Umdenken bei der Duldung "An einer konsequenteren Abschiebepraxis führt kein Weg vorbei"

Rheinbach · Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz fordert zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ein Umdenken.

 Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz.

Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz.

Foto: Axel Vogel

Herr Raetz, für viele Kreiskommunen ist es ein großes Problem, dass sie neben immer neuen Flüchtlingen weiterhin eine beachtliche Zahl bereits rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber betreuen müssen. Jetzt will die Bundesregierung aber erklärtermaßen schneller und effektiver abschieben...
Stefan Raetz: Dann soll man das Bitteschön auch machen. Die Praxis zeigt jedoch, dass abgelehnte Asylbewerber aus einer Vielzahl von Gründen letztlich doch nicht abgeschoben werden. Hier bedarf es einer klaren Regelung durch den Bund, unter welchen Bedingungen auch abgelehnte Asylbewerber bleiben können. In allen anderen Fällen ist für eine einheitliche Praxis der Abschiebung in allen Bundesländern Sorge zu tragen. Beim jetzigen Zustand kann es angesichts der Probleme bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht bleiben.

Ist es aus ihrer Sicht Augenwischerei, wenn von offizieller Seite immer erklärt wird, dass das Gros der Flüchtlinge abgelehnt werde?
Raetz: Das Asylrecht ist unverändert ein hohes Rechtsgut. Eine breite Akzeptanz für das Asylrecht setzt aber voraus, dass es konsequent nur für diejenigen angewandt wird, die hinreichende Asylgründe nachweisen können. Alle Antragsteller, die aus durchaus nachvollziehbaren Gründen gerne einwandern möchten, können diesen Weg nicht über das Asylrecht beschreiten und müssen in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Derzeit ist dies nicht der Fall. Die Abschiebung ist zur Ausnahme geworden.

Kann man dem für Abschiebungen zuständigen Ausländeramt in Siegburg Vorwürfe machen, möglicherweise zu zögerlich abzuschieben?
Raetz: Dort muss man sich - wie in anderen Kreisverwaltungen auch - zuallererst an die bestehende Gesetzeslage und die hierzu entwickelte Rechtsprechung halten. Die Verhinderung von Abschiebungen ist übrigens auch ein lukratives Geschäftsfeld für Rechtsanwälte. Daher ist jetzt die große Politik gefordert, um die Duldungspraxis zu ändern und klarstellende Regelungen zu schaffen, die auch bei anstehenden Gerichtsverfahren bestand haben.

Was würde helfen?
Raetz: Zum Beispiel, wenn ein abgelehnter Asylbewerber beim Ausländeramt nur noch einen Duldungsgrund geltend machen, und nicht mehr - wie bisher - eine ganze Palette an Gründen einen nach dem anderen abhandeln kann. Dabei geht oft schon so viel Zeit ins Land, dass der Antragsteller beziehungsweise dessen Familie dann qua Gesetz als "integriert" gilt und geduldet werden muss. Angesichts der Herausforderungen aus der Flüchtlingskrise führt kein Weg an einer konsequenteren Abschiebungspraxis vorbei.

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