Wohnen in alten Mauern Fachwerkhof aus 16. Jahrhundert in Heimerzheim wird saniert

SWISTTAL-HEIMERZHEIM · Ansgar Wiesemann hat für 1,3 Millionen Euro einen alten Fachwerkhof aus dem 16. Jahrhundert in Heimerzheim saniert. Sein Ziel ist es, „Gemeinschaftliches Wohnen für Senioren“ zu schaffen.

 Ansgar Wiesemann restauriert mit großem Aufwand einen alten Fachwerkhof an der Kirchstraße in Heimerzheim

Ansgar Wiesemann restauriert mit großem Aufwand einen alten Fachwerkhof an der Kirchstraße in Heimerzheim

Foto: Axel Vogel

Es ist auf den ersten Blick verwirrend, die Baustelle an der Kirchstraße zu betreten. Überall Metallstützen und freigelegte Fachwerkbalken, scheinbar wahllos verteilt wie ein Labyrinth. Die Außenwände wirken nackt ohne die Füllung der Gefache, im Obergeschoss hängt ein einsames Fenster.

Dazwischen wuseln Arbeiter ausgesprochen zielgerichtet umher. Es tut sich viel hinter den Planen, denn hier lässt Ansgar Wiesemann einen Hof sanieren, der älter ist, als die Aufschrift über dem Hoftor verkündet. „Anno 1724 hat Petrus Radermacher und Maria Zimmermans Eheleut mich gebaut“, ist in einen Balken eingeschnitzt. Das Datum bezieht sich aber nur auf die letzte Erweiterung des ehemaligen Bauernhofes. Die ältesten Teile, so hat die Bauforschung des LVR-Amtes für Denkmalpflege herausgefunden, stammen aus dem 16. Jahrhundert.

„Hier sind drei Jahrhunderte unterschiedlicher Fachwerkkunst“, erzählt Bauherr Wiesemann stolz, während er geschickt durch die Baustelle führt. Das Haus steht unter Denkmalschutz und muss fachgerecht erneuert werden. Hauptgrund dafür sind die sogenannten Kölner Decken – mit weißem Putz kunstvoll verkleidete Holzbalkendecken, die auf jeden Fall erhalten bleiben. Und auch sonst wird so viel von der ursprünglichen Substanz genutzt wie möglich.

Küchenraum befand sich im ältesten Hausteil

Ein wurmstichiger Balken fällt ins Auge – und die Frage, ob der das Haus halten wird. Wiesemann beruhigt. Was nun noch da sei, sei sehr stabil. Eichenbalken sind zäh. „Im Innenleben können die noch Jahrhunderte tragen.“ Wo das nicht mehr sicher war, wurden nur die betroffenen Stücke ersetzt – oftmals mit Balken, die an anderer Stelle im Haus aus verschiedenen Gründen abgebaut wurden. Auch alle Feldbrandsteine, die im Bau gefunden oder abgebaut werden, hebt Wiesemann auf, um sie wieder einzusetzen. „So hat man das schon im 16. Jahrhundert gemacht.“

Im ältesten Hausteil an der Ecke zur Buschgasse kann man schon erkennen, wo einst der Küchenraum war. Die Esse über dem ehemaligen großen Herd ist wieder angedeutet. Ein offenes Feuer wird hier jedoch nie wieder brennen, es ist heute verboten. Früher wärmte der Küchenherd, neben dem ein im Keller aufgemauerter Backofen noch gut sichtbar ist, auch die Wand zur guten Stube nebenan.

Dem einzigen unterkellerten Raum, wie Wiesemann erklärt. „So blieb die Bodenfeuchtigkeit fern.“ Die Besitzer der Anlage, die seit 1687 überliefert sind, waren keine armen Bauern, sondern gehörten als Halbwinner, Pächter mit besonderem Pachtvertrag, der ländlichen Oberschicht an. „Der Hof unterlag nicht der Erbteilung“, so Wiesemann. Auch daher sei die Anlage über die Jahrhunderte so groß geworden.

Wo der Herd stand, spielte sich damals das Leben der Hausgemeinschaft ab – und so soll es bald auch wieder sein. „Gemeinschaftliches Wohnen für Senioren“ nennt Wiesemann sein Ziel. Individualräume und Gemeinschaftsbereiche entstehen nun in dem Denkmal. Ein Aufzug vom Gewölbekeller bis in den ersten Stock wird eingebaut, aber komplett barrierefrei kann so ein Objekt nicht werden. Der historische Türrahmen zur guten Stube ist nun einmal nur 63 Zentimeter breit, ein oder zwei Schwellen im Gebäude werden bleiben müssen. „Barrierearm“, so plant Wiesemann, der als Inhaber eines Ingenieurbüros schon ähnliche Projekte realisiert hat.

Die Hofanlage ist ein Liebhaberstück

Die Hofanlage ist für den Heimerzheimer vor allem ein Liebhaberstück. Das merkt man an der Begeisterung, mit der er auf etliche Details im Baustil oder der technischen Ausführung hinweist. Und an der Zusatzarbeit, die er auf sich nimmt. Der 58-Jährige kennt jeden historischen Baustoffhandel in der näheren und fernen Umgebung, hat über das Internet beispielsweise eine Blaustein-Abdeckung für den alten Brunnen im Hof aufgetrieben. Aus Reststücken der Hausbalken hat Wiesemann außerdem eine 4,20 Meter lange Tischplatte anfertigen lassen. Sie kommt in den Gewölbekeller, als Herzstück eines Gemeinschaftsraumes.

Kniffelig ist es dabei, die alte Pracht mit modernen Anforderungen in Einklang zu bringen. „Wir müssen die Energiesparverordnung von 2016 einhalten“, so der Bauherr, der gerne auf Fachfirmen aus dem Ort setzt. Zimmermann Jürgen Luppus beispielsweise hat die komplizierten Holzarbeiten übernommen. Auch die Abstimmung mit der Denkmalbehörde in der Gemeinde sei absolut konstruktiv und vorbildlich.

Laut Wiesemann weiß man dort: „Ein Denkmal ist nur dann gesichert, wenn es auch genutzt wird.“ Dazu gibt es unterdessen die entsprechenden Baustoffe wie Bausteine aus Lehm und Stroh, mit denen die Gefache aufgefüllt werden, wenn für die Sanierung das historische Geflecht herausgenommen werden musste. Alte Kuhstallfenster erhalten zusätzliche Scheiben zur Wärmedämmung.

Ganz ohne persönliches Interesse ist so ein Projekt trotzdem nicht einfach. 1,8 Millionen Euro sind der Kostenansatz, der für den Bauantrag berechnet wurde. „Ohne die niedrigen Zinsen wäre das gar nicht möglich.“ Wiesemann denkt hierbei in die Zukunft. Er und seine Frau sind in Heimerzheim angekommen und wollen auch im Alter bleiben. Vielleicht nutzen sie irgendwann eine der Wohneinheiten selbst.

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