Hochwasservorsorge Rhein-Sieg-Kreis untersucht Altendorfer Bach

Meckenheim-Altendorf · Nach der Flut hatten Anwohner in Altendorf und Ersdorf eine Gewässerschau gefordert, jetzt ist diese endlich erfolgt. In den Ortsteilen gibt es nach wie vor Kritik an mangelnder Transparenz der Verwaltung.

 Arbeiter einer Fachfirma befreien im August den Durchlass unter der Brücke zwischen Burgstraße und Roßkamp von Geröll – zum ersten Mal, sagen kritische Stimmen im Dorf.

Arbeiter einer Fachfirma befreien im August den Durchlass unter der Brücke zwischen Burgstraße und Roßkamp von Geröll – zum ersten Mal, sagen kritische Stimmen im Dorf.

Foto: Axel Vogel

Lange hatten es Anwohner und auch die Stadt Meckenheim eingefordert, jetzt hat der Rhein-Sieg-Kreis zusammen mit Vertretern der Stadtverwaltung den Altendorfer Bach einer Gewässerschau unterzogen. Begleitet unter anderem von einem Experten der Ingenieurgesellschaft Hydrotec lief die in neonfarbene Warnwesten gekleidete Gruppe den Bach von der A 61 bis zur Altendorfer Mühle ab. Ein Bachabschnitt von insgesamt drei Kilometern Länge gilt als eine der Gewässerstrecken mit „hohem Schadenspotenzial“, der die Kreisverwaltung laut einer offiziellen Liste höchste Priorität bei der Hochwasservorsorge zuerkennt, zusammen mit 13 weiteren Gewässerabschnitten (zusammen 15 Kilometer) in besiedelten Gebieten, darunter auch 1700 Meter des Ersdorfer Bachs.

Begehungen wie jetzt am Donnerstag in Meckenheim-Altendorf stellen für den Kreis eine der wichtigsten Säulen bei dieser Aufgabe dar. Zum einen, erklärt die Kreisverwaltung auf GA-Anfrage, gehe es dabei um „Umgestaltung oder bauliche Maßnahmen“ von Anliegern, die bei Hochwasserereignissen ein „gefährliches Eigenleben“ entwickeln können. Zeugen der Flut im Juli 2021 können bestätigen, dass die Wassermassen in einem solchen Fall auch größere Objekte wie Gartenhütten mitreißen, was unter anderem die Gefahr birgt, dass wichtige Durchflüsse verstopfen. Der Kreis nennt ferner Treppenanlagen, Mauern, Anschüttungen, Terrassen und Komposthaufen als typische Beispiele für potenziell problematische Eingriffe von Bürgerinnen und Bürgern im Uferbereich.

Dem Kreis fehlt Personal für die Flutvorsorge

Nach der Starkregenkatastrophe wurde in vielen Kommunen der Ruf nach einer sofortigen Überprüfung laut, die meisten mussten sich jedoch gedulden. Als Hauptgrund für die Verzögerung nannte der Rhein-Sieg-Kreis Personalmangel. Weil schnell klar war, dass die Gewässer im Kreisgebiet nur nach und nach abgearbeitet werden können, verlegte man sich auf das Erstellen einer Prioritätenliste. Das Ergebnis sind zwei Tabellen: Neben der oben genannten mit hohem Schadenspotenzial, die insgesamt 27 Kilometer Gewässerstrecke umfasst, benennt eine zweite Liste insgesamt 74 Kilometer besiedelte Uferbereiche, die bei Flutereignissen grundsätzlich Gefahren für Menschenleben und Eigentum bergen.

Bei der Gewässerschau stehen nicht nur bauliche Eingriffe von Anliegern im Fokus, auch der Zustand des Altendorfer Bachs insgesamt wurde am Donnerstag begutachtet. Unterm Strich, so war es inoffiziell aus Kreisen der Beteiligten zu vernehmen, falle der Befund wenig alarmierend aus. Einzelne Anwohner dürften vom Rhein-Sieg-Kreis im Nachgang Post bekommen mit der Aufforderung, bestimmte Anbauten zu entfernen oder zu verlagern. Zu Streit soll es Zeugen zufolge jedoch nicht gekommen sein. „Sollte es mit den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern keine Einigung geben, kann der Rhein-Sieg-Kreis einen eventuellen Rückbau verwaltungsrechtlich einfordern. Das ist aber eigentlich nicht notwendig, da sich die Betroffenen meist einsichtig zeigen“, so der Kreis.

Ergebnisse der Begehung werden nicht veröffentlicht

Für Unmut sorgt eher, dass nicht alle Anwohner zu der Bachbegehung eingeladen worden waren. Maßgeblich ist dafür aus Sicht des Kreises nicht, wer bei einem Hochwasser betroffen wäre, sondern nur, wer als unmittelbarer Anlieger bei der Vorsorge zum Handeln aufgefordert sein könnte. Weil bei der Gewässerschau Privatgelände betreten werde, könne diese nicht als öffentliche Veranstaltung vollzogen werden, erklärt der Kreis, aus demselben Grund würden die Ergebnisse nicht veröffentlicht.

Auch die Stadt Meckenheim zieht es offenbar vor, in der Sache diskret zu verfahren – Gespräche über eine Terminfindung für die Begehung hatte der Technische Beigeordnete Heinz-Peter Witt bereits im August im Umweltausschuss angekündigt, ein Hinweis auf die Aktion am Donnerstag lag unserer Redaktion von offizieller Seite jedoch nicht vor. Auf Anfrage kommentiert Bürgermeister Holger Jung, der ebenso wie Witt persönlich dabei war, im Nachgang: „Für alle Beteiligten war die Begehung des Altendorfer Baches sehr aufschlussreich und erkenntnisreich. Es liegen nun konkrete Maßnahmen für die Anliegenden und die Verwaltung vor, die sukzessive abgearbeitet werden.“

Mangelhafte Transparenz ist einer der Hauptvorwürfe, den Anwohner seit der Flutkatastrophe gegen die Meckenheimer Verwaltung erheben. Ebenso steht die Behauptung im Raum, die Stadt habe die Durchlässe unter den Brücken in den Ortsteilen vorher noch nie von Geröll und Treibgut befreit, jedenfalls nicht annähernd in dem Maße wie Anfang August, als Arbeiter mit schwerem Gerät anrückten und Tonnen von Material aus dem Bachbett holten. Bislang zieht sich die Verwaltung auf die Aussage zurück, die Gewässerpflege sei stets vorschriftsgemäß erfolgt. Einen Beleg dafür ist die Stadt bis heute schuldig. Auch eine ungefähre Angabe, wann eine solche Maßnahme das letzte Mal erfolgt ist, sei nicht möglich, hieß es.

Die Stimmung in den Ortsteilen ist gereizt

Das Verhältnis zwischen der Verwaltung und einem Teil der Anwohner in den Ortsteilen ist daher noch immer gespannt. Die Erleichterung darüber, dass die Behörden bei der Gewässerpflege tätig geworden sind, verpufft bei manchen gänzlich durch die Wut über das, was aus ihrer Sicht ein Vertuschungsmanöver darstellt. Dass die Katastrophe durch irgendeine Maßnahme im Vorfeld komplett hätte verhindert werden können, behaupten auch die lautesten der Beschwerdeführer nicht – mehr Zeit, um Hab und Gut zu retten, wäre aber vielleicht drin gewesen, lautet die Argumentation.

Der Blick voraus lässt derweil Fortschritte erahnen: Die von Hydrotec errechneten Starkregenkarten nähern sich ihrer Vollendung, eine noch nicht finale Version soll bei der Begehung am Donnerstag zu sehen gewesen sein. Sie soll bereits in eindrücklichem Detailreichtum zeigen, welche Bereiche bei einem Ereignis wie im Juli 2021 überflutet würden. Konkrete Schutzmaßnahmen wie Rückhalterechen für Treibgut sind in Planung, einen Standort in Höhe der Paulusstraße hat die Stadtverwaltung wie berichtet auserkoren. Der Typ und weitere Standorte stehen noch nicht fest.

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