Johanniter-Stift in Meckenheim Seniorinnen besprachen Geschichten und Bilder der Vergangenheit

MECKENHEIM · Sechs Jahre alt war die heute 76-Jährige Brigitte Marklewitz, als sie 1944 aus ihrer Heimat Danzig, gemeinsam mit ihrer Mutter, flüchten musste. Sie und ihre Mutter gelangten per Schiff nach Schleswig-Holstein und von dort nach Dänemark und wieder zurück nach Flensburg.

Noch heute denkt sie an die schreckliche Zeit am Ende des Zweiten Weltkrieges und bekommt dann gelegentlich auch heute noch Angst. Brigitte Marklewitz ist eine von fünf Teilnehmerinnen im Meckenheimer Johanniter-Stift, die sich mehrere Wochen lang ihrer Vergangenheit stellten und mit Schmerz, gelegentlich aber auch mit Freude, an die Kriegs- und Nachkriegszeit dachten, diese Revue passieren ließen und davon in kleiner und vor einigen Tage in größerer Runde erzählten.

Wie auch die 97-jährige Hedwig Barowsky aus dem pommerschen Schlochau, die als junge Frau auf der Suche nach Arbeit in Berlin landete und das Grauen der Bombennächte erlebte, wie Annie Wolfgramm, die von ihrer großen Liebe, ihrem späteren Ehemann Günther, erzählte, die 103-jährige Margarethe Schmidt oder die kürzlich verstorbene Margitta Schmid - sie alle erinnerten sich an manche schmerzvolle Zeit der 30er bis 50er Jahre, die ihr Leben maßgebend beeinflusste.

Die Initiatorin des Projekts Biografiegruppe, Sigrid Harrer-Lange, Ärztin für Psychiatrie beim Sozialpsychiatrischen Zentrum (SPZ) Meckenheim, stellte das Projekt unter das Motto "Maikäfer flieg - von Monschau nach Danzig" in Analogie zu dem Kinderlied: "Maikäfer flieg, Dein Vater ist im Krieg, Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer flieg".

Gemeinsam mit ihrer Kollegin vom SPZ, Andrea Schmidt, zuständig für die Beratung älterer Menschen mit psychischen Problemen, wollten die Beiden den Seniorinnen die Gelegenheit geben, ihre Traumata der Vergangenheit zu bewältigen. Bomben, Sirenen, Luftschutzkeller, Flucht, Familienzusammenführungen nach dem Krieg, Liebe im Krieg und in den Jahren danach - die Geschichten und Bilder der verschiedenen Leben hat Dorothee Erhard, Leiterin Sozialer Dienst des Stiftes, verschriftlicht und verbildlicht an den Wänden im Bistro für jeden erfahrbar aufgehangen.

Im Beisein zahlreicher Bewohner des Stiftes brachten die Teilnehmerinnen noch einmal einzelne schwierige Aspekte ihres Lebens zur Sprache. "Wenn es auf das Lebensende zugeht, ist es gut, wenn man die schlechten Erfahrungen auch mal rauslässt", so Harrer-Lange. Denn "schlimm ist die Erinnerung, die an einem zehrt. Es geht nicht weg", so Marklewitz.

Hedwig Barowsky denkt an Kramamboli, ein starkes alkoholisches Getränk aus ihrer Heimat. Eine alte Kaffeemühle, Kriegskaffee aus Korn und Zichorie hergestellt (Linde's Kaffee) ließen die Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Erhard will das Projekt weiterführen. "Viele Erinnerungen an früher kommen bei Bewohnern spontan im Aufzug oder beim Frühstück hervor. Das zeigt, dass die Zeit präsent ist." Die Zeiten wieder aufleben lassen will sie auch durch einen musikalischen Rundgang in den Fluren. Dann soll dort Musik der 30er und 40er Jahre erklingen.

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