Interview mit dem Meckenheimer Diakon Michael Lux "Erschreckend viele Bedürftige"

Diakon Michael Lux ist Caritasbeauftragter in der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim und hat die Caritassprechstunde eingeführt, in der Menschen in akuten finanziellen Engpässen geholfen wird. Über Armut in Meckenheim sprach er mit Bettina Thränhardt.

 "Die Bedürftigen haben keine Lobby", bedauert Diakon Michael Lux.

"Die Bedürftigen haben keine Lobby", bedauert Diakon Michael Lux.

Foto: Vogel

Sie kamen vor drei Jahren als Diakon aus der Endenicher Pfarrgemeinde nach Meckenheim. Was ist Ihnen aufgefallen?

Michael Lux: Hier in Meckenheim entstehen viele Neubaugebiete, das heißt, viele junge Familien haben ein Auskommen. Wenn man sich Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung anguckt, geht es den Menschen in Meckenheim sogar überdurchschnittlich gut. Der Mittelwert des verfügbaren Einkommens pro Einwohner liegt in Deutschland bei 19 684 Euro, in Meckenheim bei 22 340 Euro. Auf der anderen Seite finde ich es erschreckend, wie viele Menschen hier bedürftig sind.

In der Caritas-Sprechstunde bieten Sie zweimal pro Woche Beratung. Welche Erfahrungen machen Sie?

Lux: Die Leute freuen sich sehr über Lebensmittelgutscheine. Das kannte ich aus Endenich kaum. Dort wäre die Scham zu groß gewesen, mit einem Lebensmittelgutschein einkaufen zu gehen. Dann fiel mir auf: Es kommen wenige alte Menschen, für sie ist es wohl eine besonders große Hürde, um Hilfe zu bitten. Zu uns kommen vor allem Hartz IV-Empfänger, insbesondere Alleinerziehende oder Familien.

Was bieten Sie den Hilfesuchenden in Ihrer Sprechstunde an?

Lux: Was wir machen, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Gerade in den Familien gibt es oft multiple Probleme. Wir können nur die akute Not lindern. Oft vermitteln wir an die Sozial- oder die Schuldnerberatung oder an die anderen professionellen Dienste des Caritasverbandes.

Welche Probleme gibt es darüber hinaus?

Lux: Bei alten Leuten ist die Medikamentenzuzahlung ein Problem. Familien kommen oft mit Stromrechnungen zu uns. Manche heizen zum Beispiel ihre Vier-Zimmer-Wohnung mit einer Nachtspeicherheizung. Da gibt es manchmal Nachforderungen in vierstelliger Höhe. Bei manchen Familien ist der Strom schon abgestellt, und sie heizen dann mit mobilen Gasheizungen, für die sie Gasflaschen kaufen müssen.

Wie kommt es zu Nachforderungen in dieser Höhe?

Lux: Die Leute sind überfordert mit den Rechnungen. Sie haben nicht das Geld zu bezahlen, haben aber auch keine andere Lösungsstrategie. Zum Beispiel schaffen sie es nicht, sich an den Stromanbieter zu wenden und um Ratenzahlung zu bitten. Auch in die Caritas-Sprechstunde im Pastoralbüro zu kommen, kostet sie viel Überwindung.

Im Hartz IV-Regelsatz sind ja schon Pauschalen für außergewöhnliche Belastungen eingerechnet. Sind die Leute damit nicht gut versorgt?

Lux: Ein Alleinstehender bekommt seit dem 1.1.2014 für seinen Regelbedarf 391 Euro über die Miete hinaus. Darin ist eine Pauschale von 29,64 Euro für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände enthalten. Wenn diesen Menschen die Waschmaschine kaputt geht, kommen sie zu uns. Denn woher sollen sie das Geld nehmen?

Was können Sie dann tun?

Lux: Wir fragen die Leute dann, welche Summe sie selber aufbringen können und suchen mit ihnen billige Angebote oder schicken sie ins Sozialkaufhaus in Bad Godesberg. Wichtig ist mir immer: Das Geld, das wir dazugeben, kommt nicht aus der Kirchensteuer. Was wir den Bedürftigen geben, haben unsere Sammler ersammelt, man könnte fast sagen, erbettelt.

Wie gehen Sie bei der alljährlichen Spendensammlung vor?

Lux: Unsere ehrenamtlichen Sammler gehen von Haustür zu Haustür. Manche machen das schon viele Jahre. Zum Teil sind sie über 70 Jahre alt und gehen trotz der Kälte sammeln. Ich bewundere das Engagement unserer Gemeindemitglieder. Letztes Jahr hatten sie es recht schwer, einer wurde gefragt: Sammeln Sie für Limburg? Uns ist es wichtig zu sagen: 95 Prozent des Sammelergebnisses bleibt in Meckenheim. Fünf Prozent des Geldes gehen an den Caritasverband.

Wie viel kommt bei so einer Spendensammlung zusammen?

Lux: Im letzten Jahr waren es etwa 17 000 Euro. Damit müssen wir in der Sprechstunde aber auch ein ganzes Jahr auskommen. Davon müssen wir auch Einzelfallhilfen in extremen Notlagen leisten.

Haben Sie den Eindruck, dass die Armut größer wird?

Lux: Früher waren die Hilfen in dem Maße nicht nötig, es gab mehr Beihilfen. Ich kenne zwar keine konkreten Zahlen, aber mir fällt auf, dass die Bedürftigen kommen. Ich bin mitunter schockiert, wie viele es sind. Manchmal sitzt ein junger Mensch vor mir, der keinen Schul- und keinen Berufsabschluss hat und damit auch keine Zukunft. Es gibt zu wenig Chancen. Wir von der Pfarrcaritas können die Leute nur übers nächste Wochenende bringen. Die Politik ist gefordert, die Probleme an der Wurzel zu fassen. Aber die Bedürftigen haben keine Lobby. Wer setzt sich für sie ein?

Zur Person

Michael Lux (55) ist seit 2011 Diakon in der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim, zu der die Pfarreien Meckenheim, Merl, Lüftelberg, Wormersdorf und Ersdorf/Altendorf gehören. Er machte zunächst eine Ausbildung als Krankenpfleger und holte auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur am Erzbischöflichen Friedrich Spee-Kolleg in Neuss nach. Später absolvierte er die Ausbildung zum Diakon am Erzbischöflichen Diakoneninstitut in Köln. Nach seiner Weihe 1994 arbeitete er in Neuss und Bonn, bis er nach Meckenheim wechselte. Lux ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Die Sprechstunde

Die Caritas-Sprechstunde der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim von Diakon Michael Lux findet am Dienstag und Freitag zwischen 10 und 11 Uhr im Pastoralbüro, Hauptstraße 86, statt.

Ab 8. Januar bieten fünf Ehrenamtliche im Pfarrzentrum Merl am Zypressenweg 4 immer donnerstags zwischen 10 und 11 Uhr eine zusätzliche Caritas-Sprechstunde an. Sie haben sich mit einem Kursus von Annegret Kastorp von der Gemeindecaritas Meckenheim auf ihr neues Amt vorbereitet.

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