Interview mit Stefan Raetz „Dann marschieren wir nach Düsseldorf“

Rheinbach · Im Interview spricht Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz über den VHS-Streit, Flüchtlinge, eine Demonstration der Bürgermeister und den Zwist in der Rheinbacher CDU.

Mitten in die adventliche Zeit platzte der Streit über den künftigen Standort der Geschäftsstelle der Volkshochschule (VHS) Voreifel. Ist Ihnen das Gebäude im Ruhrfeld nicht repräsentativ genug?

Stefan Raetz: Das ist nicht das Hauptthema, ob es repräsentativ ist. Wir müssen zusehen, ob wir für die VHS eine zukunftsfähige Lösung finden. Nur zu sagen: Jetzt haben wir Räume frei, dann schicken wir die Verwaltung rein – das wäre zu kurz gedacht. Wir sollten zusehen, dass wir der VHS und der Musikschule gleichzeitig die Möglichkeit geben, bessere Unterrichtsbedingungen zu bekommen. Außerdem geht es um gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter. Eine VHS sollte so zentral aufgestellt sein, dass sie gut erreichbar ist. All dies sollte bedacht werden und darum haben wir nicht direkt Ja oder Nein gesagt. Das ist ein gutes Angebot der Kollegen aus Meckenheim, aber lasst uns mal nach Alternativen gucken. Denn, und da verstehe ich den Kollegen Spilles nicht ganz: Hätten wir darüber in der Zweckverbandsversammlung abgestimmt, wäre das Ruhrfeld abgelehnt worden. Damit wäre die Tür zu.

Die Zeit in dieser Frage drängt ein wenig, da das bestehende Gebäude in Rheinbach bis zum 30. April gekündigt werden kann. Welche Lösung können Sie sich als Zweckverbandsvorsteher vorstellen?

Raetz: Ich denke, es ist die bessere Lösung, zunächst nach Alternativen zu schauen und dann darüber abzustimmen. Das werden wir im Frühjahr zur Entscheidung vorlegen.

Ein „Haus der Bildung“ für die VHS ist in Rheinbach seit Jahren ein Thema. Dass der Zweckverband dafür zusammenlegen wird, ist aber eher unwahrscheinlich...

Raetz: Das ist sicherlich unrealistisch, dass der Zweckverband baut. Aber da gibt es heute ganz andere Lösungen. Man kann da Investoren finden. Privates Geld, um zu bauen, ist ausreichend da. Wenn die Rendite stimmt, vermieten die uns das. Eine Volkshochschule ist eine Pflichtaufgabe, wird also so schnell auch nicht eingestampft. Also kann man eine gewisse Sicherheit bieten, was die Räumlichkeiten betrifft, und das kann eine Alternative sein. Dabei sollte man einrechnen, was wir dann für gute Möglichkeiten an Unterrichts- und Seminarräumen hätten. Ich bin ganz guter Dinge, dass wir diesen Traum von einem „Haus der Bildung“ nicht aufgeben sollten. Träume sind dazu da, hoffentlich mal verwirklicht zu werden.

Im vergangenen Jahr sprachen Sie in Sachen Flüchtlingsunterbringung von „klebrigen Händen“ der Landesregierung, was die Weitergabe von Bundesgeldern angeht. Hat sich an diesem Zustand nach dem Regierungswechsel etwas geändert?

Raetz: Die neue Landesregierung hat in den gleichen Kleistertopf gepackt. Auch da sind die Finger noch immer klebrig – was ich nicht in Ordnung finde. Als Opposition hat man gesagt, dass die Landesregierung die Kommunen im Stich lasse, als neue Landesregierung sagt man, dass das Geld dafür fehlen würde. Das ist für uns nicht akzeptabel. Deswegen haben alle Bürgermeisterkollegen des Kreises einen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet geschrieben. Wir erwarten, dass die finanziellen Aufwendungen für Flüchtlinge so ablaufen, wie von ihm selbst als Oppositionsführer gefordert: 100 Prozent der Kosten, die die Kommunen haben, sollen erstattet werden.

Gab es schon eine Antwort aus der Landeshauptstadt?

Raetz: Ja, wir haben eine Antwort bekommen, die uns aber nicht befriedigt. Dort werden wir vertröstet auf einen Kassensturz im Jahr 2018. Wenn wir unsere Aufwendungen finanziell nicht stemmen können, bedeutet dies Steuererhöhungen. Und damit fällt dann die Akzeptanz in der Bevölkerung, was das Thema Flüchtlinge betrifft. Und das wollen wir alle nicht. Die allermeisten kommen aus einer großen Not hierher. Wenn es keine zügigen Signale gibt, dass sich für die Kommunen etwas ändert, werden wir Bürgermeister die nächste Eskalationsstufe starten.

Wie sieht diese aus?

Raetz: Dann werden wir mal in Richtung Düsseldorf marschieren – im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn die Jäger das können, vor dem Landtag deutlich zu machen, dass sie gegen ein Jagdgesetz sind, werden wir Bürgermeister mal deutlich machen, dass wir uns bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten vom Land und der Landesregierung allein gelassen fühlen. In anderen Bereichen ist die neue Landesregierung ja auch tatsächlich kommunalfreundlicher als die Vorgänger.

DHL und Eaton haben es eilig, im Gewerbegebiet Wolbersacker mit dem Bau ihres Distributionszentrums zu beginnen. Für die übrigen Flächen an der A 61 werden Sie nicht lange werben müssen?

Raetz: Es klopft täglich einer an die Tür. Wir könnten den Wolbersacker ruckzuck volllaufen lassen. Das wollen wir aber nicht tun. Unter Moderation des Kreises und der Regierungspräsidentin wollen wir Flächen im Rhein-Sieg-Kreis anbieten, die Bonn nicht zur Verfügung stellen kann. Wir haben in Rheinbach eine Fläche gefunden, die sehr verkehrsgünstig liegt – direkt an der Autobahn und am Haltepunkt der Voreifelbahn „Rheinbach Römerkanal“. Viele haben gesagt: Warum macht ihr da in die Pampa einen Haltepunkt hin? Der ist heute Gold wert. Der Wolbersacker ist ein Projekt auf Jahre. Darum wollen wir Wert darauf legen, was gebaut wird, wie, welche Arbeitsplätze die Firmen schaffen und, da achtet der Kämmerer darauf, dass sie gute Gewerbesteuerzahler werden.

Haben Sie sich darüber schon Gedanken gemacht, ob Sie 2020 erneut antreten?

Raetz: Wir haben ja noch ein bisschen Zeit bis dahin. Ich bin jetzt im 19. Jahr im Amt als Bürgermeister. Das ist schon eine lange Zeit – vor allen Dingen in der Doppelspitze als Verwaltungschef und Repräsentant der Stadt. Das kostet Kraft, und man wird nicht jünger dabei. Da muss ich mir überlegen, ob ich weitermache oder nicht. Das hängt auch mit der Gesundheit zusammen. Ich schaue mir an, was schaffe ich jetzt in den nächsten Jahren, und dann werden wir sehen, wohin die Reise geht.

Eskaliert ist im Sommer der Streit um die Führungsspitze innerhalb der CDU-Fraktion. Es verfestigt sich der Eindruck, dass das eine Lager die Marschrichtung in der CDU-Fraktion angibt, das andere Lager im CDU-Stadtverband. Teilen Sie als geborenes Mitglied der CDU-Fraktion diese Ansicht?

Raetz: Nein, der Eindruck täuscht leider nicht. Wir haben zurzeit keine CDU, die sich untereinander einig ist. Das hängt vor allem mit persönlichen Animositäten zusammen. Ich kann nur dazu aufrufen, das Persönliche hintanzustellen. Es geht um die Sache und um die Ziele der CDU. Und die kann man zum Wohle der Bürger nur gemeinsam erreichen. Wenn man sich untereinander streitet, macht das nur andere stark. Und dann muss man sich fragen: War es das wert, der oder die Stärkere zu sein? Man darf nicht vergessen, dass man stellvertretend für die Bürger in diesem Amt ist. Das wird eine wichtige Aufgabe in der zweiten Hälfte sein, dass Fraktion und Stadtverband wieder zueinanderfinden.

Ein wichtiges Thema – fernab der Politik – ist der Fußball. Sie sind von Kindesbeinen an Fan des Hamburger SV, lassen aber auch gerne im Kölner FC-Stadion die Stimmung auf sich wirken. Welcher Verein muss am Ende der Saison den harten Gang in Liga zwei antreten?

Raetz: Tja, man muss viel leiden können. Wenn ich Pech habe, kann ich beide in der 2. Liga besuchen. Das Schlimmste wäre, wenn es auch noch eine Relegation gegen Düsseldorf gäbe. Ich gehe mal davon aus, dass der HSV wieder den Dusel haben wird, sich da rauszumanövieren. Aber für die Kölner sieht es in der Tat schlecht aus. Ich freue mich aber dann wieder auf die Aufstiegsparty.

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