müssen. Nach einem zweitägigen Seminar beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gibt es dazu bereits eine Erkenntnis: „Mit der Zahl der Teilnehmer, das waren 20 Personen, würden wir nicht auskommen.“

Der Stab hat noch viel Arbeit vor sich, denn auch über Treibstoffvorräte und Satellitentelefone verfügt die Stadt bislang nicht. Bei einem großflächigen Stromausfall würden weder Tankstellen noch das Telefon- oder Mobilfunknetz funktionieren, auch die zentralen Notrufnummern wären nicht mehr erreichbar. Stattdessen würden an zentralen Orten wie Rathaus und Mehrzweckhallen Anlaufstellen für die Bevölkerung eingerichtet, wo etwa Notfälle gemeldet werden könnten und durchgefrorene, hungrige Menschen versorgt werden könnten. An dieser Stelle setzt die Verwaltung notgedrungen auf die Eigenverantwortung der Bürger, die sich mit Lebensmittelvorräten, warmer Kleidung und Decken darauf vorbereiten sollten, sich zumindest ein paar Tage ohne Strom und Einkaufsmöglichkeiten selbst über Wasser zu halten.

Ratsfraktionen demonstrieren Geschlossenheit

Während der Blackout nur ein mögliches Szenario darstellt, steht längst fest: Um der Energiekrise zu begegnen, muss Energie gespart werden. Die Verwaltung legte dazu im Ausschuss ein Programm vor, das die dort vertretenen Ratsfraktionen schließlich mit demonstrativer Geschlossenheit einstimmig verabschiedeten. Die SPD zog nach kurzer Diskussion sogar ihren diesbezüglichen Antrag (der GA berichtete) zurück und verzichtete damit auf diesen Beleg politischer Urheberschaft. Stattdessen sprachen alle Fraktionen der Verwaltung das Vertrauen aus, in der Energiefrage auch ohne Anträge ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Dazu beigetragen hatte die Präsentation umfangreicher Sparmaßnahmen, über die sich die Stadt selbst Gedanken gemacht und auch mit einer Arbeitsgruppe auf Kreisebene beraten hatte. Ebenso seien Tipps von Bürgern eingeflossen, die sich in 14 E-Mails an die Verwaltung gewandt hatten, wie Bürgermeister Jung lobend hervorhob. Im Ergebnis wird es in Meckenheim dunkler und kühler: Öffentliche Gebäude werden nur auf 19 Grad geheizt, auf Fluren die Heizkörper ganz abgedreht, in Toiletten gibt es zum Händewaschen nur noch kaltes Wasser. Auf das Anstrahlen von Fassaden wird verzichtet, nur noch jede zweite Straßenlaterne soll leuchten, die übrigen werden gedimmt. Das Abschalten der Ampelanlage an der Klosterstraße, eine von wenigen in der Hand der Stadt, zwischen 23 und 6 Uhr wird derzeit geprüft. Städtische Angestellte sind sogar aufgefordert, nach Möglichkeit die Treppe statt den Aufzug zu nutzen.

Sauna und Weihnachtsbeleuchtung auf der Kippe

Manche Vorschläge könnten Diskussionen nach sich ziehen. Holger Jung würde gern die Sauna im Hallenfreizeitbad schließen: „Das Nutzeraufkommen steht in meiner Sicht in keinem Verhältnis zum Energieverbrauch.“ Auch die Ankündigung, auf Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten, könnte auf Unmut stoßen. Die Verwaltung möchte diesbezüglich auch Gespräche mit den Meckenheimer Händlern führen, ebenso mit den Sportvereinen über den Bedarf, Hallen am Abend, wenn nur noch Kleinstgruppen aktiv sind, mit Licht und Wärme zu versorgen.

Bei aller Entschlossenheit gibt es Grenzen: Das Schwimmbad soll in jedem Fall geöffnet bleiben, mit heruntergeregelter Wassertemperatur, den Empfehlungen der Deutschen Bädergesellschaft folgend. In Schulen und Kitas soll normal geheizt werden. Auch der Zintemaat solle ohne Einschränkungen stattfinden können, findet der Bürgermeister – der sich einen Weihnachtsmarkt ohne festliche Beleuchtung dann doch nicht vorstellen kann: „Bestimmte Ausnahmen muss man erlauben.“ Als Informationsquelle für Energiespartipps verweist die Verwaltung erneut auf die städtische Webseite, wo diverse Links zusammengefasst werden. Gedruckte Broschüren oder eine Präsenzveranstaltung sind derzeit nicht geplant.

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