Graffitikunst statt Schmiererei Karl Carstens grüßt von der Brücke

MECKENHEIM · Im Auge des Betrachters lösen Werke von Graffitikünstler selten Stürme der Begeisterung aus - eher Entsetzung ob der unschönen Schmierereien an vielerlei Wänden. Dass die Sprüher aber, bevor sie sich ans künstlerische Werk machen, zuvor ausgiebig ein Museum besuchen, um sich inspirieren zu lassen, ist wohl als ausgesprochene Seltenheit zu werten.

 350 Quadratmeter Wandflächen haben Meckenheimer Kinder - mit dem Segen der Stadt - mit imposanten Graffiti verschönert, die kunstvolle Schlaglichter der Stadtgeschichte zeigen.

350 Quadratmeter Wandflächen haben Meckenheimer Kinder - mit dem Segen der Stadt - mit imposanten Graffiti verschönert, die kunstvolle Schlaglichter der Stadtgeschichte zeigen.

Foto: Mario Quadt

Dennis Diedrich, Streetworker von der Rheinflanke Meckenheim, hat diese kuriose Idee in die Tat umgesetzt, bevor seine junge Künstlerschar im Alter von fünf bis 17 Jahren zur Sprühdose griffen.

Im Meckenheimer Stadtmuseum im Herrenhaus Altendorf finden die bis zu 25 Mädchen und Jungen - mit oder ohne Migrationshintergrund - die Motive, mit denen sie die trist anmutende Unterführung zwischen Königsberger und Küstriner Straße verschönern.

Um nicht "ins Blaue" zu malen, setzen die jungen Künstler 350 Quadratmeter Tunnel mit imposanten Schlaglichtern aus 8000 Jahren Meckenheimer Historie ins Szene. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wer in die Geschichte vor der eigenen Haustür eintauchen möchte, darf etwas Zeit mitbringen.

"Es ist das anspruchsvollste Projekt, das wir jemals gemacht haben", berichtet Diedrich, den seine Kollegen Heiner Ständer, Dirk Eckel und Andreas Müller, Ehrenamtler und SPD-Ratsherr Peter Zachow sowie zwei Sozialstündlern unterstützten. "Wir bieten einen niederschwelliger Geschichtsunterricht", sagt er mit einem Augenzwinkern.

Das Angebot nehmen die Mädchen und Jungen, die sich als "sehr lernwillig" erwiesen haben, gerne an. 100 Sprühdosen und 120 Liter Fassadenfarbe leeren sie innerhalb von zwei Wochen. Los geht der Bilderreigen um circa 6000 Jahre vor Christi Geburt. In der Epoche der Bandkeramik siedelten sich Menschen auf dem fruchtbaren Flecken an, der heute das drittgrößte Obstanbaugebiet Deutschlands ist. Nach den Römern und den Franken skizzieren die jungen Künstler das Jahr 853, der "Geburt Meckenheims", wie auf ehemals grauem Beton zu lesen ist - die Heriger-Schenkung macht es möglich.

Selbst die Zeit der braunen Machthaber sparen die Jugendlichen nicht aus. Vom Brückenkopf grüßen berühmte Meckenheimer Köpfe wie Adam Schall von Bell oder Karl Carstens. Am Ende des Weges sind Roboter zu sehen, die Anno 2121 die Apfelernte übernehmen. Das Energieunternehmen RWE unterstützt das Projekt mit 2100 Euro, der Lions-Club Bonn-Rhenobacum mit 1500 Euro.

Der Enthusiasmus der jungen Künstler hat Folgen: "Wir haben keine Unterführung mehr in Meckenheim, die sich als Kunstwerk eignet", meint Bürgermeister Bert Spilles. Aber neue Flächen, die es zu verschönern gilt, lassen sich sicher finden, so Spilles.

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