Rückblick Meckenheimer Bürgermeisterin vor 10 Jahren abgewählt

Meckenheim · Am 25. November vor zehn Jahren wählten die Meckenheimer ihre Bürgermeisterin Yvonne Kempen ab. Dem Votum ging eine monatelange Debatte um Kompetenzen, Klüngel, Klagen, Kies und Kleinlichkeiten voraus

 Yvonne Kempen und Beigeordneter Rolf Böhmer nach der Abwahl der Bürgermeisterin am 25. November 2007.

Yvonne Kempen und Beigeordneter Rolf Böhmer nach der Abwahl der Bürgermeisterin am 25. November 2007.

Foto: Volker Lannert

Mehr als 6000 Jahre alte Funde beweisen, dass Meckenheim mitnichten während der Dekaden, da Bonn Bundeshauptstadt war, als „Schlafstadt“ vor den Toren der Kapitale für alle Arten von Mitarbeitern des Regierungsapparats aus der Taufe gehoben wurde. Bandkeramiken, die über sechs Jahrtausende alt sind, sind der optische wie haptische Beweis dafür, dass die Menschen, die auf den fruchtbaren Lößboden zwischen Rheinischem Schiefergebirge und Eifel mit reichlich Kultur gesegnet waren. Keine Keramiken, aber reichlich Porzellan ging in Meckenheim vor zehn Jahren zu Bruch. Am 25. November 2007 wählten die Bewohner der Apfelstadt ihre Bürgermeisterin Yvonne Kempen ab. Dem Wahlabend am Totensonntag war ein monatelanger Streit um Kompetenzen, Klüngel, Klagen, Kies und Kleinlichkeiten vorausgegangen.

Energisch und ideenreich trat die selbstbewusste Christdemokratin Yvonne Kempen, promovierte Sportwissenschaftlerin und frühere Volleyball-Nationalspielerin, auf, als sie mit 39 Jahren 1999 als erste hauptamtliche Bürgermeisterin von Meckenheim gewählt wurde. Scheinbar wie aus dem Nichts tauchte die groß gewachsene, aus Koblenz stammende Karrierefrau in der Kommunalpolitik auf. Nach der Promotion 1990 in Berlin startete sie als Referentin der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf. In Bonn war sie als Referatsleiterin im Stab der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth tätig. Sie saß im Bundesvorstand der CDU und im Landesvorstand der Frauen Union.

Als sie in Lüftelberg eine neue Heimatstätte fand, holte sie der damalige CDU-Stadtverbandschef Ferdinand Schmitz im Oktober 1998 in die Kommunalpolitik. Im benachbarten Bonn war gerade nach der Bundestagswahl die Ära Kohl zu Ende gegangen. Die Zeichen standen allüberall auf Veränderung. Und siehe da: Die kommunalpolitisch Unerfahrene gewann die parteiinterne Kandidatenkür zur Bürgermeisterwahl gegen den um Längen erfahreneren Stadtdirektor und Juristen Johannes Vennebusch.

Mag dies noch dem Zeitgeist der Nach-Kohl-Zeit geschuldet sein, legte die neue Verwaltungschefin einen guten Start hin: Sie punktete mit „neuer Bürgerkultur“, wie sie es nannte, indem sie Bürger etwa bei Projekten der Stadtentwicklung mit einbezog und nach deren Meinung fragte. Während ihrer zweiten Amtszeit mehrten sich aber die Konflikte mit dem Rat, mal ging es um die Entwicklung des Stadtteils Merl-Steinbüchel, mal um die gescheiterte Verpachtung der Jungholzhalle, mal um den ohne Ratsmandat geschlossenen Mietvertrag für ein Stadtmuseum, mal um womöglich giftigen Feinstaub aus Müllaltlasten in einer Kiesgrube in Lüftelberg.

Wegbegleiter beschreiben Kempen als blitzgescheit

Die Stadt mit dem Doppelzentrum am „grünen Tor zur Eifel“, wie sich Meckenheim selbst sieht, war bundesweit in den Schlagzeilen - ein zweifelhafter Ruf. Ein Karikaturist der „Welt am Sonntag“ zeichnete sie als zufrieden lächelnde Fahrerin eines Müllautos. Wie Abfall kippte sie – im Auge des Zeichners – die Mitglieder ihres Rates aus, die auf der Deponie landeten. Humor ist eben Geschmackssache – mit einem Fünkchen Wahrheit jedoch: Den kompletten Rat wollte Kempen zu diesem Zeitpunkt mit Hilfe der Landesregierung auflösen lassen. Ihre Abwahl am 25. November 2007, initiiert von fünf Parteien, hatte es in Nordrhein-Westfalen bis dato erst einmal gegeben – gefeuert vom Volk. Wegbegleiter beschreiben sie als „blitzgescheite Frau, die allerdings nicht klug vorging“.

Zum Urnengang am Totensonntag waren 19 199 wahlberechtigte Meckenheimer aufgerufen, eine Entscheidung zu treffen: 9885 nahmen per Stimmabgabe in den Wahllokalen am Votum teil, 1777 stimmten per Briefwahl ab. 7926 votierten für die Abwahl (68,5 Prozent), 3652 (31,5 Prozent) dagegen. Trotz ihrer analytischen Brillanz kam das Ergebnis für Yvonne Kempen überraschend: „Die Bürger stehen voll hinter mir“, hatte sie vor dem Urnengang dem GA gesagt.

Auf ihrer Habenseite verbuchte sie etwa einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 2,7 Millionen Euro anno 2008, die Senkung des städtischen Schuldenbergs, sprudelnde Gewerbesteuern, aber vor allem den Erhalt des Meckenheimer Standortes des Bundeskriminalamtes mit rund 1000 Jobs. Ihre Kampfeslust bekam Bundesinnenminister Otto Schily zu spüren, den sie in Meckenheim empfing. Wie einen Schuljungen soll die Christdemokratin den streitbaren SPD-Minister und früheren Ur-Grünen angepfiffen haben. Fakt ist: Das Bundeskriminalamt (BKA) blieb in Meckenheim. Im April 2011 verlor Yvonne Kempen den Kampf gegen die tückische Krankheit Krebs: Sie starb mit 51 Jahren.

Die Zeiten der oft bizarr anmutenden Auseinandersetzungen im Stadtparlament und des politischen Stillstands sind in Meckenheim passé. Wer das Reizwort Kempen heute in Meckenheim erwähnt, erntet meist ein „Jot, dat dat erüm es.“ Exakt vor zehn Jahren schrieb GA-Hauptstadtkorrespondent Ekkehard Kohrs nach der Abwahl im General-Anzeiger: „Nun sind die Polit-Patronen verballert, das Wasser steht manchen Pro- und Contra-Experten bis zum Hals und die Schäden für Cox-City müssen vernarben“, so der viel gereiste Chronist der Bonner Republik. Und weiter: „Gestern herrschte an der Swist nicht gerade Frühlingswetter, aber Gift lag auch nicht in der Luft, höchstens etwas Lüftelberger Feinstaub.“

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