Info-Veranstaltung „Fahreignung im Alter“ Wie garantiert man die Verkehrstauglichkeit älterer Autofahrer?

Meckenheim · Es ist ein Schreckensszenario: Ein alter Autofahrer verursacht einen Unfall, bei dem mehrere Menschen verletzt werden und sterben. Die Frage, ob Senioren noch Auto fahren sollten, polarisiert. Was tun?

 Über die Besonderheiten, auch im Alter sicher ein Auto zu lenken, sprachen auf Einladung des Meckenheimer Seniorenforums die Psychotherapeutin Anne-Simone Glodowski vom Marienhaus-Klinikum in Bad Neuenahr-Ahrweiler (links) und Fahrlehrer Reinhard Queckenberg. FOTO: AXEL VOGEL

Über die Besonderheiten, auch im Alter sicher ein Auto zu lenken, sprachen auf Einladung des Meckenheimer Seniorenforums die Psychotherapeutin Anne-Simone Glodowski vom Marienhaus-Klinikum in Bad Neuenahr-Ahrweiler (links) und Fahrlehrer Reinhard Queckenberg. FOTO: AXEL VOGEL

Foto: Axel Vogel

Das Forum Senioren Meckenheim und die Stadt hatten gemeinsam zur Info-Veranstaltung „Fahreignung im Alter“ eingeladen. Leicht lassen sich dort die in Ehren ergraut geglaubten grauen Zellen in Wallung bringen: „Was für ein Wagen ist das?“, fragt Reinhard Queckenberg, Fahrlehrer und Namensgeber der Fahrschule Queckenberg aus Ringen, ins gebannt lauschende Auditorium und wirft via Beamer das Bild eines Oldtimers an die Wand der Aula in der Gemeinschaftsgrundschule Merl.

„Ein Opel Kapitän, Baujahr 1959“, sagt ein Zuhörer mit schlohweißem Haar wie aus der Pistole geschossen. Die flinke Antwort quittieren die rund 60 Zuhörer mit lauten Ohs und Ahs. Wenn das Forum Senioren Meckenheim und die Stadt gemeinsam zur Info-Veranstaltung „Fahreignung im Alter“ einladen, müssen – wie so oft bei Zusammenkünften des Forums Senioren – reichlich Stühle aufgestellt werden.

Schier undenkbar ist für viele der Zuhörer der Gedanke, an einem bestimmten Stichtag den Führerschein abgeben zu müssen und von einem Tag auf den anderen der eigenen Mobilität beraubt zu sein. Immer dann, wenn ein Senior einen spektakulären, folgenreichen Unfall verursacht, ist der Vorschlag, den Führerschein mit 75 Jahren automatisch abgeben zu müssen, Gegenstand der Diskussionen.

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar, der die Verkehrsminister von Bund und Ländern in Sachen Verkehrssicherheit berät, sieht die Stichtagslösung allerdings nicht als Patentrezept für mehr Sicherheit an, wie Queckenberg meint. Welche Gefahrenpunkte für betagte Autofahrer im Straßenverkehr lauern und wie sie entschärft werden können, darüber berichtet Queckenberg zusammen mit Diplom-Psychologin Anne-Simones Glodowski mit allerhand imposanten Fallbeispielen.

Getreu der Überschrift des Vortrags „Nicht ohne mein Auto“ geht die Frage an die Zuhörer, wohin es sie treibt, wenn sie mit dem Wagen unterwegs sind. Verblüffendes fördert die spontane, nicht repräsentative Befragung im Auditorium zutage: Von kurzen Fahrten zum Einkaufen, zum Arzt oder in die Kirche reicht das Spektrum bis zu ausgedehnten Urlaubsfahrt – allerdings stets in bereits seit Jahren und Jahrzehnte bekannte Erholungsorte.

Ein 94 Jahre alter Zuhörer bekundet freimütig, regelmäßig in die Sommerfrische in den niedersächsischen Kurort Bad Pyrmont aufzubrechen. Eine andere Zuhörerin nimmt auch mal „600 Kilometer bis nach Norderney oder bis nach Obersdorf“ in Kauf, schränkt allerdings sogleich ein: „Ich fahre dann aber nur Sonntagsmorgens, wenn keine Lastwagen unterwegs sind.“

Für den Fahrlehrer, der auch Fahrkurse für langjährige Führerscheinbesitzer anbietet, zeigen die Antworten, welche hohe Bandbreite an Fahrten auch im Alter zu bewältigen sind. „Das führende Motiv ist die Selbstbestimmung“, sagt er. „Das Ganze geht aber leider nicht ohne steigendes Risiko.“ Wie Neuropsychologin Glodowski berichtet, ist zwischen 2001 und 2011 die Zahl der Unfälle, die von über 65-Jährigen verursacht werden, um fast 32 Prozent angestiegen.

Und: „Ab dem 75. Lebensjahr steigt das Unfallrisiko um 45 Prozent an – insbesondere bei den Wenigfahrern“, berichtet sie. Gespenstige Stille macht sich in der Aula breit, als die Fachfrau vom Marienhaus-Klinikum in Bad Neuenahr-Ahrweiler diese Prozentzahl in den Raum wirft. Als Wenigfahrer zählen Frauen und Männer, die im Jahr weniger als 3000 Kilometer mit dem Auto zurücklegen.

Doch damit nicht genug der schlechten Nachrichten: „Betagte und Hochbetagte haben den größten Anteil bei den Verkehrstoten“, erklärt Glodowski. Eine weitere Zahl verblüfft: „Heute haben nur 20 Prozent der 80 Jahre alten Frauen den Führerschein, in 15 Jahren werden es 80 Prozent sein, bei den Männern nahezu 100 Prozent“, ergänzt Queckenberg.

Kein Geheimnis ist indes, warum Betagte Unfälle verursachen. Während bei den jungen Verkehrsteilnehmern zumeist zu schnelles Fahren oder Alkoholkonsum als Hauptgründe für einen Crash feststehen, sind es bei den erfahrenen Fahrern Fehler beim Abbiegen oder das Missachten der Vorfahrt.

Mit einem Lacher holen die beiden Referenten die Zuhörerschaft zurück aus dem Tal der erschütternden Zahlen und Statistiken. Queckenberg zeigt ein Foto der Autobahn A 2 in Höhe von Porta Westfalica aus den 50er Jahren. Auffällig auf der Aufnahme sind neben der geringen Verkehrsdichte der kurze, kaum vorhandene Beschleunigungsstreifen.

„Natürlich haben heute Senioren Probleme beim Einfädeln auf eine Autobahn, weil sie es nie gelernt haben“, bekundet Queckenberg und erntet angeregtes Kopfnicken. Weiteres Beispiel: das gestapelte Parken, um „Raserstrecken“ zu entschärfen. „Gab es das in den 60er Jahren?“, fragt Queckenberg rhetorisch und erntet ein vielstimmiges Nein der Meckenheimer Senioren.

Glodowski unterstreicht allerdings auch, was die Autofahrer mit Erfahrung auf der Haben-Seite zu verbuchen haben: „Sie zeichnen sich durch eine defensive Fahrweise und hohe Fahrroutine aus“, erklärt die Psychotherapeutin. Die älteren Verkehrsteilnehmer verfügen über ein hohes Sicherheitsdenken und „Respekt vor Strafen und rechtskonformen Verhalten“.

Queckenberg und Glodowski unterstreichen den Appell des Verkehrsgerichtstages, dass sich betagte Steuerfrauen und -männer regelmäßig auch im Hinblick auf ihre Fahrtauglichkeit untersuchen lassen (siehe Kasten). Den Führerschein freiwillig abzugeben, sei somit nur auf ärztliches Anraten hin dringend notwendig.

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