Gespräch am Wochenende: Ingrid Sönnert Meckenheimer Stadtarchivarin geht in den Ruhestand

Meckenheim · Nach 18 Jahren als Meckenheimer Stadtarchivarin wird die Historikerin Ingrid Sönnert am Gründonnerstag ihren letzten Arbeitstag haben und in den Ruhestand gehen. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Liebe zur Geschichte und was sie in Zukunft vorhat.

Es sind nur noch wenige Tage bis zu Ihrem Ruhestand. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie an Ihren letzten Arbeitstag denken?

Ingrid Sönnert: Da die Kollegen meines Fachbereichs sich bei solchen Gelegenheiten immer etwas ausdenken, frage ich mich, ob ich diesen Tag überstehe (lacht). Auf jeden Fall hoffe ich, dass ich bis zu meinem letzten Arbeitstag alles soweit habe, dass ich das Archiv guten Gewissens übergeben kann. In den letzten Tagen werde ich noch Aufräumarbeiten machen und Bürgeranfragen beantworten.

Sie waren in Ihrem ersten Beruf Erzieherin und haben sich erst nach einigen Jahren in diesem Beruf dazu entschieden, noch einmal die Schulbank zu drücken und Geschichte zu studieren. Wieso ist die Wahl auf dieses Fach gefallen?

Sönnert: Ich wollte schon immer Geschichte studieren. Ich hatte in der Sexta eine Geschichtslehrerin, die viele Jahre in Kairo gelebt hatte. Sie hat uns nicht nur viel über die ägyptische Geschichte nähergebracht, sie hat uns Geschichte auch allgemein sehr lebendig vermittelt. Für mich gab es dann immer nur dieses eine Ziel: Geschichte zu studieren.

Hatten Sie dann im Studium eine besondere Vorliebe?

Sönnert: Ja, darüber habe ich auch meine Magisterarbeit geschrieben: mittelalterliche und frühneuzeitliche Frauenklöster. Und später habe ich mich intensiv mit dem 30-jährigen Krieg im West-Münsterland beschäftigt.

Wie hat Sie Ihr Weg ins Meckenheimer Stadtarchiv geführt?

Sönnert: Die Stelle war damals ausgeschrieben, und zwar zweigeteilt, zur Hälfte Öffentlichkeitsarbeit und zur anderen Hälfte Stadtarchiv. Da ich in beiden Bereichen schon vorher gearbeitet hatte, habe ich mich beworben und die Stelle auch bekommen. Diese Zweiteilung der Aufgabenbereiche besteht auch heute noch, allerdings sind es inzwischen nicht mehr Öffentlichkeitsarbeit und Stadtarchiv, sondern Veranstaltungen und Stadtarchiv. Mein Schwerpunkt liegt aber im Stadtarchiv.

Was macht für Sie die Faszination Ihrer Arbeit als Meckenheimer Stadtarchivarin aus?

Sönnert: Das ist ganz klar die Vielfalt. Ich muss mich mit allen Zeiten und mit allen Themen der Geschichte beschäftigen. Es ist eine selbstständige Arbeit, was ich immer besonders reizvoll fand. In einem so kleinen Archiv kann man selbst Akzente setzen und kommt in Kontakt mit ganz vielen Menschen.

Was waren denn die genauen Aufgaben als Stadtarchivarin?

Sönnert: Stadtarchivare kümmern sich vor allem um die Schriftgutverwaltung einer Stadt. Denn eine Stadtverwaltung produziert ganz viel Schriftgut, sowohl analog als auch digital. Nach dem nordrhein-westfälischen Archivgesetz müssen bestimmte Schriftstücke aufbewahrt werden, die Entscheidung im Einzelfall trifft das Archiv. Es ist wichtig für die Herstellung von Rechtssicherheit, für die Transparenz des Verwaltungshandelns und für die Geschichte der Stadt, die dadurch festgehalten wird. Durch die zunehmende Digitalisierung der Verwaltung fallen immer mehr digitale Daten an, die gar nicht erst in Papierform gelangen, aber deren Sicherung ich trotzdem gewährleisten muss. Die Sicherung der digitalen Daten ist in der Zukunft eine große Aufgabe der Stadtarchive.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Sönnert: Die meisten Nutzer, die zu uns kommen, sind Familienforscher. Kommt jemand, der nach dem genauen Geburtsdatum seines Großvaters Jahrgang 1910 fragt, findet er bei uns die entsprechende Geburtsurkunde in Papierform. Kommt aber in 100 Jahren jemand und fragt nach den Geburtsdaten seiner Oma im Jahr 2018, wird er niemals mehr eine Urkunde in Papierform vorfinden, sondern nur noch digitalisierte Daten. In dieser Hinsicht steigen die Anforderungen an Archivare und an deren Ausbildung immer mehr.

Gibt es etwas, das Ihnen in diesen 18 Jahren als Meckenheims Stadtarchivarin besonders ans Herz gewachsen ist?

Sönnert: Ja, das ist besonders das Personenstandsarchiv. Es ist schön, dass ich es geschafft habe, die meisten dieser Daten in Excel-Dateien zu erfassen, sodass die Bürger sie leicht nachsehen können. Aber eigentlich hat mich jedes Thema fasziniert. Selbst so einfache Dinge wie Flyer oder Wahlplakate wandeln sich ja irgendwann in Geschichte der Stadt um. Man wird selbst zu so etwas wie einem Gedächtnis der Stadt, man hat ganz viele Daten im Kopf und kann viele Verbindungen herstellen.

Mussten Sie sich auch von etwas trennen in Ihrer Amtszeit?

Sönnert: Ja, da fallen mir als erstes die Ausgrabungsfunde von der Adendorfer Straße ein, die an das Landesmuseum übergeben wurden. Bei Ausgrabungen wurden römische Funde wie schön erhaltene Glasfläschchen, Knochen oder Ziegelsteine zutage gefördert. Das lagerte alles in großen Kartons im Keller und konnte da nicht richtig geschützt werden. Es war wichtig, dies alles in professionelle Aufbewahrung zu geben.

Bei all Ihrer Leidenschaft für Historisches haben Sie doch sicher auch in Ihrem Ruhestand in diesem Bereich noch einiges vor?

Sönnert: Aber natürlich. Gemeinsam mit dem Rheinbacher Stadtarchivar Dietmar Pertz habe ich schon die Veröffentlichung „Ihre Namen werden bleiben – Zur Geschichte der Meckenheimer und Rheinbacher Juden und ihre Friedhöfe“ vorgelegt. Als wir gemeinsam zu einer Tagung des Landschaftsverbandes LVR über Landjuden waren, hatten wir die Idee, noch eine Veröffentlichung über die Geschichte der Juden im ehemaligen Kreis Rheinbach zu erarbeiten. Auch zur Meckenheimer Schulgeschichte möchte ich noch etwas veröffentlichen. Und auch über Auswanderer, dazu habe ich schon Material gesammelt und im Landesarchiv Akten durchgearbeitet.

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