Comedy zum Nachdenken Thelma Buabeng entdeckte Schauspielerei in Bonn

Bonn · Die Schauspielerin Thelma Buabeng hat eine Serie auf Youtube und steht ab November im Bochumer Schauspielhaus auf der Bühne. Sie möchte allerdings nicht nur unterhalten, sondern hat eine klare Botschaft.

 Bald in Bochum auf der Bühne zu sehen: Thelma Buabeng.

Bald in Bochum auf der Bühne zu sehen: Thelma Buabeng.

Foto: Puria Safary

Sie ist noch nicht ganz angekommen im Café am Bochumer Bermudadreieck und hat es trotzdem schon geschafft, den Raum einzunehmen. Sie strahlt zur Begrüßung, entschuldigt sich für die Verspätung, setzt sich hin und fragt, ob es bei dem Wetter nicht draußen schöner wäre – alles gleichzeitig. Thelma Buabeng ist Schauspielerin, Youtuberin und Comedian. Wer jedoch versucht, sie in eine der typischen Schubladen zu stecken, scheitert.

„Wollen wir nicht Du sagen?“, fragt sie schon beim ersten Telefonat, und im Gegensatz zu vielen anderen Interviewpartnern kauft man ihr ab, dass ihr das wirklich lieber ist. Aus dem anfänglichen Handschlag zur Begrüßung ist am Ende des Interviews bereits eine herzliche Umarmung geworden.

Nach Bochum ging es für die 37-Jährige Anfang September, als die Proben für das Stück „White People's Problems / The Evil Dead“ am Schauspielhaus anfingen. Die Zeit im Ruhrgebiet ist allerdings nur eine ihrer vielen beruflichen Stationen. Seit elf Jahren nennt sie Berlin ihr Zuhause, aufgewachsen ist sie jedoch in Meckenheim. Ihr Abitur machte Thelma Buabeng 2001 am Gymnasium in Rheinbach, in ihrer Jugend verbrachte sie viel Zeit in Bonn. Dort – genauer am Theater Marabu – finden sich auch ihre ersten Berührungspunkte mit der Schauspielerei.

Entdeckung der Schauspielerei in Bonn

„Vorher habe ich immer nur so eine kindliche Vorstellung davon gehabt, aber in dieser Zeit merkte ich, was es eigentlich alles bedeutet, wenn man schauspielert“, erinnert sich Buabeng. Einen anderen beruflichen Wunsch habe sie nie gehabt. „Es ist, als wäre diese Idee schon immer in meinem Kopf gewesen.“

Mit der Kinder- und Jugendspielgruppe stand sie mit 17 Jahren auf der Bühne in der Brotfabrik. Bereits damals schlummerten die ersten Charaktere für die spätere Youtube-Serie „Tell Me Nothing From The Horse“ in ihr. In den rund fünfminütigen Clips spielt Thelma Buabeng fünf Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Annemie ist eine davon: Sie schwärmt im breitesten Kölsch vom Karneval, nutzt Begriffe wie Lügenpresse und ist natürlich kein Nazi, aber in Köln wird es ihr dann doch manchmal zu eng.

„Einen Teil von diesem Charakter erfand ich zu Schulzeiten. Eine Freundin von mir war Et Lisbeth, und ich war eben Et Annemie. So haben wir dann immer versucht, uns auf Kölsch zu unterhalten.“ Das unterstreicht Buabengs Theorie, dass man Teile einer Figur auch immer in sich selbst findet. Gerade die Vielfältigkeit und die unterschiedlichen Persönlichkeiten, in die man abtauchen könne, machen für sie noch immer den Reiz der Schauspielerei aus.

Die Serie „Tell Me Nothing From The Horse“ nennt sie ganz selbstverständlich ihr Baby und spricht davon, als würde es sich wirklich um eine Person handeln. Wer ein paar Folgen gesehen hat, wird erkennen, warum sie das tut. Die anfangs lediglich komisch und überzeichnet wirkenden Figuren entwickeln mit der Zeit mehr Persönlichkeit, erzählen von ihren Hintergründen und begründen ihre Ansichten.

Unterhaltung zum Nachdenken

In dem Comedyformat geht es für Buabeng natürlich darum, die Zuschauer zu unterhalten. Andererseits sprechen die Figuren fast immer über aktuelle politische Themen. In der zweiten Staffel ging es beispielsweise um die AfD, Trump und die MeToo-Debatte. Für die einzelnen Folgen gibt es stets nur ein Oberthema, kein Skript oder vorher überlegte Antworten – alles wird spontan improvisiert.

Gemeinsam mit ihrem besten Freund Vladimir Burlakov dreht sie eine Staffel meist an wenigen Tagen. „Er ist auch derjenige, der sich die Fragen überlegt und mir stellt – ich bin ihm so dankbar für diese riesige Hilfe.“

Den Schnitt übernimmt eine weitere Freundin, aber Thelma ist immer mit dabei. „Manchmal schaue ich mir das Material an und bin selbst überrascht, was die einzelnen Charaktere geantwortet und wie sie reagiert haben“, sagt Thelma Buabeng. „Es scheint, als hätten sie mit der Zeit ein wenig Besitz von mir ergriffen.“

Sie nutzt beim Schauspielern die Grundidee des Method-Acting – dabei geht es darum, in eine Rolle tief einzutauchen. Die Gefühle der Figur werden durchlebt und zuvor Erlebtes bewusst während des Spielens verarbeitet. „Das bedeutet nicht, dass ich mich in Rollen komplett verliere. Ich finde einfach, dass man immer einen Teil seiner Figur finden sollte, den man lieben lernen kann.“ Dabei müssten es nicht immer Charaktere sein, die ihr ähneln: „Je weiter weg von einem selbst, desto interessanter“, findet die 37-Jährige.

Auch wenn es ihr Job ist, täglich in andere Rollen zu schlüpfen, wirkt die Schauspielerin authentisch und absolut geerdet. Sie ist kein Modepüppchen wie Vivian, eine ihrer Rollen. Und doch passt die Farbe ihrer Fingernägel perfekt zu ihren knallroten Schuhen.

Wenn sie sich dann in Rage redet, möchte sie gefühlt drei Sätze gleichzeitig sagen. Sie gestikuliert, redet immer schneller und beinahe ohne dazwischen Luft zu holen. Doch weil sie auch die Fähigkeit besitzt, über sich selbst zu lachen, wirkt das alles einfach nur sympathisch.

"Ich bin wütender denn je"

So zufrieden, wie sie da sitzt, klingt es beim ersten Hören widersprüchlich, wenn sie sagt: „Ich bin wütender denn je.“ Doch ihre Gründe sind vielfältig und zeigen, wie wichtig ihr politische Teilhabe ist. Sie nimmt an Demonstrationen teil, blickt sehr kritisch auf die derzeitigen Entwicklungen in Europa und verpackt ihre Kritik gebündelt in der Comedy. Schließlich kann man darin auch mal verbal über die Stränge schlagen, übertreiben und überzeichnen.

In dem Stück am Bochumer Theater „White People's Problems / The Evil Dead“ wird es wieder eine klare Botschaft für den Zuschauer geben. Der Regisseur Benny Claessens inszeniert das Stück ausgehend von Gerhart Hauptmanns Arbeiterdramen „Die Weber“ und „Vor Sonnenaufgang“. Statt die Stücke allerdings in ihrer ursprünglichen Form auf die Bühne zu bringen, beschäftigt er sich mit der Frage „Warum wird Theater in Deutschland von einer weißen, elitären Oberschicht bestimmt?“ Auch Thelma Buabeng findet die Ansätze des Stücks wichtig: „Eigentlich geht es beim Theater doch oft darum, dem Publikum eine Botschaft mit auf den Weg zu geben. Wie soll das gehen, wenn wir immer nur die gleichen uralten Stücke zeigen und die aktuellen Konflikte oder Zustände nicht beleuchten?“

Im November und Dezember geht es also in der Zeche Eins darum, wie viel unterschwelliger Rassismus in der stets um Political Correctness bemühten Theater- und Kunstwelt zu finden ist. „Und solange wir immer noch darüber reden müssen, solange es eine Ausnahme darstellt, dass Theater und Filme realistische Abbilder sind, muss man sich dafür einsetzen.“

Gleichzeitig sei sie müde, sich immer wieder nur zu Rassismus zu äußern. „Ich möchte einfach als deutsche Schauspielerin wahrgenommen werden, die die gleichen Rollen spielen kann wie jeder andere auch.“

White Privilege und die Theaterwelt

Mittlerweile hat sie, vielleicht auch durch die besagte Wut angetrieben, schon sehr viel beruflich erreicht. Ihre Besetzungen im Fernsehen, Kino und Theater passen längst nicht mehr auf eine Seite vom Lebenslauf. „Zu Beginn meiner Karriere durfte ich nur Putzfrauen, Prostituierte und Flüchtlinge spielen“, erzählt sie. Und da ist es wieder, das Blitzen in ihren Augen, kurz bevor ein Redeschwall beginnt. „Ganz ehrlich? Ich möchte nicht nur Rollen annehmen, wo ich mit Knochen im Haar ums Feuer tanze“, sagt sie. Kurz nachdem sie sich aufgeregt hat, muss sie wieder über sich selbst lachen. „Ich möchte nicht ständig über dieses Thema reden müssen.“

Und so erledigen das ihre Rollen für sie. Naomi – eine Figur ihrer Sendung – echauffiert sich fortwährend über unterschwelligen Rassismus und ist sichtlich sauer, dass Schwarze im „Tatort“ keine Ermittler spielen dürfen. „Ein bisschen war das immer mein Wunsch, beim ‚Tatort‘ so eine Rolle zu bekommen und keine klischeebesetzte Nebenrolle“, so Buabeng.

Erst in der Schauspielerei habe sie gemerkt, dass ihre Hautfarbe zum Teil ein Problem ist. „Da muss man aber differenzieren: Ich fühle mich nicht als Opfer, aber ich möchte auch nicht die ewig gleichen Rollen spielen.“

Mit Blick auf die klassischen Stücke und die Besetzung der Hauptrollen, erklärt sich ihr Unverständnis. „Nehmen wir doch mal Shakespeares ‚Sommernachtstraum‘ als Beispiel. Da ist es realisierbar, dass Elfen und Kobolde mitspielen. Fabelwesen sind also okay, aber keine Schwarzen?“ Aus diesem Grund freue sie sich sehr, bei dem Stück in Bochum dabei zu sein.

„Claessens setzt sich auf sehr angenehme Weise mit dem Thema ‚White Privilege‘ auseinander“, findet Buabeng. Auch diese Inszenierung arbeitet viel mit Improvisation und nicht direkt mit festgelegten Rollen.

Da steht sie nun, breitet die Arme aus und verabschiedet sich wie eine alte Freundin, die man bald wiedertrifft. Und wenn schon nicht persönlich, dann zumindest in einer ihrer Rollen. Die dritte Staffel von „Tell Me Nothing From The Horse“ soll kommendes Jahr erscheinen.

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