Gespräch am Wochenende: Renate Hofmann „Keiner hatte Angst vor dem Tod“

Meckenheim · Dass gerade alte Menschen viel zu geben haben, hat die Kunstfotografin und Journalistin Renate Hofmann in ihrem 2007 erschienenen Buch „Mit den Augen der Weisheit“ herausgearbeitet. Ihre Bilder sind jetzt in einer Ausstellung in der Meckenheimer Christuskirche zu sehen.

 M-Porträt Renate Hofmann als GAW für Samstag, 20.10. , die Fotos zeigen die Hände und das Gesicht eines Menschen nach einem langen Leben

M-Porträt Renate Hofmann als GAW für Samstag, 20.10. , die Fotos zeigen die Hände und das Gesicht eines Menschen nach einem langen Leben

Foto: Axel Vogel

Neun Frauen und drei Männer kommen in Ihrem Buch zu Wort. Woher kannten Sie Ihre Gesprächspartner?

Renate Hofmann: Von den Herren und Damen waren mir nur vier bekannt. Die Mehrzahl meiner Interviewpartner habe ich durch Bekannte und Freunde kennengelernt. Für mein Vorhaben suchte ich ganz besondere Menschen. Sie mussten nicht nur hochbetagt sein, sondern sollten auch eine positive Lebenseinstellung haben. Außerdem mussten sie zu einem sehr persönlichen Gespräch bereit sein.

Warum haben Sie ein Buch über sehr alte Menschen schreiben wollen?

Hofmann: Ich wollte wissen, wie alte Menschen ihr Leben meistern. Es interessierte mich zu erfahren, wie Menschen mit ihrem hohen Alter zurechtkommen und ob sie mit ihrer Lebenssituation zufrieden sind. Außerdem wünschte ich mir einen Impuls für mein eigenes Leben, eine Anregung, wie ich mein Leben im Alter gestalten könnte.

Welche Kriterien waren für Sie bei der Auswahl der Gesprächspartner maßgebend?

Hofmann: Wichtig waren für mich unterschiedliche Lebensläufe. So erzählen die Politikerin, die Journalistin, die Schneiderin vom Dorf, die Nonne, die Berufsschul- und Klavierlehrerin aus ihrem Leben, auch die Schreibkraft, die Friseurin, der Arbeiter und der Angestellte, der Gewerkschafter, Hausfrauen, Mütter und Väter und eine Betonfacharbeiterin. Sie alle wurden im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts geboren, erlebten vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, Nazizeit und Zweiter Weltkrieg bis hin zur Bundesrepublik und DDR sämtliche politischen Veränderungen in Deutschland und Mitteleuropa. Und mit der politischen Veränderung ist die persönliche Geschichte verwoben. Das finde ich interessant.

Woher kamen Ihre Gesprächspartner?

Hofmann: Die meisten wohnten – sie sind mittlerweile alle verstorben – in Nordrhein-Westfalen wie zum Beispiel im Kölner Raum und im Ruhrgebiet. Ein Herr lebte im Saarland, eine Seniorin in einem hessischen Dorf nördlich von Frankfurt. Einige haben ihr Dorf nie verlassen, andere wurden nach Sibirien deportiert und kamen über Umwege nach Deutschland.

Haben Sie auch prominente Gesprächspartner gehabt?

Hofmann: Nur die ehemalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger. Sie war damals 85 Jahre alt und erzählte anschaulich von ihrer schwierigen Kindheit und ihrem Wirken in der Bundespolitik. Mit mir führte Frau Renger das letzte offizielle Interview. Als Fazit ihres langen Lebens hat sie festgestellt, dass für ein aktives Leben jenseits der Pensionsgrenze eine bestimmte Lebensauffassung Voraussetzung sei, denn es müsse sich lohnen zu leben und auch Vorbild zu sein. Für sie stand fest, dass man durch ein langes Leben viel weitergeben könne. Das hat mich sehr beeindruckt.

Gab es in den Gesprächen etwas Gemeinsames?

Hofmann: Gemeinsam war allen ein positiver Rückblick auf ihr Leben – egal, wie schwer die persönliche Biografie verlaufen ist. Und keiner hatte Angst vor dem Tod. Er war in den Gesprächen auch kein Thema. Meistens wurde von alltäglichen Routinen erzählt oder auch erst in den letzten Lebensjahren geknüpften Freundschaften. Viele empfanden die Fürsorge der Kinder, Enkel und Urenkel als Antrieb für ihr weiteres Leben.

In der Ausstellung zeigen Sie nicht nur die Konterfeis. Sie haben auch die Innenflächen der Hände fotografiert. Warum?

Hofmann: Hände drücken sehr viel über das Leben der Menschen aus. Daher gehören sie ebenso zum Bild des Porträtierten wie das Gesicht.

Hat sich seitdem Sie die Interviews geführt haben, das Verhältnis der Generationen zueinander verändert?

Hofmann: Ich meine schon. Um 2005 wurde in der Öffentlichkeit stärker von einem Generationenkonflikt gesprochen. Heute hat sich der Umgang mit älteren Menschen und damit auch das Bewusstsein der Jüngeren zu Älteren verändert. Ich denke, dass auch jüngere Menschen aus den Lebensgeschichten der Senioren für sich einiges herausziehen können.

Würden Sie Ihr Buch und Ihre Ausstellung als zeitlos bezeichnen?

Hofmann: Irgendwie schon. Die Zeit dieser Biografien ist eine historisch völlig andere und mit der heutigen Zeit nicht zu vergleichen. Aber wie diese zwölf Menschen mit einer Lebensweisheit auf ihr Leben zurückblicken und wie sie ihren Alltag im Alter bewältigen, das könnte Jüngere zum Nachdenken über ihr eigenes Leben bringen.

Die Vernissage der Ausstellung mit Lesung findet am Donnerstag, 25. Oktober, 18 Uhr, im Gemeindehaus der Christuskirche an der Dechant-Kreiten-Straße in Meckenheim statt. Die Fotografien sind bis Sonntag, 12. November, zu sehen.

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