"Meckenheimer Garantie für Ausbildung" Die Mega-Idee macht Schule

MECKENHEIM · An mehreren Stellen gleichzeitig zu sein, ist für Viktoria Milke keine Frage von Zauberei, sondern des Zeitmanagements. Eben noch dreht die 20 Jahre alte, angehende Friseurin im Meckenheimer Salon "Hair-Magic" am Neuen Markt einer Kundin gekonnt bunte Lockenwickler ins Haar, da gewährt sie der nächsten bereits die Freude einer entschleunigten Haarwäsche.

"Ich habe sieben Minuten für Sie", sagt die Auszubildende, als der GA - ohne Termin - im Friseursalon steht. Nach dieser Zeitspanne klingelt nämlich der Haartrockner. Viktoria Milke ist eine Mega-Schülerin - sie macht mit bei der "Meckenheimer Garantie für Ausbildung", kurz Mega. Die ungewöhnliche Methode, Hauptschülern einen perspektivreichen Weg in den Beruf zu ermöglichen, ist seit fünf Jahren eine Erfolgsgeschichte.

Damit gerade Hauptschüler bei der seit Jahren beklagten Suche nach Fachkräften nicht durchs Rost fallen, haben die Stadt Meckenheim, die Geschwister-Scholl-Hauptschule und Meckenheimer Firmen gemeinsam Mega gegründet. 40 Betriebe aus Handel, Handwerk, Industrie und dem Dienstleistungssektor bieten bis zu 80 verschiedene Berufe an.

Die Mädchen und Jungen der Hauptschule unterzeichnen eine Verpflichtung zu einem gewissen Leistungspensum bis zum Hauptschulabschluss nach Klasse 10. So darf es ab der 9. Klasse keine unentschuldigten Fehltage geben und keine mangelhaften Leistungen auf dem Zeugnis.

Außerdem sollten sie in Deutsch, Mathe und Arbeitslehre mindestens eine Drei haben. Nicht zuletzt sind die Teilnahme am Berufsförderunterricht und ein positives soziales Verhalten Voraussetzung. Im Gegenzug gibt es einen garantierten Ausbildungsplatz. In fünf Jahren haben rund 220 Schüler die Vereinbarung unterschrieben.

"Ich möchte, dass ich die Menschen glücklich mache"

"Ich finde es super, dass wir Hauptschüler zeigen dürfen, was wir können", sagt Viktoria Milke. Ein hohes Ziel zu haben, auf das sie hinarbeiten kann, sei für sie der Grund gewesen, bei Mega zu unterzeichnen. "Dieses Ziel habe ich bald erreicht", sagt sie und lacht. Am 25. Juni hält sie ihren Gesellenbrief in den Händen.

"Ich möchte, dass ich die Menschen glücklich mache und sie mit einem Lächeln hier herausgehen", meint die flinke Auszubildende. Auch dieses Ziel scheint sie zu erreichen: Eine Kundin überreicht ihr ein liebevoll verpacktes Geschenk, bevor sie vor dem Frisierspiegel Platz nimmt.

Während Viktoria Milke in ihrem Beruf weiterarbeitet, will Tizian Künkler nach seiner Tischlerlehre erst mal sein Fachabitur absolvieren. "Und je nachdem, wie es läuft, kommt dann das Abitur", sagt der 19-Jährige, der in der Schreinerei von Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher seine Lehre macht.

Künkler zählt zu den ersten Geschwister-Scholl-Hauptschülern, die ihre Signatur unter den Mega-Vertrag gesetzt haben. Neben Tizians Werkbank trocknen die Teile des Gesellenstücks: ein schicker Schrank für sein Schlangenterrarium. Jedes Detail des Möbels hat der 19-Jährige selbst konstruiert, gezeichnet und hergestellt.

Feuer und Flamme für Mega ist sein Chef Thomas Radermacher: Zusammen mit Meckenheims Bürgermeister Bert Spilles und Peter Hauck, Rektor der Geschwister-Scholl-Hauptschule, hob er das Projekt vor fünf Jahren aus der Taufe. "Die örtliche Hauptschule wurde immer als Resteschule dargestellt. Mein Eindruck war aber ein ganz anderer." Dank Mega hat er nun Azubis eingestellt, die bis in die Haarspitzen motiviert sind.

Und: Etwa 75 Prozent der Entlassschüler der vergangenen Mega-Jahrgänge erfüllten die zugesagten Vertragskriterien und bekamen einen Ausbildungsplatz angeboten. Rund 50 Prozent machten von dem Angebot Gebrauch, die übrigen entschieden sich für einen Platz auf einer weiterführenden Schule.

"Die Schüler bekommen nicht für Nichts eine Garantie", sagt Peter Hauck. Netter Nebeneffekt des Mega-Projekts: Die Initiative wirkt so anziehend, dass die Schülerzahlen der Geschwister-Scholl-Hauptschule wieder angestiegen sind.

Kurz gefragt

Motivierte Mitarbeiter sind ein Segen für jedes Unternehmen. Sich zu besonders guten schulischen Leistungen zu motivieren, müssen die Teilnehmer an der "Meckenheimer Garantie für Ausbildung" (Mega) schwarz auf weiß garantieren.

Doch welchen Nutzen haben die teilnehmenden Arbeitgeber von den Mega-Schülern? Mit Suzan Hillmann, eine von zwei Geschäftsführern des Meckenheimer Haarsalons "Hair-Magic" sprach Mario Quadt.

Seit nunmehr fünf Jahren gibt die Ausbildungsaktion Mega in Meckenheim. Mit Viktoria Milke absolviert eine Mega-Schülerin der ersten Stunden ihre Ausbildung in Ihrem Betrieb. Wie bewerten Sie das Projekt?
Suzan Hillmann: Ich bin sehr davon angetan - zumal ich selbst früher die Hauptschule besucht habe. Ich finde, man sollte jedem Kind eine Chance geben. Es ist nicht richtig, wie mit Kindern von der Hauptschule umgegangen wird.

Wodurch zeichnet sich das Wesen eines Mega-Schülers besonders aus?
Hillmann: Sie sind in besonderer Weise praktisch veranlagt. Sie können nichts dafür, dass sie abgestempelt werden. Wir hatten auch mal eine Gymnasiastin hier - das hat in vielerlei Hinsicht nicht so gut gepasst.

Ihre Mega-Schülerin Viktoria Milke hat - so Gott will - Ende des Monats ihren Gesellenbrief in der Tasche. Würden Sie wieder Mega-Schüler nehmen?
Hillmann: Auf jeden Fall. Was in unserer Branche zählt, ist die Begabung zum Handwerk und die Art, auf Menschen zugehen zu können - und nicht die Schule, von der die Bewerber stammen.

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