Schausteller Michael Burghard im Interview "Das kommt einer Enteignung gleich"

Rheinbach · Um die Zukunft von Fahrgeschäften sorgt sich nach einer Gesetzesänderung der Schausteller Michael Burghard, der zurzeit mit seinem Riesenrad auf der Rheinbacher Kirmes vertreten ist.

 Teure Akten: Michael Burghard hat 100 000 Euro für die Zulassung seines Riesenrads bezahlt. Jetzt scheint eine neue europäische Norm all das infrage zu stellen.

Teure Akten: Michael Burghard hat 100 000 Euro für die Zulassung seines Riesenrads bezahlt. Jetzt scheint eine neue europäische Norm all das infrage zu stellen.

Foto: Axel Vogel

Zu den Hintergründen sprach Axel Vogel mit dem 48-jährigen Dortmunder, der auch stellvertretender Fachberater des Bundesverbandes Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSMEV) ist.

Herr Burghard, Sie gehen massiv gegen eine neue Norm vor, welche seit Anfang des Jahres auch maßgebend für den Betrieb sogenannter Fliegender Bauten ist. Worum geht es dabei?
Michael Burghard: Betreiber von Fahrgeschäften wie das unsrige müssen alle zwei Jahre eine Verlängerung der Ausführungsgenehmigung beantragen. Das geschieht etwa bei der Stadt, wobei der Tüv für die Zulassung verantwortlich ist. Maßgebend war bislang für diese Verlängerung der Ausführungsgenehmigung die DIN 4112. Doch seit 2014 gilt die EN 13814, die bereits 2004 auf deutsche Veranlassung durchgesetzt wurde, aber seitdem auf Eis lag. Daher wurden Fahrgeschäfte wie Karussells, wozu Riesenräder zählen, weiter auf der Grundlage der alten DIN 4112 gebaut.

Waren die Grundlagen der alten Norm nicht mehr sicher?
Burghard: Nein, auf keinen Fall. Es liegen der neuen Norm EN 13814 einfach andere Berechnungen zugrunde. Aus Sicht meines Bundesverbandes BSMEV, bei dem ich stellvertretender Bundesfachberater bin, setzt die alte DIN 4112 die höchsten Sicherheitsstandrads der Welt. Unser Schaustellerbetrieb ist 130 Jahre alt und das Riesenrad, was wir gegenwärtig betreiben, ist das insgesamt siebte. Bislang hat es noch nicht einen Unfall bei uns gegeben.

Können Sie Ihr Riesenrad nicht der neuen Norm anpassen?
Burghard: Das würde mich zwischen 200 000 und 400 000 Euro kosten. Nur das Problem ist: Trotz dieser großen Investition wäre das nur eine Annäherung an die Vorgaben der EN 13814. Ich würde es niemals mit einer Nachrüstung meines Riesenrads schaffen, diese Norm vollständig zu erfüllen.

Gibt es keinen Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte?
Burghard: Das ist genau der Punkt: Einen solchen Bestandsschutz gibt es eben in Deutschland nicht, anders als in allen anderen EU-Ländern. Von daher weiß ich auch nicht, ob und wie lange eine Ausführungsgenehmigung für meine Fahrgeschäfte verlängert würde. Das schafft extreme Unsicherheit.

Wie läge der Fall, wenn Sie ein neues Riesenrad kaufen würden, das nach den Maßgaben der neuen Norm konstruiert worden ist?
Burghard: Dann müsste ich bis zu fünf Millionen Euro investieren, hätte aber auch für das neue Fahrgeschäft keinen Bestandsschutz. Wenn also die neue EN 13814 in einigen Jahren wieder geändert würde, ginge das ganze Spiel von vorne los. Für mich wäre eine solche Investition unternehmerischer Selbstmord, wenn eine Ausführungsgenehmigung immer nur zwei Jahre gilt. Für dieses Projekt würde mir auch keine Bank der Welt Geld leihen, auch würde sich wohl kein Versicherer finden. Für mich kommt dieser Zustand daher schon einer Entrechtung und einer Art Enteignung gleich.

Wie das?
Burghard: Unser Riesenrad, was auch in Rheinbach zu sehen ist, wurde erst 1999 gebaut. Wer würde das jetzt noch angesichts der gegenwärtigen Rechtslage kaufen?

Daher klagen Sie auch?
Burghard: Genau. Wobei ich aber nur einer von drei Schaustellern bin, der eine Musterklage angestrengt hat. Ich klage in NRW als Betreiber eines Riesenrads, in Niedersachsen klagt der Besitzer einer Achterbahn und in Bayern der Eigentümer eines Magic-Rundfahrgeschäftes.

Was prognostizieren Sie, wenn die Klagen scheitern sollten?
Burghard: Wenn die Norm EN 18814 so Gültigkeit behält, wird es die Kirmes in der Form nicht mehr geben. Aus meiner Sicht wäre das die ungerechteste Entscheidung auf der Welt.

Zur Person

Michael Burghard (48) ist verheiratet und hat einen Sohn. Er entstammt einer alten Dortmunder Schaustellerfamilie, die seit 130 Jahren Riesenräder betreibt. Derzeit hat er zwei Riesenräder, die er auf etwa 40 Kirmesveranstaltungen pro Jahr zeigt. Er selbst hat von klein auf im Betrieb mitgearbeitet. Er gehört dem Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSMEV) an.

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