Besuch in Meckenheim Warum Hundeschulen so boomen
Meckenheim · Die Zahl der Hundehalter steigt, Erziehungshilfe und Trainings sind ein Wachstumsmarkt. Der GA hat sich in Meckenheim unter die Vier- und Zweibeiner begeben, um die Motivation der Kunden und aktuelle Trends zu erschnüffeln.
Den Welthundetag am vergangenen Montag könnten mehr Deutsche mit warmen Gefühlen zur Kenntnis genommen haben als den Nationalfeiertag eine Woche zuvor. In jedem fünften Haushalt lebt mindestens ein bellender Vierbeiner, hat der Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) ermitteln lassen. Die Zahl der Hundehalter wächst, in den Corona-Jahren sogar sprunghaft. Gab es 2014 noch rund sieben Millionen Hunde in Deutschland, waren es 2021 schon gut zehn Millionen.
Diese Entwicklung schlägt sich im Umsatz der Heimtierbranche ebenso nieder wie in der Zahl der Dienstleister, die Erziehung, Training oder Therapie für Hunde anbieten. Mehr als 2400 Hundeschulen sind inzwischen bundesweit in Branchenverzeichnissen gelistet. Eine davon ist das Hundezentrum Kottenforst im gleichnamigen Meckenheimer Gewerbepark. Im Sommer 2021 hat sich die Inhaberin Annalisa Edeler, seit 2013 selbstständige Hundetrainerin, dort mit ihrem Ehemann Georg niedergelassen.
Für die Hunde ein Rasen wie auf dem Golfplatz
Beim Besuch wird sofort deutlich, wie weit die Entwicklung in der Branche gediehen ist. Der Kundenparkplatz liegt neben einer mannshoch eingezäunten Wiese, die bei Bedarf mit einer Flutlichtanlage ausgeleuchtet werden kann. Der sattgrüne Rasen ist manikürt wie ein Golfplatz. Bei ungünstiger Witterung wird kein Hundehalter gezwungen, die berühmte Abhärtung gegen Kälte und Nässe unter Beweis zustellen: Die Edelers haben mit dem Grundstück auch eine Halle erworben, in der heute nichts mehr an ihre Vergangenheit als Hauptquartier einer Baufirma erinnert.
„Das ist Hundelaufboden, der entspricht veterinärmedizinischen Empfehlungen“, erklärt Annalisa Edeler, die hier alle nur „Anna“ nennen, und zählt die Vorzüge des weichen Materials auf, mit dem der größte Teil der Halle ausgelegt ist. Ein Zaun trennt den Trainingsbereich vom Verwaltungstrakt, unter der Hallendecke montierte LED-Strahler leuchten das Innere annähernd taghell aus.
Der Unterricht kann bei jedem Wetter stattfinden
Weil es draußen nieselt, geht es für den ersten der beiden Kurse an diesem Nachmittag in die Halle. Nasentraining steht auf dem Programm: Die Vierbeiner sollen lernen, den Schlüsselbund ihres Menschen aufzuspüren und anzuzeigen. „Eure Hunde können den metallischen Geruch erkennen, und euren Körpergeruch, der daran haftet“, erklärt Anna. In einem ersten Schritt wird der Gegenstand den Hunden hingehalten und mit dem Sprachkommando „Schlüssel“ verknüpft. Jede gezielte Kontaktaufnahme mit dem Riechorgan wird belohnt, mit lobenden Worte, einer Streicheleinheit oder einem Leckerli – jeder Halter weiß selbst am besten, was für sein Tier funktioniert.
Kurz darauf wird es spannend: Anne-Kathrin Dohrn (43) aus Bad Godesberg deponiert ihren Schlüsselbund in der Hallenmitte, während ihr zwei Jahre alter Maltipoo-Rüde „Benni“ ihre Rückkehr mit leichter Unruhe, aber in gehorsamer Sitzhaltung abwartet. Von den vier teilnehmenden Hunden ist Benni der erste, der auf das Kommando „Such den Schlüssel!“ gezielt zum gefragten Objekt läuft und nach kurzem Schnüffeln erwartungsvoll Richtung Frauchen blickt.
Schnuppertraining fordert Vierbeiner geistig
„Wir haben hier schon mehrere Kurse gemacht, Benni ist es schon ein bisschen gewohnt, zu suchen“, erklärt Dohrn die gute Leistung ihres Lieblings. In die Hundeschule gehe sie mit ihm, weil er zu Hause manchmal nicht ausgelastet sei. „Es geht vor allem darum, dass der Hund geistig gefordert wird. Man merkt, dass die nach so einem Training hier platt sind.“
Johanna von Kintzel (29) aus Miel ist mit ihrem spanischen Jagdhundmischling „Bongo“ dabei. Der frühere Straßenhund ist schätzungsweise drei Jahre alt und hat offenkundig traumatische Erlebnisse gemacht, bevor er über den Tierschutz ein neues Zuhause gefunden hat: Brandnarben zeugen von einem schweren Unfall. „Ich möchte herausfinden, was uns beiden Spaß macht“, erklärt die 29-Jährige, die noch einen weiteren Kurs im Hundezentrum besucht. Davon erhofft sie sich auch eine stabilere Bindung: „Ich reite und hoffe, dass Bongo mich irgendwann dabei begleiten kann.“ Mit Pferden habe dieser kein Problem, sei aber insgesamt ängstlich. Daher ist bislang ihre Sorge zu groß, dass er panisch davonlaufen könnte.
Bei Problemen investieren Halter auch in Einzeltrainings
Christina Versteegen (48) aus Muffendorf hat ihren Terriermischling „Lotti“ ebenfalls aus dem Tierschutz und sich damit ein hartes Stück Erziehungsarbeit vorgenommen. Die professionelle Unterstützung lohne sich, ist sie überzeugt: „Lotti hatte anfangs Schwierigkeiten mit anderen Hunden, aber nach Einzeltrainings mit Anna ist das besser geworden.“ Trainerin Anna erhöht im Verlauf der einstündigen Übung den Schwierigkeitsgrad, die Schlüssel werden dabei mit Hindernissen versteckt. Bongo ist der Tunnel aus Zeltplane offenbar unheimlich, Benni hingegen steckt die Nase sogar in den Spalt unter dem Trampolin und zeigt den dort „verlorenen“ Schlüssel an, indem er mit der Pfote dagegen stubst – dafür gibt es von Frauchen freudiges Extralob. Anna empfiehlt am Ende der Stunde, das Erlernte zu Hause zu üben.
Da es inzwischen wieder trocken ist und sich die Herbstsonne zeigt, empfängt sie ihre nächsten Kunden auf dem Rasen, wo das Apportieren trainiert wird. Das scheint den zwei Jahre alten Großpudel „Calisto“ wenig zu interessieren. „Er hat so seine Macken, aber ich habe die Herausforderung angenommen“, sagt seine 64-jährige Besitzerin aus Bonn. In der Hundeschule möchte sie ihm eine gefährliche Angewohnheit abgewöhnen: „Er jagt furchtbar gern Autos.“
Vernachlässigte Erziehung bleibt nicht ohne Folgen
Simone Theurich (56) aus Bonn hat mit ihrem 13 Monate alten West-Highland-Terrier „Nala“, dem das Nachjagen des Apportierstabs sichtliche Freude bereitet, schon die Grundausbildung im Hundezentrum gemacht. „Bei meinem ersten Hund bereue ich es im Nachhinein, dass ich mit ihm nicht zur Schule gegangen bin. Jetzt im Vergleich mit Nala merkt man schon, dass der nicht wirklich erzogen war“, räumt sie ein.
Helmut Schreck (67) aus Bonn, der mit seinem knapp zwei Jahre alten Großpudel „Aiko“ dabei ist, schätzt den Erziehungsstil von Annalisa Edeler und ihren Mitarbeiterinnen. „Früher war ich mal in einem Verein, da war mir der Drill zu militärisch, für mich war das nicht tiergerecht.“
Spezialangebote wie Anti-Giftköder-Trainings
Die Inhaberin setzt beim Hundetraining auf wissenschaftliche Erkenntnisse, regelmäßige Fortbildung und ein breites Portfolio, das stellenweise so speziell ist wie ein Kurs, bei dem Hunde lernen sollen, von Tierhassern ausgelegte Giftköder zu meiden. Die Nachfrage sei nach dem Corona-Lockdown explodiert („Wir wurden regelrecht überrannt“), steige aber schon länger. „Der Hund hat mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft, entsprechend groß ist die Bereitschaft, zu investieren“, erklärt Annalisa Edeler.
Dabei gehe der Trend dahin, sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden, was oft, aber nicht immer auf maximale geistige Auslastung abziele: „Viele Hunde sind heute reizüberflutet, weil der hektische Alltag ihrer Besitzer auf sie abfärbt.“ Deshalb soll im Kottenforst demnächst in Ergänzung zum „Agility“ genannten Beweglichkeitstraining für Mensch und Hund auch „Degility“ angeboten werden: Yoga für Hunde, gewissermaßen.