Gespräch am Wochenende Hidayet Tasans Skulpturen spiegeln die Menschheitsgeschichte

Im Meckenheimer Atelier des türkisch-stämmigen Künstlers Hidayet Tasan (40) koexistieren unterschiedliche Epochen, Künstler, Stile und Materialien. Ein beängstigend echt wirkendes Glasauge stiert den Betrachter aus noch hohlem Gipsschädel an.

 Feinarbeit: In seinem Meckenheimer Atelier erschafft der Künstler Hidayet Tasan unter anderem Gipsschädel.

Feinarbeit: In seinem Meckenheimer Atelier erschafft der Künstler Hidayet Tasan unter anderem Gipsschädel.

Foto: Inga Thulfaut

Daneben ein hölzerner Schlangenmensch aus der griechischen Mythologie, ein römischer Gladiator aus Sandstein, ein tönerner Teufel und ein lebensgroßer altägyptischer Grabwächter als Flachrelief aus Muschelkalk mit Blattgold. Über seine künstlerischen Ziele und seine humanistische Vision sprach der bildende Künstler mit Inga Thulfaut.

Der "Oberkasseler Mensch", dieser Skelettfund von 1914 eines Mannes, einer Frau und eines Hundes von vor etwa 12.000 bis 15.000 Jahren, inspiriert Sie schon lange. Jetzt geben Sie ihm Gestalt?
Tasan: Ja, nach langem Anlauf will ich dieses lang gehegte Projekt endlich verwirklichen. Mir schweben lebensechte Wachsfiguren mit eingenähten Haaren und natürlich gefärbter Haut vor. Dank der vom Mineralogischen Institut zur Verfügung gestellten Schädel-Gipsabdrücke habe ich derzeit die Köpfe in Arbeit.

Was fasziniert Sie an diesem Sujet?
Tasan: Schon seit meiner Kindheit interessiere ich mich für die Menschheitsgeschichte, für Hochkulturen und Fragen der Evolution. Das hängt vielleicht mit meiner Heimat zusammen: Konya ist eine sehr alte Stadt mit einer langen Geschichte und vielen Einflüssen in der Nähe von Ankara.

Als Autodidakt haben Sie sich großes historisches, kulturelles und auch anatomisches Wissen angeeignet. Inwiefern schlägt sich das in Ihrer Kunst nieder?
Tasan: Auf vielfältige und elementare Weise: Beispielsweise lasse ich die altägyptische Schriftkunst, deren Hieroglyphen ich mir selbst angeeignet habe, als geheime Schriftzeichen einfließen. Und die Ornamentik der alten Römer ziert meinen Gladiator aus Sandstein. Von den historischen Hochkulturen können wir heute noch so viel lernen, beispielsweise die moderne Architektur von den Grabkammern der Ägypter.

Zieht sich also bei aller Unterschiedlichkeit der einzelnen Kunstwerke ein roter Faden durch Ihr Werk?
Tasan: Ja, viele meiner Kunstwerke sind Teil meines großen Projekts "Säule der Kulturgeschichte". Darin bereite ich die Evolution von den ersten Menschen vor 34 Millionen Jahren bis hin zur Gegenwart und zu zukünftigen Visionen vom Ende der Menschheit auf.

Woher rühren die Endzeitvisionen?
Tasan: Von meiner Sorge um den Frieden. Dem Fortschritt wohnt viel Segen, aber auch große zerstörerische Kraft inne. Ich kämpfe etwa gegen Atomwaffen.

Welche künstlerische Botschaft verkünden Sie als Fazit der Evolution?
Tasan: Der Mensch hat sich so lange weiterentwickelt, hat so faszinierende Kulturen und Errungenschaften hervorgebracht - das dürfen wir nicht mit einem Schlag vernichten. Mit meiner Teufelsfigur appelliere ich zum Beispiel an den Betrachter, das Böse aus sich herauszuschmeißen, den Teufelspakt zu kündigen. Und mit meiner Skulptur "Die kreative Hand" setze ich dem menschlichen Schaffenspotenzial ein Denkmal.

Welche Pläne verfolgen Sie neben der "Säule der Kulturgeschichte" noch?
Tasan: Ich wünsche mir Kooperationen mit Wissenschaftlern, Architekturbüros oder Gerichtsmedizinern, um mein Wissen zu vertiefen und weiterzugeben. Wissensaustausch ist elementar für mich: In Form von Bildhauer- und Töpferkursen gebe ich bereits viel weiter; und meine Neandertaler-Skulptur habe ich dem Paläontologischen Institut in Bonn gespendet. Umgekehrt freue ich mich meinerseits über jede Unterstützung und Kooperation.

Was ist Ihr größter Traum?
Tasan: Ein eigenes Museum.

Zur Person
Hidayet Tasan wurde 1973 im türkischen Konya geboren und kam 1992 ins Rheinland, wo er die Bildhauerschule Bonn besuchte und bald in den Bann des "Oberkasseler Menschen" geriet. Der archäologische Fund von 1914 inspiriert ihn bis heute zu einer künstlerischen Rekonstruktion und Eingliederung dieser Homo-sapiens-Frühform in seine "Säule der Kulturgeschichte".

Tasan wohnt mit seiner Familie in Troisdorf und fertigt als Broterwerb auch künstlerische Fliesen-Mosaike und Kaminofendekorationen an. Eine eigene Ausstellung präsentierte er zuletzt 2009 im Troisdorfer Rathaus.

Wer sich näher für das Werk des Künstlers interessiert und möglicherweise sogar eine wissenschaftliche Kooperation anbieten kann, kontaktiert Tasan unter der Telefonnummer 0177/9701643 im Haus der Hochkulturen, Atelier am Wiesenpfad 12a in Meckenheim, oder per E-Mail an info@tasan-kunsthaus.de, www.tasan-kunsthaus.de.

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