Meckenheim und Merl Die "Schlafstadt" für Bonn

MECKENHEIM · Es war eine gigantische Aufgabe, die Politiker und Stadtplaner in der noch jungen Bundesrepublik zu bewältigen hatten. Denn nachdem sich zeigte, dass Bonn nicht länger Provisorium, sondern die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland sein soll, zogen Tausende Menschen in die Region.

Das Ruhrfeld, hier eine Luftaufnahme von 1971, war eines der ersten Meckenheimer Neubaugebiete, in das Menschen aus der ganzen Bundesrepublik zuzogen.

Das Ruhrfeld, hier eine Luftaufnahme von 1971, war eines der ersten Meckenheimer Neubaugebiete, in das Menschen aus der ganzen Bundesrepublik zuzogen.

Foto: Hamburger Aero-Lloyd Gmbh/ Stadt Meckenheim

Die Ministerialbürokratie wurde ausgebaut, Diplomaten, Journalisten, Lobbyisten und Bundesbedienstete nahmen ihre Arbeit am Rhein auf. Und was hauptsächlich nötig war, waren Wohnungen. In Bonn und der Region musste dafür gesorgt werden, den Zuzug planmäßig umzusetzen.

Es sollten neue, leistungsfähige Zentren entstehen. Im Linksrheinischen rückten Meckenheim und Merl für den Siedlungsbau stark in den Fokus. So wurde am 14. März 1962 die Entwicklungsgesellschaft Meckenheim-Merl mbH gegründet.

"Das lief alles sehr langsam und war nicht so, dass über Nacht überall die Bagger hereinströmten", sagt Ingrid Sönnert, Stadtarchivarin in Meckenheim. Vielmehr sei sehr viel Vorplanung nötig gewesen, denn für eine derartige Entwicklung gab es keine Vorbilder.

"Und auch nicht alle waren begeistert von den Plänen", so Sönnert. Als 1969 die kommunale Neugliederung kam, wurde Merl Teil von Meckenheim. "Der Merler Bürgermeister Heinz Gottschalk wollte nicht, dass das Merler Geld nach Meckenheim floss. So verteilte er auf der Kirmes zehn Mark an jeden Merler. Danach war das ganze Kapital aufgebraucht", berichtet die Stadtarchivarin.

[kein Linktext vorhanden]Nach 1969 wurde dann die Planung eines zweiten Zentrums in Meckenheim vorangetrieben. Gutachter gingen in ihren kühnsten Berechnungen davon aus, dass Meckenheim einmal 40.000 Einwohner haben könnte - tatsächlich waren es Ende 2012 rund 25.500.

Wie sich Meckenheim seit den 60er Jahren entwickelte
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"Dafür gab es keine ausreichende Infrastruktur. Eine Versorgung der Bevölkerung wäre nach dem damaligen Stand nicht möglich gewesen", sagt Sönnert. So waren Stadtrat und Verwaltung gefordert: Sie mussten die Bedingungen schaffen, die Infrastruktur für eine neue Stadt mit Schulen, Kindergärten, Spielplätzen, Straßen, Wasser- und Wärmeversorgung. Sogar ein neuer Friedhof musste eingerichtet werden, da der vorhandene an der Bonner Straße nicht mehr ausreichte.

"Man kann durchaus sagen, dass Meckenheim eine Stadt vom Reißbrett ist - im positiven Sinne. Denn sie wurde nach zeitgemäßen und modernen Gesichtspunkten geplant: mit einer unvergleichlichen, vielseitigen Architekturlandschaft, einem vorbildlichen Rad- und Fußwegenetz und überdurchschnittlich viel städtischen Grün- und Freizeitflächen", sagt Bürgermeister Bert Spilles.

Die ersten Neubaugebiete entstanden im Ruhrfeld und in Merl-Lehmwiese. "Da, wo vorher Wiesen waren, zogen nun Menschen aus der ganzen Bundesrepublik zu. Mit ihrer eigenen Kultur und Geschichte. Plötzlich hörte man einen anderen Zungenschlag", sagt Sönnert. Die ersten evangelischen Bürger zogen zu, eine Kirche wurde gebaut. "Da kann man sich vorstellen, dass die Veränderungen für einige einen regelrechten Kulturschock bedeuteten", berichtet die Stadtarchivarin.

"Eine Beurteilung im Nachhinein ist immer schwierig, denn nachher ist man immer schlauer", sagt Spilles. Doch der Stadt bekomme es heute gut, dass der ursprünglich von der Entwicklungsgesellschaft und der Planungsgemeinschaft vorgesehene Verteilschlüssel 30 Prozent Wohnungen in Einfamilienhäusern und 70 Prozent Wohnungen in Mehrfamilienhäusern aufgrund neuer Prognosen ab 1974 genau umgekehrt zur ursprünglichen Planung umgesetzt wurde, so der Bürgermeister.

Für die Zukunft gebe es drei große Herausforderungen: den demografischen Wandel, die ungewisse Finanzsituation sowie umweltpolitische Herausforderungen, wie die energetischen Optimierungen der städtischen Immobilien.

Wie sieht der Bürgermeister Meckenheim in zehn Jahren? "Die derzeit im Bau oder Planung befindlichen Wohnbaugebiete sind von Neubürgern bewohnt, die Erweiterung des Industrieparks wird von ortsansässigen und neuen Unternehmen angenommen und der Ruf Meckenheims als liebens- und lebenswerte, familienfreundliche Stadt im Grünen vor den Toren Bonns hat sich weit über die Region hinaus gefestigt", sagt Spilles. Die Voraussetzungen seien da. "Mir gefallen drei Dinge besonders an Meckenheim: die Menschen, die Lage und die Äpfel", bekennt der Bürgermeister.

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