Interview „Ohne Flächen keine neuen Wohnungen“

Sozialer Wohnungsbau ist auch in der Gemeinde Wachtberg ein Thema. Geförderter Wohnraum ist im Ländchen so gut wie nicht vorhanden. Im Interview fordert Experte Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindeverbund eine Strategie.

Würde der Baubetriebshof verlegt, könnte einem Vorschlag der CDU zufolge hier auf einem Teil der Fläche geförderter Wohnraum entstehen.

Foto: Axel Vogel

In Wachtberg ploppte in der Vergangenheit immer wieder das Thema sozialer Wohnungsbau mit Macht auf: Zuletzt während der Flüchtlingskrise, und als es um die Frage ging, wo anerkannte Flüchtlinge bezahlbaren Wohnraum finden können. Fakt ist: Geförderter Wohnraum ist im Ländchen so gut wie nicht vorhanden. Ob es Möglichkeiten gibt, dass zu ändern, wollte GA-Mitarbeiter Axel Vogel von einem Experten wissen: Bernd Düsterdiek. Er verantwortet beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) in Bonn die Bereiche Stadtentwicklung, Umwelt und Vergaberecht. Außerdem engagiert er sich in der Wachtberger CDU.

Herr Düsterdiek, die Wachtberger Gemeinde hat in der Vergangenheit in der Debatte immer abgewunken, nach dem Motto: „Wir haben keine Grundstücke und auch kein Geld“. Gibt es trotzdem Auswege aus diesem Dilemma?

Bernd Düsterdiek: Das Grundproblem bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist in vielen Städten und Gemeinden vergleichbar: Ohne Flächen und Grundstücke keine neuen Wohnungen. Umso wichtiger ist es, sich als Gemeinde gezielt einen Überblick über die vorhandenen Baulandpotenziale – insbesondere im Innenbereich – zu verschaffen und eine langfristige Strategie in Bezug auf die Gemeinde- und auch die Wohnbaulandentwicklung zu entwickeln. Hier darf nicht nur „auf Sicht“ gefahren werden. Es sollte die Bereitschaft vorhanden sein, wo möglich in den Grunderwerb zu gehen und auch die planerischen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand zu stellen. Der aktuelle Flächennutzungsplan der Gemeinde Wachtberg stammt aus dem Jahr 2013!

Oft wird argumentiert: Der Markt wird es schon richten.

Düsterdiek: Diese Einstellung stößt in vielen Städten und Gemeinden mittlerweile an ihre Grenzen. Ich halte daher eine maßvolle kommunale Bodenbevorratung für einen sinnvollen Ansatz. Die Steuerungsfähigkeit einer Gemeinde ist über ihre Rolle als Grundeigentümer wesentlich höher als allein mit planungsrechtlichen Instrumenten. Deshalb sollte aus meiner Sicht im Zweifelsfall dem kommunalen Zwischenerwerb und einer strategischen Bodenbevorratung Vorrang vor städtebaulichen Verträgen eingeräumt werden. Im Ergebnis steigert eine kommunale Bodenvorratspolitik auch das kommunale Vermögen. Mit Blick auf den sozialen Wohnungsbau kommt hinzu: Die Fördermodalitäten bieten bei anhaltend niedrigem Zinsniveau nur wenig Anreize für private Investoren und renditeorientierte Anleger. Oft spielt das Thema Geld in den Diskussionen eine große Rolle.

Ist tatsächlich sozialer Wohnungsbau zu teuer für eine Gemeinde wie Wachtberg?

Düsterdiek: Die Landesregierung in NRW verfolgt mit einem mehrjährigen Wohnraumförderungsprogramm und einem jährlich bis zum Jahr 2022 garantierten Finanzrahmen von 1,1 Milliarden Euro das Ziel, mehr Wohnraum in allen Marktsegmenten zu schaffen. Dies ist grundsätzlich sinnvoll und ein echter Anreiz, hier aktiv zu werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung von mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen. Die Wohnraumförderung richtet sich gleichermaßen an Wohnungsunternehmen im privaten oder im öffentlichen Eigentum, an Private, aber auch an Kommunen oder an freie Träger der Wohlfahrtspflege.

Woran hakt es, dass sich gefühlt keiner so recht an den sozialen Wohnungsbau heranwagt?

Düsterdiek: Eigentlich ist es so, dass es genügend Fördermittel gibt. Gerade für freie Bauträger bleibt es trotz allem häufig eher unattraktiv, preisgebundenen Wohnraum zu bauen. Die Renditen werden niedriger als auf dem freien Wohnungsmarkt eingestuft. Und die Landeszuschüsse wiegen hohe Baukosten und oftmals teure Grundstücke nicht auf. Hinzu kommt, dass auch eine hohe Bauqualität – einschließlich Barrierefreiheit – erwartet wird, wenn öffentlich gefördert gebaut wird. Und schließlich bleibt das bereits angesprochene Problem der Verfügbarkeit von Baugrundstücken. Last but not least müssen für Bebauungsplanverfahren nicht selten vier bis fünf Jahre veranschlagt werden. Dies ist eine weitere Hürde auf dem Weg zu einer zügigen Wohnraumentwicklung.

Gerade bei der Planung neuer Wohngebiete vor allem in Berkum hat die CDU neue Wege eingeschlagen.

Düsterdiek: Genau. Die CDU Wachtberg hat bereits im Jahr 2018 im Planungs- und Umweltausschuss einen Antrag zur Entwicklung einer Wohnbaufläche für den Bereich Fraunhoferstraße/Erlenmaarweg gestellt. Diese Fläche böte sich, insbesondere im Falle einer Verlagerung des Bauhofes an einen anderen Standort, als Entwicklungsfläche an. An der Erforderlichkeit einer strategisch klugen Wohnbaulandentwicklung in Wachtberg hat sich bis heute nichts geändert. Der Rhein-Sieg-Kreis und die Bundesstadt Bonn sind eine prosperierende Region, in der auf absehbare Zeit mit einer weiter wachsenden Wohnbevölkerung durch Zuzug zu rechnen ist.

Was wäre an der Fraunhoferstraße, Ecke Erlenmaarweg denkbar?

Düsterdiek: Hier könnte grundsätzlich bedarfsgerecht Wohnungsbau sowie auch geförderter Wohnungsbau realisiert werden. Eine Bauhofverlegung vorausgesetzt, wäre es etwa denkbar, bei der Entwicklung dieses Gebietes eine sogenannte Konzeptvergabe vorzusehen. Im Rahmen von Konzeptvergaben werden kommunale Grundstücke im Rahmen von wettbewerblichen Verfahren nach der Qualität des Nutzungskonzeptes und nicht nach dem Höchstpreis vergeben. Vorteile einer Konzeptvergabe sind, dass die Gemeinde insbesondere einen klar bestimmten Anteil an gefördertem Wohnraum sowie weitere Kriterien verbindlich vorgeben könnte. Die Konzeptvergabe, die bereits in vielen Städten und Gemeinden umgesetzt wird, wäre folglich nicht nur ein innovatives Instrument zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums.