Gelebte Inklusion in Meckenheim Erste Auszubildende mit Down-Syndrom arbeitet im Café Sofa
Meckenheim · Das Inklusive Café Sofa beschäftigt seit kurzem seine erste Auszubildende mit Behinderung. Warum man dort schon über ein „Frühstück Lina“ auf der Karte nachdenkt.
Rezept prüfen, Zutaten bereitstellen, loslegen: Das ist der Arbeitsablauf von Lina Hagemann im Café Sofa, wo die 23-Jährige seit kurzem Kuchen und Brötchen zubereitet. „Kochen und Backen macht mir Spaß, das möchte ich als Beruf machen“, sagt die junge Frau mit Behinderung. Trotz verschiedener Einschränkungen – unter anderem ist sie schwerhörig – schreckt sie auch vor konditorischen Herausforderungen nicht zurück: Am liebsten backt sie „Schneewittchenkuchen“, eine anspruchsvolle dreistöckige Kirschtorte. In der inklusiven Gastronomie an der Hauptstraße absolviert die 23-Jährige den Praxisteil ihrer Berufsausbildung im Bereich Hauswirtschaft. Für das Team im Café Sofa sei es die erste Ausbildungskooperation in dieser Form mit den Bonner Werkstätten, sagt Elke Steckenstein, die Leiterin des Cafés.
Ob herzhafte Kräuterdips, Salate, süße Kuchen oder Brötchen fürs Frühstück: Lina Hagemann bereitet alles zu, wenn das passende Rezept vorhanden ist. Ihre Leidenschaft für die Herstellung von leckeren Lebensmitteln hatte sie in der Anfangszeit der Pandemie entdeckt, berichtet Linas Mutter Silke Hagemann. „Die Werkstatt war geschlossen, sie war zu Hause und wollte sich beschäftigen“, erzählt sie. Weil die junge Frau mit dem Down-Syndrom geboren wurde und deshalb in einigen Lebensbereichen Barrieren begegnet, erhält sie viel Unterstützung von ihrer Familie.
Freude am Backen für andere
Lina sei schon immer sehr technikaffin gewesen, so Silke Hagemann. Daher habe sie sich mit ihrer Tochter zusammen die Funktionsweise des Herds und des Ofens angesehen und ihr die Einstellungen genau erklärt. So erkannte die junge Bäckerin schnell, wie man genaue Backzeiten am Herd einstellet. „So kann sie sicher sein, dass das Gerät automatisch abschaltet, sobald die Mahlzeit oder der Kuchen gar ist“, erklärt Silke Hagemann. Anfangs buk die 23-Jährige in der Hauptsache Brötchen für die Familie – und gleich noch für die Nachbarschaft.
Weil Lina Hagemann daran so große Freude hatte und immer routinierter zu Werke ging, wurden es mir der Zeit immer mehr Brötchen. „Die Leute haben ihr dann irgendwann das Geld für die Zutaten gegeben, wenn sie Brötchen bekommen haben“, erinnert sich ihre Mutter. Die Erfahrung, etwas gut zu können und dafür etwas zu bekommen, sei für die 23-Jährige ein besonderer Motivationsschub gewesen. „Kurz danach hat sie beschlossen, auch Kuchen zu backen und warme Speisen zuzubereiten“, erzählt Silke Hagemann weiter. Das sei so weit gegangen, dass die Familienmitglieder, wenn sie am späten Nachmittag von der Arbeit kam, manchmal vor einem kompletten Menü saßen.
Lina Hagemann wollte im Café Sofa arbeiten
„Lina hat dann beschlossen, dass sie genau das beruflich machen will“, erzählt sie von der Entscheidung ihrer Tochter. Für den praktischen Teil ihrer dreijährigen Ausbildung wünschte sich die junge Frau, im Café Sofa an der Meckenheimer Hauptstraße zu arbeiten. Zuerst erhielt sie dort eine Praktikumsstelle und arbeitete probeweise. Schließlich gab es die Möglichkeit, sich für eine Ausbildungsstelle zu bewerben, die teils in der Werkstatt, teils praxisorientiert im Café stattfindet. „Da hat Lina sich gleich beworben“, sagt Silke Hagemann.
Für das Team um Elke Steckenstein ist Lina Hagemann als erste Auszubildende ein Novum in dem inklusiven Café. „Wir sind froh, dass Lina da ist, sie ist eine echte Bereicherung“, lobt die Chefin. Jeden Mittwoch backt die 23-Jährige einen Kuchen und bereitet herzhafte Gerichte wie Salate oder Kräuterdips zu. „Wir überdenken zurzeit, ob man das ausweiten kann und Lina auch freitags hier mitarbeiten kann“, sagt Steckenstein. Denkbar sei, dass auf der Speisekarte für den Samstag irgendwann das „Frühstück Lina“ stehe, für das die Auszubildende dann eigenverantwortlich arbeite.
„Ziel hier im Café ist, Menschen zu integrieren, teilhaben zu lassen und sie zu fördern, egal ob mit oder ohne Handicap“, betont Elke Steckenstein. Im Fall von Lina Hagemann funktioniere das bestens: „Sie findet sich sehr gut zurecht, arbeitet fleißig und zielgerichtet. Genau das brauchen wir hier.“ Mit den Geräten in der Küche habe sich die neue Auszubildende zügig vertraut gemacht. „Wir haben die Rezepte so gestaltet, dass Lina gut mit ihnen arbeiten kann“, nennt Steckenstein einen Mosaikstein der Förderung. Mit dieser Arbeitshilfe könne die zukünftige Hauswirtschafterin selbstständig und mit sehr guten Ergebnissen arbeiten. Die 23-Jährige hat auch außerhalb der Küche schon etwas bewirkt: Ihre Chefin ist nach den Erfahrungen mit Lina Hagemann weiteren Kooperationen mit Trägern wie den Bonner Werkstätten nicht abgeneigt.