Meckenheim Randi Crott las über die Liebesgeschichte ihrer Eltern

MECKENHEIM · 1969 erfuhr Randi Crott, damals 18 Jahre alt, von ihrer Mutter im elterlichen Wohnzimmer, dass ihre Großmutter väterlicherseits Jüdin war, und dass sie ebenso wie ihre Schwester, Crotts Großtante, ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden war.

 Randi Crott war zu Gast im Mosaik-Kulturhaus.

Randi Crott war zu Gast im Mosaik-Kulturhaus.

Foto: Wolfgang Henry

Und sie hörte von den Repressalien, die auch ihr Vater und ihr Großvater, der sich nicht von seiner jüdischen Frau trennte, in Hitlerdeutschland erlebten. "Aber erzähl es niemandem", bat ihre Mutter sie, denn sie hatte die Tochter gegen den Willen des Vaters eingeweiht.

Erst nach dem Tod des Vaters brach die heutige WDR-Journalistin, die beim General-Anzeiger volontierte, ihr Schweigen, recherchierte und schrieb gemeinsam mit ihrer Mutter Lillian Crott Berthung die Liebesgeschichte ihrer Eltern, das Leben ihres Vaters und ihre eigene Betroffenheit nieder. Herausgekommen ist ein bewegendes, informatives und sehr persönliches Buch, das Randi Crott am Mittwochabend auf Einladung des Buchladens am Neuen Markt im Kulturhaus Mosaik vor voll besetzten Stuhlreihen vorstellte.

"Wir sind in einem großen Schweigen groß geworden, doch man muss sich mit dem Thema auseinandersetzen", erläuterte Crott, geboren 1951 in Wuppertal, den etwa 70 Zuhörern ihre Motivation. Nicht nur Kinder von Opfern, auch die von Tätern berichten laut Crott vom Angst machenden Schweigen ihrer Eltern. Anhand von Einzelschicksalen begreife man das Allgemeine besser, sagte Crott und gab der Hoffnung Ausdruck, dass ihr Buch auch junge Menschen erreiche.

Auf knapp 300 Seiten lässt Crott, basierend auf Tagebuchaufzeichnungen ihrer Mutter, in Briefen und Dokumenten die Vergangenheit lebendig werden, erzählt wie sich der deutsche Besatzungssoldat Helmut Crott und die junge Norwegerin Lillian Berthung 1942 verliebten, wie Crott seiner späteren Frau das Geheimnis seiner jüdischen Wurzeln anvertraute und wie sie die Ausgrenzung ihrer Landsleute ertrug, weil sie mit einem Deutschen liiert war.

Gleichzeitig dokumentiert Crott die deutsche Besatzungszeit in Norwegen, angefangen beim Überfall im April 1940, der unter dem Decknamen "Weserübung" stattfand, bis zum Abbrennen der Finnmark, einem Gebiet etwa eineinhalb mal so groß wie Dänemark, das von den Deutschen 1944 dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Zudem nähert sich Crott in ihrem Buch ihrem verstorbenen Vater, der nie mit ihr über seine Herkunft redete, der wegen seiner jüdischen Abstammung nach dem Jura-Studium kein Staatsexamen ablegen durfte und der zur Wehrmacht ging, weil er sich dadurch Schutz für sich selbst und die Seinen versprach.

Erst vor einigen Wochen sei das Buch auch in Norwegen erschienen. Dort habe sie es gemeinsam mit ihrer 91-jährigen Mutter vorgestellt, die häufig als Landesverräterin beschimpft worden sei und für die beim Schreiben wohl der Wunsch nach Rehabilitierung vor ihren Landsleuten im Vordergrund stand, erzählte Crott in Meckenheim.

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